Agri-Photovoltaik als Chance für die Energiewende

Wir brauchen die Energiewende, dies leugnet keiner. Doch gerade bei der Umsetzung von Photovoltaikanlagen auf freien Flächen stoßen mehrere Interessen aufeinander. Betrachtet man nur die Wirtschaftlichkeit und was eine solche Anlage maximale bringen kann? Wie geht man mit der Konkurrenz um die Flächen um? Was zählt mehr – regional produzierter Strom oder regional erzeugte Lebensmittel? Wie können alle Interessen gewahrt werden?

Dies sind Fragen, welche in Limburg aktuell eine große Rolle spielen. Die Energieversorgung Limburg (EVL), bei der die Stadt Limburg zu 60 Prozent Gesellschafter ist, möchte zwischen Lindenholzhausen und Linter entlang der A3 einen Solarpark errichten, um regionalen Strom vor der Haustüre zu produzieren. Die Flächen, die sie dabei ins Auge nimmt, werden aktuell von ortsansässigen Landwirten bewirtschaftet. Diese kritisieren das Vorgehen und weisen auf die guten Böden hin, die nicht zugebaut werden sollen. In diesem Konfliktfeld befindet sich derzeit die kommunale Politik. Noch sind keine Nutzungsverträge mit den Landbesitzern geschlossen, das ganze Thema befindet sich noch in der Abwägungsphase.

Ausgleich der Interessen

Die SPD würde gerne einen Ausgleich der Interessen erreichen, so Peter Rompf, Vorsitzender SPD Limburg. Daher lud die SPD zu einem Vortragsabend mit Benjamin Volz von der Firma Next2Sun Technology GmbH ein, welche sich mit vertikalen Agri-Photovoltaikanlagen beschäftigt und somit eine Doppelnutzung der Flächen ermöglichen möchte.
Benjamin Volz weiß als studierter Agrarwissenschaftler um die Bedeutung beider Seiten. „Die Landwirtschaft ist wichtig, aber auch der Ausbau erneuerbarer Energien“, so Volz, „ich habe einen inneren Konflikt, da diese beiden immer in Konkurrenz stehen. Daher versuche ich, die Idee voranzutreiben“. Die bisherige Freiflächen-PV-Anlagen sind schräg optimal nach der Sonne ausgerichtet und haben eine maximale Produktion in der Mittagszeit. Mögliche Modelle für Agri-Photovoltaik über eine hohe Aufständerung der Solarmodule ist teuer und findet wenig Akzeptanz bei den Landwirten. Next2Sun setzt auf eine vertikale Aufstellung und sieht darin eine große Chance für die Energiewende, eine hohe Akzeptanz bei den Landwirten und eine Mitnahme der Bevölkerung für das Thema.

Doppelnutzung wertvoller Flächen

Bei den Modulen handelt es sich um bifaciale Module, dass bedeutet, beide Seiten fangen das Sonnenlicht auf und produzieren Strom. Daher produzieren diese Anlagen von morgens bis abends Strom und sind daher um zehn Prozent effektiver als die herkömmlichen Freiflächen-PV-Anlagen. „Es ist ein simples System und ich frage mich, warum wir da noch nicht früher drauf gekommen sind“, so Volz zu diesen Anlagen. Die PV-Anlagen nehmen 15 Prozent der Fläche ein und 85 Prozent stehen weiterhin für die landwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung.

Aufgestellt sind sie 2,80 Meter hoch, das Solarmodul befindet sich 80 Zentimeter über dem Boden. Die Befestigung wird 2 Meter tief in den Boden gerammt, Fundamente sind nicht notwendig. Somit findet keine Versiegelung des Bodens statt. Zwischen den Reihen der Abstand beträgt zehn Meter. Um die Ständer befindet sich ein ein Meter breiter Pflegesteifen, damit die Landwirte mit ihren Maschinen nicht hängenbleiben. Einmal im Jahr mäht der Landwirt diesen Streifen. Daher besitzt er einen ökologischen Nutzen. Es handelt sich um ein „Trittsteinbiotop“, ist wertvoller Rückzugsort für Insekten und wirkt daher biodiversitätsfördernd. Für diese Anlagen muss etwas mehr investiert werden als für die konventionellen Anlagen. Aber dafür ist der Stromertrag am Ende auch etwas höher.

Vorteile und Herausforderungen

Sie haben bei den Anlagen festgestellt, dass der Boden durch die Beschattung nicht so schnell austrocknet. Zudem schützen die Anlagen den Boden vor Winderosion und Erosion bei Starkregen. In trockenen Jahren stellten sie auf diesen Flächen einen erhöhten Ernteertrag fest. Solche Anlagen bringen natürlich auch Herausforderungen mit sich. So muss geschaut werden, welche Maschinen der Landwirt auf diesen Flächen einsetzen kann. An Hängen sind die Anlagen möglich, aber da müsste man schauen, wie es mit der Bewirtschaftung aussieht.

Es ist eine verringerte Fahrtgeschwindigkeit zwischen den Modulen möglich, so dass die Arbeitsgeschwindigkeit um 30 Prozent sinkt. Und das Mähen des Pflegestreifens wäre ein zusätzlicher Arbeitsschritt, welcher auf die Landwirte zukommt. Dennoch haben die PV-Anlagen eine höhere Akzeptanz, weil wertvolle Ackerflächen erhalten bleiben, welche doppelt genutzt werden können. „Mit Agri-PV schaffen wir die Energiewende!“, so Volz. In Weilburg werde derzeit eine Fläche von sechs Hektar geplant und er würde sich freuen, wenn Limburg auch diesen Weg gehen würde.

Offene Fragen

In der anschließenden Diskussionsrunde musste Volz zugeben, dass er nicht auf alle Fragen eine Antwort habe. So könne er keine Aussagen dazu machen, wie sich der Nebel im Lahntal auf die Energieproduktion auswirke. Sie haben Erfahrungen zu Neuschnee. Die helle Oberfläche reflektiert das Sonnenlicht und die Solarmodule erzeugen mehr Strom. Auch zu möglichen Schallauswirkungen konnte er keine Aussage treffen. Gerade Anwohner aus Linter äußerten sich etwas skeptisch, ob die entstehenden Reihen den Schall von der Autobahn Richtung Wohnbebauung transportieren. Volz zeigte auf, dass eventuell eine Reihe als Lärmschutzwand dienen könnte. Aber er wies auch darauf hin, dass sie durchaus mit diesen Anlagen Pioniere seien und er es nicht gut finde, noch 15 Jahre zu warten, bis es auch Antworten auf die letzte Frage gibt. Zudem zeigte er auf, dass es ein Kompromiss ist. Die Kommunalpolitiker müssen am Ende entscheiden, was ihnen wichtiger ist – die reine Wirtschaftlichkeit oder die doppelte Nutzung. Der Landwirt könnte weiterhin 85 Prozent der Flächen bewirtschaften, anstatt die Flächen ganz zu verlieren.

Er habe damals in der Presse von dem aufkeimenden Konflikt gelesen und sei proaktiv auf verschiedene Akteure zugegangen. Er habe auch ein Gespräch mit der EVL gehabt, könne aber nicht sagen, wie diese zu dem Projekt stehen. Sehr gut kam der Vortrag bei den Kommunalpolitikern an. Gerhard Voss vom Ortsbeirat Lindenholzhausen findet diese Agri-Photovoltaik-Anlage eine „gute Alternative“. Er hätte sich nur gewünscht, verschiedene Möglichkeiten mit allen Beteiligten im Vorfeld zu kommunizieren, statt das Projekt voranzutreiben.

Die Anwesenden können diesen neuen Wissenstand jetzt mit in die verschiedenen Gremien nehmen und für weitere Beratungen nutzen. Das letzte Wort zu dem Projekt haben am Ende die Stadtverordneten in Limburg.

Bildrechte: Next2Sun Technology GmbH

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Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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