Andreas Bollendorf: „Für absolute Normalität kann ich keine Perspektive anbieten“

Seit drei Wochen dürfen die Limburger Domsingknaben wieder im Präsenzunterricht Stimmbildung erhalten. Doch von Normalität ist dies noch weit entfernt.

In einem Gespräch gibt Chorleiter Andreas Bollendorf Einblicke in die Einschnitte durch Corona und die derzeitige Arbeit.

Hygiene- und Abstandsregeln

Bereits am Eingang zeigt sich, dass derzeit nichts normal ist bei den Limburger Domsingknaben in Hadamar. Auf großen Zettel stehen Anweisungen, wie sich jeder zu verhalten hat. Die Treppe hoch weisen Markierungen auf dem Fußboden immer wieder auf die nötigen Abstände hin. In einer Liste wird dokumentiert, wer in das Gebäude kommt. Am Desinfektionsspender werden die Hände desinfiziert und in den Fluren ist das Tragen eines Mundschutzes empfohlen. Weiter geht es im Probenraum, in welchem sonst ein Stimmgewirr der vielen Jungen herrscht. Vier Sänger des B-Chores sind anwesend. Jeder sitzt einzeln hinter einem Plastikschutz, welche im großen Abstand voneinander stehen. Erst dort darf der Mundschutz abgenommen werden. Müssen sich die jungen Sänger ein Notenbuch aus dem Schrank holen, geht jeder einzeln.

Wichtige soziale Komponente

Von Normalität nach dem Lockdown hat dies noch lange nichts, doch Chorleiter Andreas Bollendorf ist froh, dass überhaupt wieder Stimmbildung vor Ort möglich ist.
Wie für alle kam auch für die Domsingknaben die Corona-Pandemie wie eine Welle und hat erstmal jegliche Aktivitäten eingeschränkt. Am 15. März sollte noch ein Passionskonzert stattfinden, welches dann sehr kurzfristig abgesagt wurde. Zu Beginn schloss Bollendorf eine digitale Stimmbildung aus. Aber damals war auch noch nicht abzusehen, wie sich die ganze Sache entwickelt. Was relativ schnell aufgenommen wurde, war die instrumentale Ausbildung über digitale Medien. Als sich jedoch nach Ostern abzeichnete, dass diese Situation noch länger anhält, ging Bollendorf dazu über, auch einmal die Woche eine Online-Stimmbildung abzuhalten. „Dies ging nicht zusammen und so haben wir die Zeit genutzt, um mit den Sängern zu reden oder mit ihnen digitale Rundgänge zu machen wie zu den Glocken vom Limburger Dom“, so der Chorleiter.

Und dann sagt er etwas, was er mehrmals im Gespräch wiederholt. „Auch die soziale Komponente ist für uns sehr wichtig!“ Die Domsingknaben sind eben nicht nur das gemeinsame Singen, sondern das ist auch das Miteinander. Und auch wenn die Jungs zum Singen wieder ins musische Internat kommen dürfen, so ist die Normalität noch ein ganzes Stück entfernt. Denn nach der Stunde Singen ist es vorbei, eine Betreuung findet derzeit nicht statt.

Unruhe seit einem Jahr

So richtig zur Ruhe kommen die Domsingknaben nicht. Im letzten Jahr im April kam es zu Unruhen innerhalb der Sänger, viele ältere Sänger verließen den Chor. Nachdem es wieder etwas ruhiger wurde, kam der nächste Paukenschlag, indem das Domkapitel verkündete, den Standort Hadamar aufzugeben und die Domsingknaben nach Limburg zu holen. Und während dieser Prozess noch nicht vollständig geklärt war, kam die Corona-Pandemie. „Ich habe Sorge gehabt, dass es zu weiteren Abmeldungen kommt“, so Bollendorf auf die Frage nach den Auswirkungen der ganzen Unruhen, „doch wir können sogar drei Neuzugänge vermelden.“ Wobei die Umzugsproblematik noch immer im Raum steht, auch wenn sie derzeit ruht. Es finden konzeptionelle Überlegungen statt, doch solange nicht klar ist, wie alles ablaufen soll, werde kein Umzug stattfinden.

Sommerfreizeit geplant

Inzwischen ist er froh, dass wieder Proben stattfinden können. Bis vor drei Wochen war es ein einziger Kampf. Doch mit der Aufnahme des Schulbetriebes sollte auch wieder der Probenbetrieb stattfinden, auch wenn ein normales Singen nicht möglich ist. „Ich gehe nicht davon aus, dass wir einen Normalbetrieb haben werden, bis das RKI das Risiko herabstufen wird“, ist sich Bollendorf sicher. Daher kann er auch jetzt noch nicht sagen, welche Auswirkungen die Pandemie insgesamt auf den Chor haben wird.

Alle geplanten Konzerte wurden abgesagt und wann das nächste Konzert stattfindet, steht noch in den Sternen. „So ins Leere hinein zu proben, ist frustrierend“, so Bollendorf, „wir helfen uns dann mit kleinen Videoprojekten.“ Und in den Sommerferien soll eine Freizeit in Hadamar stattfinden, um das soziale Miteinander zu stärken.
Ein großer Dank des Chorleiters geht an die Eltern, welche sich auf die neuen Strukturen einlassen und mit großem Engagement es ihren Kindern möglich machen, an den Chorproben teilzunehmen, auch wenn es für die Eltern derzeit mehr Fahrerei bedeutet. In enger Abstimmung mit dem Arbeitsstab Corona des Bistums und der Hygienebeauftragten werden Hygienekonzepte erstellt, um das Miteinander zu ermöglichen. Und dennoch ist derzeit nichts normal. „Das Gemeinschaftliche fehlt mir gerade“, so Bollendorf, „und das ist für dieses Jahr sehr prägend.“ Und er weiß, wovon er redet, hat er doch selbst als Schüler elf Jahre von diesem Gemeinschaftsgefühl partizipiert.

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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