Andreas Otto: „Mir gehen die Ideen nicht aus“
Die Werke von Andreas Otto sind sichtbar im öffentlichen Raum – wie die Malerei an der Turnhalle der Erlenbachschule in Elz oder riesige Libellenflügel im Rosengarten in Hadamar. Der gelernte Glas- und Porzellanmaler steckt voller Ideen, welche alle noch raus wollen.
Die Kunst liegt Andreas Otto (58) im Blut. Er ist in der neunten Generation Glas- und Porzellanmaler, womit er in die Fußstapfen seines Vaters und Großvaters tritt. Er ist Lehrer an der Glasfachschule in Hadamar, aber gestaltet darüber hinaus auch viele eigene Projekte. „Mir gehen die Ideen nicht aus, sie überfallen mich“, sagt er von sich selbst. Und hat sich eine Idee in seinem Kopf festgesetzt, dann möchte sie auch heraus. Dabei folgen diese nicht nur einer bestimmten Richtung, sondern bestechen durch ihre Vielfältigkeit.
Gestaltung immer im Mittelpunkt
Nach der Schule begann Andreas Otto eine Ausbildung in der Elektrotechnik, doch schnell wurde ihm bewusst, dass er etwas mit Gestaltung machen wollte, so dass er an die Glasfachschule ging. Mit seinem Gesellenbrief begann er bei Derix Glasstudios in Taunusstein und kam international mit Aufträgen herum. So gestaltete er in den 80er Jahren die Fenster von Linda McCartney mit, das war „crazy“. Irgendwann kamen jedoch die Überlegungen, wie es weitergehen sollte und er machte sich selbständig. Alles was er verdiente, wurde direkt wieder in neue Projekte gesteckt. „Dafür braucht man Ausdauer“, erinnert er sich. Aber nach 2,5 Jahren hatte es geklappt und er hatte sich einen Namen gemacht.

In den 90er Jahren erhielt er einen Anruf aus der Glasfachschule. In kürzester Zeit seien drei Lehrer weggefallen, ob er einige Stunden unterrichten könnte. Auf die Frage, wann es denn losgehen sollte, hieß es, direkt am nächsten Tag. „Das war der schlimmste Tag meines Lehrerlebens“, erinnert er sich lachend. Neben einer Abschlussklasse musste er eine zweite Klasse als Krankheitsvertretung beaufsichtigen und noch zwei Besuchergruppen empfangen. „So einen Tag habe ich zum Glück nie wieder erlebt.“ Um neben dem Wissen zum Glas auch Didaktik und Methodik vermitteln zu können, machte er vier Semester ein Aufbaustudium in Gießen. Eine anstrengende Zeit sei dies gewesen, wenn er zurückblickt. Aber er hatte immer den Rückhalt von Familie und Schule. Die Ausbildung schloss er mit Auszeichnung ab und ist bis heute im Schulbetrieb. Neben dem Unterricht an der Glasfachschule lehrt er auch Mediengestaltung an der Technikakademie in Weilburg.
Inspiration aus der Natur und Gesellschaft
Alles, was ihn umgibt, inspiriert ihn. Die Natur, gesellschaftliche Themen oder auch das Spannungsfeld zwischen Gesellschaft und Religion lassen Ideen in ihm heranwachsen. In seinem Garten beobachtete er den Kampf einer Libelle, welche leider am Ende starb und auf seiner Terrasse lag. Er war fasziniert von diesen Flügeln und es reizte ihn, diese Schönheit in Glas zu verewigen. Er war fasziniert von der Struktur und den schimmernden Farben. Der 3,5 Meter hohe Flügel, indem schillerndes Glas zwischen zwei Glasplatten integriert wurde, steht derzeit als Leihgabe im Rosengarten Hadamar, wo er sich wunderbar in das Ambiente einfügt. Doch Andreas Otto würde sich wünschen, dass jemand die Skulptur käuflich erwirbt, so dass er sich refinanzieren kann. Alleine die Materialkosten liegen im vierstelligen Bereich. Und eventuell ist der Käufer nicht abgeneigt, die Skulptur dem Rosengarten als Dauerleihgabe zu überlassen. Daher würde er sich sehr freuen, wenn sich ein Sponsor finden würde.

Sein aktuelles Projekt betitelt Andreas Otto als Shabby Malerei oder Shabby Chic. Er kauft alte Bilder auf den Flohmärkten und ergänzt sie mit neuen Elementen. Neben utopischen Elementen übt er auch gerne mal gesellschaftliche Kritik. So lässt er einen idyllischen Wald durch ein Smartphone erkunden, platziert in einen idyllischen Bergsee eine Ölplattform oder lässt in einem Urlaubsparadies ein Kreuzfahrtschiff havarieren. Aus Gesprächen mit anderen entstehen Ideen, die er dann umsetzt. Und diese alten Bilder, die teilweise als Kitsch bezeichnet werden, gibt es zuhauf.

Faszination Glas
Doch die größte Faszination ist für ihn noch immer der Werkstoff Glas. Es handelt sich um einen 5.000 Jahre alten Werkstoff und eigentlich dachte er schon, der Werkstoff sei ausgereizt. Doch dann muss er immer wieder erkennen, dass noch kein Ende in Sicht ist. Vor einigen Jahren war er auf der größten Glasmesse in Düsseldorf. Dort seien faltbare, gebogene, dünne Glaspanels präsentiert worden, bei denen man nicht an Glas denkt.Auch sehr dünnes Interferenzglas mit einer edlen Oberfläche und angenehmen Haptik habe er dort kennengelernt. „Es geht in der Entwicklung immer weiter“, ist er sich sicher. Hinzu kommt die Verbindung mit der Digitalisierung, die eine einzigartige Ausbildungsbandbreite erschafft.
Einige Projekte warten noch auf ihn. So möchte er seine analogen Fotografien gerne in die digitale Welt umsetzen. Dies macht er in akribischer Kleinarbeit und ist derzeit bei Bildern aus den 70er Jahren. Im Bereich Glas würde er sehr gerne die traditionellen Maltechniken von der Rundglasmalerei auf Flachglas importieren und in einen zeitgemäßen Kontext setzen, doch „derzeit ist das nicht gefragt.“ Von seinem Vater und Großvater hat er noch alte Farben und Pinsel, es reizt ihn, mit der alten Technik die Moderne zu beschreiten.
Faszinierend ist es, sich mit ihm zu unterhalten, seine Ideen zu hören und Einblicke in seine Kunst zu erhalten. Da steigt die Freude auf neue Objekte oder Skulpturen.