Bildung hat oberste Priorität – Ineinandergreifen von Zahnrädern
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Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) möchte keine kleinen Brötchen backen. Die Bildung und die Sicherung von Fachkräften hat bei ihr oberste Priorität. Wie dies gelingen kann, schaute sie sich in Limburg an der Adolf-Reichwein-Schule an. Dort wurde ihr das Limburger Modell – eine jahrelange erfolgreiche Kooperation aus allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen vorgestellt.
In allen Berufen herrscht Fachkräftemangel. Hinzu kommt, dass junge Menschen oftmals nicht wissen, was sie später mal werden wollen. Manchmal fehlt ihnen einfach das reinschnuppern in Möglichkeiten oder sie wissen nicht, welche Fähigkeiten in ihnen stecken. Dann fangen sie eventuell eine Ausbildung an und merken nach einiger Zeit, dass ihnen dieser Beruf gar nicht liegt und brechen ihre Ausbildung ab. Laut dem Berufsbildungsbericht 2022 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (Berufsbildungsbericht, Seite 14) lag diese Quote in ganz Deutschland bei 25,1 Prozent im Jahr 2020. Wie kann man dem begegnen? Diese Frage stellten sich Schulen, politische Vertreter und Unternehmen vor einigen Jahren und starteten im Schuljahr 2011/12 mit dem Limburger Modell.
Kooperation Limburger Modell
Das Limburger Modell läuft demnach seit 12 Jahren und erreicht jedes Schuljahr über 400 Schüler der Klassenstufe acht und neun. An der Kooperation beteiligen sich vier berufsbildende Schulen – die Adolf-Reichwein-Schule, die Peter-Paul-Cahensly-Schule, die Friedrich-Dessauer-Schule sowie die Glasfachschule in Hadamar – sowie acht allgemeinbildende Schulen aus dem Bereich Haupt- und Realschule sowie Mittelstufenschulen. Hierbei handelt es sich um eine Kooperation zur vertiefenden Berufsorientierung und wie das Modell genau funktioniert, stellten Ralf Abel, Schulleiter der Adolf-Reichwein-Schule sowie Stefan Reitz, Schulleiter der Theodor-Heus-Schule in großer Runde der Bundesinnenministerin vor. Neben dem Landtagabgeordneten Tobias Eckert nahmen weitere SPD-Politiker aus dem Landkreis teil sowie weitere Schulleiter, Mitglieder der Steuerungsgruppe, Ulrich Heep, IHK-Präsident und Wolfram Uhe von der Kreishandwerkerschaft.
Jeden Donnerstag kommen die Schüler, die an dem Modell teilnehmen, den Campus der berufsbildenden Schulen in Limburg und erhält ein breites Angebot zur Berufsorientierung. Aus 20 Berufsfeldern können die Schüler vier Schwerpunkte wählen. Acht Wochen erhalten sie dann einen Einblick in ihren gewählten Schwerpunkt, wobei es weniger um die Theorie geht, sondern vielmehr die Praxis im Vordergrund steht. „Die Schüler erhalten eine authentische Berufserfahrung“, so Ralf Abel. Am Ende erhalten sie ein Zertifikat, welches sie auch bei ihrer Bewerbung mit zeigen können und welches ins Zeugnis mit einfließt.2016 wurde das Limburger Modell auch auf Landesebene in Wiesbaden ausgezeichnet.
„Organisatorische Mammutaufgabe“
Laut Stefan Reitz als Vertreter der allgemeinbildenden Schulen ist diese Kooperation „organisatorisch eine Mammutaufgabe“, um die Wünsche der Schüler und die angebotenen Kurse zu koordinieren. Doch es lohne sich. Die Schüler erhalten einen realistischen Blick in die Berufe, können dadurch eine bessere Einschätzung vornehmen. Sie erfahren ihre eigenen Kompetenzen und entdecken eventuell neue Talente. Sie kommen mit anderen Schülern in Kontakt, verlassen den normalen Schulalltag und können dadurch neue Dinge kennenlernen. Und vor allem kann es eine wichtige Entscheidungshilfe für den weiteren Lebensweg sein. Dies geht in beiden Richtungen. Sie können nach den vier Schwerpunkten wissen, was sie wollen oder auch, was sie nicht wollen. Was später wiederum positive Auswirkungen haben kann auf mögliche Abbrecherquoten.
In Zahlen können die Anwesenden es nicht so recht ausdrücken. Was Stefan Reitz jedoch feststellen kann, dass Praktika gezielter ausgesucht werden. Die Schüler orientieren sich nicht mehr an eine Praktikumstelle vor der Haustüre, sondern schauen gezielter. Und auch aus den Unternehmen kommen positive Rückmeldungen zu diesem Modell. Schüler, die vom Limburger Modell partizipiert haben, kommen qualifizierter und interessierter in die Unternehmen, so Ulrich Heep.
„Ich bin begeistert“
Nancy Faeser zeigte sich begeistert von dem Konzept. In ihren Gesprächen auch um das Thema Fachkräfte zeige sich bei jungen Menschen immer wieder, dass sie zu wenig Kontakte zu den Berufen haben. Daher sei dies ein super Projekt. Sie wollte wissen, welche Schulen davon profitieren. Leider bisher nur Real- und Hauptschule. Die Gymnasien sind noch nicht vertreten, doch auch den gymnasialen Schülern würde dies gut tun. „Dieses Projekt sollte zwingend auf Gymnasien erweitert werden, denn alleine in den Familien erhält man keine umfangreichen Einblicke in die verschiedenen Berufe“, so Faeser. Aus der Runde erhielt sie Zustimmung.
Von Wolfram Uhe kam noch die Anmerkung, dass auch im Bereich Migration mehr getan werden müsste. Dann habe er engagierte Menschen in seiner Werkstatt, doch die Sprache stellt eine zu große Barriere dar. Eine Kombination aus Sprache und Praktikum sei ein Stück weit der Weg, um den Fachkräftemangel aufzufangen. Dies habe sie im Blick und erste Änderungen in die Richtung sind gemacht, denn bereits Asylbewerber können jetzt schon am Sprachunterricht teilnehmen. Und im Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll festgeschrieben werden, dass Personen mit Deutschkenntnissen bevorzugt werden. Und Stefan Reitz zeigte auf, dass im Limburger Modell auch Integration stattfinde, denn auch die DAZ-Klassen nehmen daran teil. Da erhielten sie nochmal einen anderen Zugang zur Sprache.
Es fehlt an Ressourcen
Und auch wenn das Modell erstmal gelobt wurde, kam auch die Frage auf, was denn fehle und womit Politik unterstützen könne. Da wurden ganz klar die Ressourcen benannt, die sehr eng seien. In den Kursen befinden sich Lehrer der allgemeinbildenden sowie der berufsbildenden Schulen. Im Lehrplan vom Land Hessen sei dieses Modell nicht abgebildet und so müssen immer Stunden verschoben werden, um dies abbilden zu können. Zudem würden sich die Schulen über mehr Geld freuen. Aktuell laufen die ganzen Anschaffungen für die Kurse über die Finanztöpfe der berufsbildenden Schulen. Und sie würden sich über mehr Fachlehrer freuen, die bereit sind, an diesem Modell mitzuarbeiten. Laut Ralf Abel sei dieses Modell eine besondere pädagogische Herausforderung, denn alle acht Wochen bekommen die Lehrer neue Schüler, auf die sie sich einstellen müssen.
Neben dem Wunsch, auch Gymnasien einzubeziehen, zeigte Detlev Jadatz vom Steuerungsteam auf, dass sie dran sind, das Modell stetig zu erweitern. Sie würden sich freuen, wenn auch die Wilhelm-Knapp-Schule aus Weilburg Teil der Kooperation wird und somit der gesamte Landkreis daran mitwirkt. Aber auch hier fehlen die Ressourcen, um dies umzusetzen. Doch alle Beteiligten sind daran interessiert, das Modell stetig weiterzuentwickeln.
Nancy Faeser dankte allen Engagierten, welche sich in dieser Kooperation einbringen. Für die Entwicklung der Schüler sei dies großartig. Und sie bekräftigt, dass die Bildung einen hohen Stellenwert hat und mehr in diesen Bereich investiert werden muss. Nach dem fachlichen Austausch ging es noch in die Backstube in der Adolf-Reichwein-Schule, wo die Bundesinnenministerin einen kleinen Einblick bekam, wie die praktische Seite des Limburger Modells aussieht. Danach ging es noch zu einem Besuch in die Technische Hochschule Mittelhessen, am Standort Limburg.
Mehr zu dem Besuch auch auf Mittelhessen: „Innenministerin Faeser wirbt in Limburg für das Handwerk“