Braucht es ein Jugendparlament im Landkreis Limburg-Weilburg?

Im Kreistag stellte die FDP einen Antrag zur Gründung eines Jugendparlamentes im Landkreis, um Jugendliche zum Mitwirken an politischen Prozessen zu beteiligen. Darüber entbrannte eine Diskussion, ob es dies braucht. Im anschließenden Kommentar zeige ich auf, dass die Kommunalpolitiker ihre Chance vertan haben. 

Politiker machen sich immer wieder Gedanken darüber, wie sie junge Menschen mit einbinden und diese Demokratie mitgestalten können. Ein Weg, welcher dabei immer wieder angesprochen wird, sind sogenannte Jugendparlamente. Diese seien ein Instrument auf kommunaler Ebene, aber auch auf Kreisebene. Sie sind aufgebaut, wie ein normales Parlament, es finden Wahlen statt und sie brauchen eine Geschäftsordnung. Immer wieder gibt es Versuche zu einem solchen Parlament, oft schlafen diese wieder ein.

Jugendparlament auf Kreisebene

Im jüngsten Kreistag brachte nun die FDP den Antrag ein, auf Kreisebene ein Parlament zu bilden. „Lebendige Demokratie braucht engagierte junge Menschen, die Politik vor Ort bereichernd mitgestalten“, so Kornelia Hoppe zur Begründung des Antrags. Ein Jugendparlament bietet Mitwirkung sowie Beteiligungsangebote. Die jungen Menschen können Kommunalpolitik aus der Nähe kennenlernen und beeinflussen, die Interessen Gleichaltriger vertreten und Verantwortung übernehmen. Das Planspiel „Pimp your Kreistag“ im letzten Jahr sei ein guter Anfang gewesen, doch Jugendbeteiligung gehe nicht nur über einzelne Projekte. Grundsätzlich sollte eine Stärkung der Kinder- und Jugendbeteiligung im Landkreis stattfinden.

Kinder und Jugendliche sind ein Teil der Gesellschaft und daher brauche es auch ihr Mitwirken bei demokratischen Prozessen. Es gehe dabei um Toleranz, Vielfalt, Gleichberechtigung, Geschlechtergerechtigkeit, Verkehrswege, schulische Themen. „Lassen Sie uns Kinder und Jugendliche an den Parlamentarismus heranführen“, so Hoppe abschließend, „geben wir Ihnen eine Stimme.“ Zustimmung erhielt sie aus den Oppositionsparteien im Kreistag – von den Linken bis zur AfD. Sabine Häuser-Eltgen, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/ Die Grünen, würde dem Ganzen eine Chance geben, auch wenn es eventuell am Ende nicht klappt. Es bräuchte Personal dafür und man müsste schauen, wie man es umsetze. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, so Häuser-Eltgen, „und wenn es einschläft, war es wenigstens einen Versuch wert.“ Gerade in diesen Zeiten, wo Demokratie schwer geworden ist, müssten Jugendparlamente eingeführt werden. Auch Tobias Kress, FDP, sprach sich dafür aus, denn alle seien in der Verantwortung, Jugendliche an die Politik heranzuführen.

Gegenstimmen aus der GroKo

CDU und SPD sind mit dem Antrag nicht mitgegangen und haben ihn mit ihren Stimmen abgelehnt. „Jugendliche wollen gehört werden und mitgestalten, dafür sollten wir den Rahmen schaffen“, so Alicia Bokler, SPD, „doch ist das Instrument Jugendparlament der richtige Weg?“ In ihren Augen klaffen da Wunsch und Wirklichkeit stark auseinander. Ein Jugendparlament hänge stark von denen ab, die mitwirken. Anfänglich funktioniere dies gut und wenn es dann Veränderungen gibt wie Schulabschluss, bricht es auseinander. Zudem engagieren sich dort diejenigen, die sowieso schon aktiv sind. „Die meisten Jugendlichen erreichen wir damit nicht“, so Bokler weiter.

Jugendliche möchten sich nicht „in eine Korsett eines Parlamentes zwängen lassen“ und arbeiten lieber projekt- und zeitbezogen. Dafür brauche es einen Rahmen. „Pimp your Kreistag“ sei ein gutes Instrument dafür. Es sei zwar nicht alles rund gelaufen, die beschlossenen Anträge der Schüler liegen den Kreistagsmitgliedern zur Beratung bisher nicht vor, so Bokler weiter. „Wir brauchen diese Anträge als Vorlage in den Ausschüssen, dass sind wir den jungen Menschen schuldig und dies muss zukünftig schneller gehen.“ Weiterhin gebe es im Landkreis eine gute Schülervertretung, die weiter gestärkt werden sollte.

Für die CDU begründete Frederik Angermaier die Ablehnung. Jugendliche für Politik zu begeistern, sei ihrer aller Anliegen. Im Dezember 2022 wurde der Beschluss gefasst, dass „Pimp your Kreistag“ im regelmäßigen Turnus stattfinden soll. Es mache keinen Sinn, zwei Projekte parallel laufen zu lassen. „Das Planspiel ist das richtige Diskussionsformat, dies sollten wir erstmal laufen lassen und dann ein Resümee ziehen“, so Angermaier abschließen.

KOMMENTAR: Chance verpasst

Politiker machen sich Gedanken darüber, wie sie Jugendliche an Politik heranführen und Partizipation leben können. Die beste Chance haben sie letztes Jahr gehabt – und haben sie verstreichen lassen. Stattdessen diskutieren sie im Kreistag einmal mehr, dass es etwas braucht, um Jugendliche eine Möglichkeit zum Mitwirken zu geben. Doch mit Diskussionen im Kreistag über Jugendliche statt mit ihnen, begeistert man sie nicht für Politik.

Im letzten Jahr fand zum ersten Mal das Planspiel „Pimp your Kreistag“ statt. Sechs Schulklassen aus dem ganzen Landkreis – von der achten bis zur zehnten Klasse, von Hauptschule bis Gymnasium – kamen drei Tage zusammen, um zu erleben, wie Kreispolitik funktioniert und um eigene Ideen zu sammeln, auszuformulieren, zu verteidigen und darüber abzustimmen. An einem Tag kamen einige Kreistagspolitiker hinzu, gaben ebenfalls Einblicke in die Arbeit, halfen beim ausformulieren und zeigten sich begeistert von dem Projekt. 13 Anträge schafften es am Ende in den fiktiven Kreistag, über welche die Jugendlichen abstimmten.

Im dabei entstanden Video (zu sehen auf YouTube) äußerten sich die Schüler zum Projekt und beantworteten die Frage „Denkt Ihr, dass die Politik Eure Vorschläge umsetzen wird?“. In den Antworten schwang schon die Hoffnung mit: „Es wird sehr spannend, ob überhaupt Anträge umgesetzt werden.“ oder „ich weiß nicht, ob unsere Anträge angenommen werden, aber ich hoffe es schon, denn es wäre wichtig.“ Christian Wendel (CDU) äußerte sich im Video folgendermaßen: „Das ist so gut, dass könnten wir teilweise wirklich im Kreistag beraten. Es sind Themen, die wir entweder schon auf der Agenda haben oder demnächst auf die Agenda nehmen werden.“ Und Dr. Frank Schmidt (SPD) glaubte sogar, dass die Ergebnisse aus dem Planspiel viel mehr Ressonanz am Ende haben würden als wenn sie nur aufgeschrieben worden wären. Im Nachgang gab es ein Magazin mit einem Grußwort von Landrat Michael Köberle. Er schreibt: „Die Jugendlichen hatten viele tolle Ideen, die der Kreispolitik im Nachgang zur Prüfung an die Hand gegeben wurden. Ich drücke die Daumen, dass die eine oder andere Idee auch in die konkrete Umsetzung gehen kann.“

Und dann? Es passierte nichts. Bis heute, acht Monate später, wurde weder in den Ausschüssen noch im Kreistag ein einziger Antrag der Jugendlichen diskutiert. Das Ganze ging irgendwo verloren in den Verantwortlichkeiten. Die Fraktionen warteten darauf, dass der Kreis die Anträge in die entsprechenden Ausschüsse gibt und sie darüber beraten können. Der Kreis schiebt die Verantwortungen zu den Fraktionen, die die Ideen der Jugendlichen aufgreifen könnten. Und auf der Strecke bleiben die Jugendlichen. Dabei war die Chance so groß. Über 100 jungen Menschen hätte man zeigen können, dass man sie hört, sie ernst nimmt und ihre Ideen aufnimmt. Diese Chance ist vertan. Es bleibt zu hoffen, dass dies bei einer Wiederholung des Planspiels, wie im Dezember beschlossen, besser funktioniert und die Jugendlichen dann endlich ernst genommen werden. Nur so können diese auch für Politik begeistert werden.

Alles zum Planspiel findet ihr auf der Homepage von „Politik zum Anfassen“ sowie hier im Bericht zum Planspiel.

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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