DGB- Podiumsdiskussion „Muss Pflege Gewinn erzielen?“

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Kreisverband Limburg-Weilburg hat die Landtagskandidaten zu einer Podiumsdiskussion rund um das Thema „Gute Gesundheitsversorgung und Pflege“ auf dem Europaplatz Limburg eingeladen. 

Der Diskussion stellten sich die Landtagskandidaten Harff-Dieter Salm (Die Linke), Viktoria Spiegelberg-Kamens (SPD), Joachim Veyhelmann (CDU), Dr. Sebastian Schaub (Bündnis 90/ Die Grüne) sowie Marion Schardt-Sauer (FDP). Doch bevor es in die Diskussion ging, gab André Schönewolf (DGB Hessen-Thüringen) einen Einblick in die derzeitige Situation und die Wünsche der Gewerkschaft.

Stellenwert der Pflege im Land

Das Thema der Pflege sei nicht nur ein Bundesthema, sondern auch ein Thema im Land. „Entscheidungen werden nicht nur in Berlin, sondern auch im Hessischen Landtag getroffen, wenn es zum Beispiel um Investitionen in die Infrastruktur wie in Krankenhäuser geht“, so Schönewolf. Er finde es sehr schade, dass das Thema Pflege erst seit ungefähr einem Jahr auf der politischen Agenda stehe. Dies sei ein Armutszeugnis für das Land. „Die Gewerkschaften – und insbesondere ver.di – weisen schon seit vielen Jahren auf die mangelhaften Arbeitsbedingungen hin“, so der Moderator weiter. Dabei geht es um die miese, nicht leistungsgerechte Entlohnung der Pflegekräfte für ihre Tätigkeiten. Es gebe zwar einen Pflegemindestlohn von aktuell 10,20 Euro, doch es bedarf einer dringenden Aufwertung. Zudem braucht es einen Tarifvertrag. Dieser garantiere nicht nur einen sicheren Lohn, sondern ebenso werden Urlaub, Arbeitszeit und betriebliche Sozialleistungen geregelt. „Die große Koalition auf Bundeseben hat sich vorgenommen, einen Tarifvertrag in der Altenpflege für allgemein verbindlich zu erklären“, so Schönewolf, „Das wäre ein guter Anfang.“ Dieser sei längst überfällig.

Doch es geht nicht nur um das Geld, wenn über Pflege gesprochen wird. Es geht auch um die Bedingungen an sich. Der Arbeitstag sei geprägt von Hetze und Stress, einen Patienten-Pfleger-Schlüssel, bei dem sich niemand Zeit nehmen kann sowie die emotionalen Belastungen, die der Schichtdienst mit sich bringt. „Die Folgen dieser ganzen Nebenwirkungen sind, dass de Qualität der Arbeit darunter leidet“, so Schönewölf. Die Zahl der Pflegebedürftigen werde in den nächsten Jahren rasant steigen und es werden neue Pflegekräfte benötigt. Daher forderte Schönwolf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, eine Fachkraftquote von 50 Prozent sowie einen Personalschlüssel von 1:2. Weiterhin soll eine Fachkraft nachts nicht mehr alleine arbeiten müssen. Nach diesem kurzen Einstieg ging es direkt in die Diskussion, die Schönewolf sehr souverän moderierte.

Muss Pflege Gewinn erzielen?

Joachim Veyhelmann sieht die Ärztesituation im Landkreis teilweise bedenklich. Vor allem für junge Ärzte müssen Anreize geschaffen werden, um aufs Land zu gehen.Er gab zu, dass in der Beziehung noch einiges passieren muss. In der Pflege plädiert er im Kreis für eine gute Mischung aus Fachkräften, staatlichen Einrichtungen sowie der häuslichen Pflege. Der Schichtdienst in der Pflege sei absolut notwendig, aber er stimmte dem Moderator zu, dass die Personalzahl optimiert werden muss. „Ich bin für eine weitere Pflegekraft in der Nacht“, so Veyhelmann. Zudem begrüßte er die tarifliche Bindung.

Nach der Frage zur Beurteilung der Situation ging Harff-Dieter Salm direkt darauf ein, dass die Rentabilität einer Einrichtung kein Kriterium sein darf. „Muss mit Gesundheit Geld verdient werden?“, so Salm. Es müssen unbedingt Mindeststandards für die Patienten und die Fachkräfte durchgesetzt werden. Wichtig sei es, dass der Staat regulierend eingreift und der Gewinn nicht die treibende Macht ist. Wettbewerb ist gut, aber in dem muss es um die Qualität der Pflege gehen und nicht ums Geld. Viktoria Spiegelberg-Kamens stimmte ihm zu. Früher hätte es viele kleine Einrichtungen gegeben, die gut zurecht kamen. Die öffentliche Hand alleine sei nicht in der Lage, dies alles zu organisieren. Doch weil es die Kommunen alleine nicht schaffe, kamen private Investoren ins Spiel und die möchten Gewinne sehen. „Wir müssen die öffentliche Hand dazu befähigen, gemeinnützige Einrichtungen ohne Gewinndruck zu unterhalten“, so Spiegelberg-Kamens. Marion Schardt-Sauer sieht im Markt staatliche und private Einrichtungen. Diese müssen sich jedoch an die Regeln im Wettbewerb halten. Und da ist es wichtig, dass sich jeder Pflege leisten kann, egal woher er kommt.

Digitalisierung – Chance oder nicht?

Kann Digitalisierung Ersatz in der Gesundheitsversorgung sein, lautete eine weitere Frage. Nein, so Dr. Sebastian Schaub, denn Medizin ist kein technisches Thema, sondern ein menschliches. Die Technik kann unterstützen, aber nie Ersatz sein. Auch Veyhelmann sieht in der Digitalisierung eine Unterstützung. Es ermöglicht den zügigen Datenaustausch und Ärzte informieren sich in Fachzentren zu ihren Fällen. Aber er stimmt auch zu, dass die Menschen noch immer die persönliche Ansprache brauchen. Salm sieht die Digitalisierung etwas kritischer: „Da kann der Chef nachvollziehen, wie viel Zeit mit einem Patienten verbracht wird und diese Daten fließen wiederum in die Abrechnungen sowie Kostenkalkulationen ein.“

Schaub möchte jedoch bei aller Kritik darauf hinweisen, dass es in Deutschland nach wie vor eine gute Versorgung gibt und er findet die Diskussion ein wenig am Thema vorbei. „Wir haben in Deutschland ein gutes System, welches besser werden muss“, so Schaub. Das wollten nicht alle Zuhörer so hinnehmen. Es seien teilweise schlimme Bedingungen, wenn sich ein Pfleger um 15 Patienten kümmern muss. Dies sei auf Dauer nicht machbar und dies habe nichts mit einem guten System zu tun. Ein weiterer Zuhörer erzählte, dass er als Azubi die Ausbildung abgebrochen habe. Nicht, weil ihm der Beruf keinen Spaß gemacht hatte. Sondern wegen der schlechten Bedingungen. „Das Gehalt als Azubi ist top, als ausgelernte Fachkraft schlecht“, so der Zuhörer. Ein weiterer Pfleger kritisierte, dass es die Regierung einfach versäumt habe, einen ordentliche Pflegeschlüssel zu erarbeiten. „Pflege ist mehr als nur Waschen. Pflege ist Vorsorge, Wertschätzung und auch Zeit für die Probleme der Patienten“, so der 23-jährige. Zudem werden durch die schlechten Bedingungen die Fachkräfte verschlissen.

Imagekampagne oder bessere Anreize

Schaub würde gerne eine Imagekampagne starten, um mehr Pflegefachkräfte für den Beruf zu gewinnen. Doch die anderen Kandidaten sind der Meinung, dass es eine Imagekampagne alleine nicht tut. „Der eigentliche Mangel ist nicht das Grundproblem, sondern die wenige Geringschätzung für diesen Beruf“, so Spiegelberg-Kamens. Nur durch eine Entlastung der Pflegekräfte sowie eine bessere Bezahlung sei der Beruf aufzuwerten. Derzeit stehe er in einem sehr schlechten Licht da. Auch Salm möchte eher das Umfeld des Berufes aufwerten als nur eine Imagekampagne zu starten. Schardt-Sauer ist der Meinung, dass auch abwertende Diskussionen zu dem Thema dem Image nicht gut tun. Es sei eine allgemein gesellschaftliche Frage, warum viele Berufsgruppen schlechter behandelt werden als andere. Spiegelberg-Kamens möchte allgemein dafür kämpfen, dass die Menschen arbeiten um zu leben und nicht leben um zu arbeiten. Daher müsste ein stärkeres Augenmerk auf den Menschen liegen, um seine Arbeitsbedingungen zu verbessern. Veyhelmann plädierte am Ende dafür, dass jeder an das Thema rangehen sollte, wie er sich selbst Pflege wünscht. „Dann kommen wir am Ende zu einem guten Schluss!“

Gutes Format

Der DGB hat mit dieser Diskussionsrunde ein gutes Format gewählt, um sich mit einem Thema intensiv auseinanderzusetzen. Direkt vor Ort waren 40 Leute, aber auch in der angrenzenden Fußgängerzone blieben immer wieder Menschen stehen, um der Diskussion zuzuhören. Sehr positiv war, dass auch Zuhörer direkt Einwände hervorbringen konnten und somit eine lebhafte Runde entstand. Das war eine wirkliche Auseinandersetzung vor der Wahl mit einem Thema, bei dem sich jeder ein Bild der unterschiedlichen Meinungen der Parteien machen konnte. Wie vielfältig das Thema Gesundheitsversorgung und Pflege ist, zeigte sich ebenfalls. Und es zeigte sich auch, dass alle Themen gar nicht so ausführlich behandelt werden konnten. Sehr schnell drehte sich die Diskussion nur noch um das Thema Pflege aus Sicht der Fachkräfte und ihre Arbeitsbedingungen. Doch zu dem Thema gehört auch die Sicht der Patienten. Wie sieht es mit ihrer Meinung zur Pflege aus und was empfinden sie als verbesserungswürdig? Und obwohl es kurz angesprochen wurde, ging die Ärztesituation im ländlichen Raum leider sehr stark unter. Vor allem, wenn man bedenkt, dass diese uns in Zukunft ebenfalls vor Herausforderungen stellen wird. Insgesamt wären mehr solcher Veranstaltungen – vor allem auch kurz vor der Wahl – wünschenswert.

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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