„Es muss keiner alleine sterben“
Die derzeitige Situation ist schwierig in allen Lebensbereichen und viele müssen sich umstellen. Ich habe in der Region beim Hospiz- und Palliativdienst St. Anna, beim Hospiz in Hadamar sowie bei Seniorenwohnheimen nachgefragt, wie sie mit der Situation umgehen.
Dürfen die Bewohner von Seniorenwohnheimen noch besucht werden? Darf ich meine Angehörigen im Hospiz beim Sterben begleiten? Wie lange darf eine Trauerfeier verschoben werden? Dies sind Fragen, die sich Betroffene stellen.
Gespenstische Ruhe
Seit drei Tagen herrscht bei Tina Sandhöfer vom Caritas Hospiz- und Palliativdienst St. Anna in Obertiefenbach gespenstige Ruhe. Diese ist sie gar nicht so gewohnt. „Vieles wurde ausgebremst, vieles ist in den Hintergrund getreten“, so Sandhöfer. Ihrer Meinung nach wurde das Thema auch zu lange vor uns hergeschoben und ignoriert, einfach weil es hier nicht vor Ort war. Schon seit einer Weile haben sie angefangen, auf körperlichen Kontakt zu verzichten, keine Hände mehr zu schütteln oder Patienten in den Arm zu nehmen. Dies falle nicht immer einfach. „Wir stellen dann über die Kommunikation Kontakt her in dem wir zum Beispiel sagen, dass wir jemanden gerne in den Arm nehmen würden“, so Sandhöfer. Dies würde auch schon viel bringen.
Aber leider sind sie nicht davor gefeit, soziale Kontakte einzudämmen, so dass der Vorbereitungskurs zum Hospizhelfer „Lebenszeit schenken“ komplett eingestellt wurde und auch das Trauercafé, zu dem immer 12 bis 15 Personen kamen, gibt es derzeit nicht. Auch alle Qualifizierungskurse wurden abgesagt. Das Seniorenzentrum in Obertiefenbach würde schon gar keine Besucher mehr zulassen. Alle akuten Sterbebegleitungen laufen weiterhin. „Es muss keiner alleine sterben.“ Lebensbegleitungen und nicht akute Fälle finden derzeit nicht statt. „Unsere Ehrenamtler müssen fit sein, denn die meisten zählen auch zur Risikogruppe“, so Sandhöfer weiter.
„Es gibt keine Erfahrungswerte, auf die wir zurückgreifen können“, so Sandhöfer, „vieles geschieht aus dem Bauch heraus, wir improvisieren von Tag zu Tag.“ Und so finden Gesprächen inzwischen überwiegend über das Telefon statt, denn der Hospiz- und Palliativdienst möchte weiterhin für die Menschen da sein. Ein Thema, was immer häufiger bei Tina Sandhöfer ankommt, ist die Frage nach der Trauerfeier und in welchem Rahmen diese stattfinden darf. Sie rät, die Trauerfeier wie jetzt vorgeschrieben im kleinen Rahmen zu feiern. Sie rät davon ab, sich im privaten Raum zu treffen. Aber sie schlug schon vor, zu einem späteren Zeitpunkt eine Erinnerungsfeier zu machen. „Ich merke selbst, wie ich neue Ideen entwickel.“
Auf Nachfrage bei Bestattungsunternehmer Benedikt Kirchberg erhielt ich die Antwort, dass derzeitig Trauerfeiern nur noch am Grab mit maximal 25 Personen erlaubt seien. „Die Bestattungsfristen bleiben unverändert. In Hessen sind es maximal neun Wochen zwischen Kremation und Beisetzung“, so Kirchberg.
Eingeschränkte Besuchszeiten im Hospiz
Die Besuchszeiten im Hospiz Anavena in Hadamar wurden auf zweimal täglich von 10 bis 12 Uhr sowie 16 bis 18 Uhr beschränkt, teilt mir die Leiterin Christiane Stahl mit. „Wir können die Menschen, die im Sterben liegen, nicht alleine lassen“, so ihre Meinung. Aber es kommt auch nicht mehr jeder einfach auf die Station. Wer jemanden besuchen möchte, wird gefragt, wo er herkommt und wie er sich fühlt. Kommt jemand aus einem Risikogebiet oder leidet unter Symptomen, darf er die Station nicht betreten. Zudem werden die Besucher angeleitet, wie sie sich die Hände zu waschen und zu desinfizieren haben. Jeder Besucher muss sich zudem in eine Liste eintragen, damit im Fall der Fälle eine Rückverfolgung möglich ist.
Uneinsichtigkeit führt zu Beschränkungen
Im AWO Sozialzentrum Hadamar wurde vergangene Woche an das Verständnis der Besucher appelliert, die Besuchszeiten zum Schutze der Bewohner und Mitarbeiter zu minimieren. „Dieser Appell fand kein Gehör“, erinnert sich Leiterin Iris Bausch-Berg, „vielmehr hatten wir so viele Besucher wie schon lange nicht mehr.“ Diese Uneinsichtigkeit führte dazu, dass der Besuch inzwischen weiter beschränkt ist. Keiner kommt einfach mehr in das Sozialzentrum, sondern muss sich anmelden und klingeln, wenn er rein möchte. Alle Veranstaltungen sowie das Eltern-Kind-Treffen wurden bereits letzte Woche eingestellt. Derzeit gibt es auch keine Probleme bei der Betreuung von Kindern der Angestellten. Derzeit arbeiten die Mitarbeiter an einem Notfallplan, denn niemand wüsste, was noch kommt.
Auch in anderen Seniorenwohnheimen wurden die Besuche reduziert. Im St. Josefshaus in Elz schaut man schon, ob ein Bewohner eventuell vereinsamt oder ob es ihm schlecht geht. Dann werden Besuche genehmigt. Ansonsten bittet das Haus die Menschen, in den nächsten zwei Wochen erstmal von Besuchen Abstand zu nehmen. Der Leiter Christoph Höhn weist darauf hin, dass sie alles versuchen, dass weiterhin ein Innenleben stattfindet und „Frohsinn in den Räumen“ behalten werden kann. Es darf nicht dazu führen, dass die Bewohnern depressiv werden, wenn die Kontakte von außen fehlen. Aber ihn treibt auch noch eine andere Sorge um: „Was passiert, wenn die Mitarbeiter krank werden?“
In allen Gesprächen klingt neben der Herausforderung der derzeitigen Situation auch Zuversicht mit. Zuversicht, dass wir alle diese Situation meistern werden und dass wieder andere Dinge in den Vordergrund rücken wie Menschlichkeit und Solidarität sowie die Besinnung auf das Wesentliche im Leben. Und wie in allen Kommunikationen dieser Tage nicht mehr wegzudenken – bleibt alle gesund!