Für die Vielfalt der Berufe werben

Fachkräftemangel. Zu wenige Auszubildende. Freie Ausbildungsstellen. Themen, die auch im Landkreis eine Rolle spielen. Doch wie sieht der Berufsschulstandort im Landkreis und Hessen aus? Was Politik dafür tun kann, darüber sprach ich mit dem heimischen Landtagsabgeordneten Joachim Veyhelmann, stellvertretender Vorsitzender des Fraktionsarbeitskreises Bildung der CDU-Landtagsfraktion und Sprecher für berufliche Bildung.

Es sind verschiedene Punkte, die in seinen Augen eine Rolle spielen, um eine Ausbildung attraktiver zu machen. Zum einen sollten viel mehr Berufsorientierung stattfinden. Zum anderen sollten Eltern ein viel besseren Überblick über das schulische System bekommen. Als drittes sollte es mehr Bildungsmessen geben und Lehrer sollten Berufe neutral vorstellen. Ansonsten ist die Landesregierung derzeit dran, die Berufsschulen zu bewerten, um stabile Standorte zu finden und den Auszubildenden erträgliche Fahrzeiten anzubieten.

Ausbau des Limburger Modells

Es gibt rund 300 Ausbildungsberufe und dennoch haben noch immer viele Jugendlichen keine Vorstellung davon, welche Berufe es gibt und was sie bereithalten, so Veyhelmann im Gespräch. Das Limburger Modell ist ein guter Anfang. Hierbei handelt es sich um eine koordinierte Maßnahme zur vertiefenden Berufsvorbereitung. Diese beruht auf eine Kooperation zwischen allgemeinbildenden und beruflichen Schulen. Die Jahrgangsstufen 8.Klasse Hauptschule und 9.Klasse Realschule haben die Möglichkeit, verschiedene Berufe kennenzulernen und diese zu erproben. Veyhlemann würde sich wünschen, wenn dieses Modell ausgebaut und an Bedeutung gewinnen würde. Es macht für die Jugendlichen einen Unterschied, ob sie etwas theoretisch hören oder wenn sie praktische Einblicke erhalten wie in die Holz- oder Metallverarbeitung. Damit dies in den Schulen umgesetzt wird, muss die Politik die Weichen stellen.

„Ich kämpfe schon lange dafür, denn Eltern das schulische System vernünftig zu erklären“, so der Landtagsabgeordnete weiter. Zu viele Eltern haben noch im Kopf, dass die Kinder unbedingt Abitur brauchen und studieren müssen. „Aber wir haben ein durchlässiges System mit vielen Möglichkeiten.“ Die Fertigkeiten eines Kindes sollten bei den Entscheidungen im Mittelpunkt stehen. Und so würde er sich wünschen, dass das Limburger Modell zukünftig auch gymnasiale Klassen mit einbezieht. „Nicht jeder am Gymnasium muss studieren“, so Veyhelmann weiter. Zumal er davon ausgeht, dass lebenslanges Lernen immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Die Ausbildungsmessen, welche im Landkreis stattfinden, lobt Veyhelmann. Doch die finden zu selten statt und dann alle Berufe auf einmal. Er empfiehlt, themenspezifische Messen anzubieten in einem kleineren Rahmen. Und dann sollten die Azubis über ihre Ausbildung sprechen. Die sind im ähnlichen Alter wie die Jugendlichen und wenn die mit Begeisterung von einem Beruf sprechen, dann springt der Funke eher über. Ein letzter Wunsch von ihm ist, dass die Lehrer Berufe neutral vorstellen und keine Wertung über verschiedene Berufe abgeben. Auch dies würde im Entscheidungsprozess der jungen Menschen eine große Rolle spielen.

Im Gespräch mit dem Landtagsabgeordneten Joachim Veyhelmann.

Doch wie sieht es mit der Berufsschulentwicklung im Landkreis aus?

In Hessen wird derzeit diskutiert, wie es mit den beruflichen Ausbildungen weitergeht. 210 Berufe sind dabei außerhalb der Diskussion, aber rund 90 Ausbildungsberufe müssen neu sortiert werden, so Veyhelmann. Wenn es an einer Berufsschule nicht genügend Schüler gibt, hat dies Auswirkungen auf die Lehrerzuweisungen. Und da finden eben Überlegungen statt, Berufsbilder an Standorten zusammenzuführen, um sie zukunftsfähig zu machen. Dieses Verfahren hat jetzt begonnen und soll frühestens 2024/25 abgeschlossen sein.

Dabei ist im Blick, dass die Standorte stabil sind und dass die jungen Menschen erträgliche Fahrzeiten bis zu 90 Minuten haben. Daher finden Überlegungen statt, dass nicht nur Landesfachklassen, sondern auch Bezirksfachklassen landkreisübergreifend gebildet werden. Zudem soll jeder Berufsschulstandort eine Landesfachklasse erhalten. Bei affinen Berufen soll ein gemeinsamer Unterricht im 1. Lehrjahr stattfinden. Somit bleiben die jungen Menschen direkt nach der Schule noch in Wohnortnähe und im 2. Lehrjahr können sie auch einen Standort weiter weg besuchen.

Immerhin muss man bedenken, dass die Azubis mit 16 oder 17 Jahren noch keinen Führerschein haben und eine gute ÖPNV-Anbindung nicht überall gegeben ist. Zudem wäre die Unterbringung dieser Jugendlichen unter 18 mit einem Aufwand verbunden. „Wir müssen jetzt für viele Dinge die passende Struktur finden, aber Ziel ist es, so viel wie möglich vor Ort zu behalten“, so Veyhelmann. Ausbildungsberufe, die eine Klassenstärke von 15 Schülern erreichen, bleiben am jetzigen Standort bestehen. Gibt es Berufe, die in der Region nachgefragt sind, aber nicht so viele Azubis haben, gilt in der Einstiegsphase eine Klassenstärke von 12 Schülern. Das zweite Schuljahr, wenn eventuell Schüler abspringen, läuft auch mit neun Schülern und eine Abschlussklasse auch mit fünf Schülern.

Schulen und Unternehmen mitwirken

Die Schulen und Unternehmen wurden bereits über diese Überlegungen und Schritte informiert. Im nächsten Jahr beginnt die Evaluierung der Standorte. Und Veyhelmann hat zwei Wünschen an diese, damit die Politik am Ende niemanden ein Modell überstülpt. Die Schulen sollen sich untereinander absprechen und Signale an die Ministerien geben, was für sie passt. Und die Unternehmen sollen für eine Ausbildung vor Ort und die Attraktivität ihres Berufes werben. Das sind dicke Bretter, die da aktuell gebohrt werden müssen, so Veyhelmann. „Wir wollen stabile Schulstandorte“, so der Politiker, „und die Unternehmen sollen Fachkräfte. Daher müssen wir zusammenwirken.“ Die Politik stellt dabei den Rahmen zur Verfügung, die die Unternehmen und Schulen ausfüllen müssen. Sein Dank geht dabei an die IHK, die sehr gut beim Thema unterstützt.

Er würde sich zudem wünschen, dass nicht nur die hessischen angrenzenden Landkreise in das Konzept mit einbezogen werden, sondern auch der Westerwald- und Rhein-Lahn-Kreis in Rheinland-Pfalz. Momentan gibt es eine Gestattung für die Schüler, die Berufsschulen im Landkreis Limburg-Weilburg zu besuchen, aber es ist ein riesiger bürokratischer Aufwand. Die Schulen, das staatliche Schulamt und die IHK unterstützen diese Idee, aber Länder und Kultusminister müssen noch darüber sprechen. „Das Ziel ist klar, aber die Umsetzung dauert.“ Veyhelmann sieht in dem ganzen Prozess eine Vielzahl an Chancen, die aber auch genutzt werden müssen.

Schwarz-grün hat in Hessen diesen Prozess auf den Weg gebracht, es sei eine riesige Aufgabe, die viel Zeit und Kraft kostet. Aber es ist eine Win-Win-Situation für alle, so Veyhelmann abschließend. Die Politik zeigt, dass sie sich kümmert. Die Firmen erhalten Fachkräfte und die Kammern zeigen, dass sie für die Betriebe da sind.

Mit der IHK Limburg sprach ich ebenfalls über das Thema Ausbildung: „Stabiler Ausbildungsmarkt – Informieren beim „Tag der Ausbildung“

 

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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