Gedenkkultur in Limburg: „Überall wird etwas getan“

Wie einprägsam ist uns die Geschichte? Haben wir aus der Vergangenheit gelernt? Fragen, mit denen ich ins Stadtarchiv Limburg ging. 

Wie geht Limburg mit der Aufarbeitung seiner Geschichte um? Diese Frage kam die Tage auf, als im Rahmen des Internationen Holocaust-Gedenktages am 27. Januar Bündnis Courage mit Fotos erinnern wollte, dieses Banner jedoch durch den Inhaber der Werkstadt Marcel Kremer abgehängt wurde. Auf Presseanfrage äußerte dieser, dass er damit kein Problem habe, wenn mit ihm das Gespräch gesucht worden wäre (Quelle Büdnis Courage)

„Überall wird was getan“

Parallel zu diesem Ereignis geschieht es in der Pandemie auch immer wieder, dass Vergleiche zur NS-Zeit gezogen werden, egal, ob es um die Ausgangssperre, die Kontaktbeschränkungen oder auch das Impfen geht. In diesem Zusammenhang kam die Frage auf, wie wir in Limburg mit der Aufarbeitung der Geschichte umgehen und ob genügend getan wird. Die Zeitzeugen von damals werden immer weniger, die den Nachkommen ihre Geschichte erzählen können. Stadtarchivar Dr. Christoph Waldecker gab mir Einblicke in die Arbeit und die Gedenkkultur in Limburg. Er zeigte auf, dass „überall was getan wird.“ Wobei er sich wünschen würde, dass der Geschichtsunterricht generell gestärkt werden würde. „Die Kenntnisse der Geschichte könnten am Ende die Wahlen beeinflussen“, so Waldecker, „denn wer die Geschichte kennt, wählt am Ende demokratische Parteien und nicht rassistische.“

Stolpersteinprojekt in Limburg

Seit Waldecker als Stadtarchivar in Limburg ist, arbeitet er systematisch die Geschichte auf. Doch auch vorher fanden schon Projekte statt. 1989 besuchten jüdische Bürger die Stadt. 1988 errichtete die Stadt eine Gedenkstele auf dem jüdischen Friedhof. Am Standort der ehemaligen Synagoge hing eine Gedenktafel und seit 2015 steht dort ein Bronzemodell. In den 90er Jahren begann in Deutschland das Gedenk- und Kunstprojekt der Stolpersteine.

Inzwischen sind auch 108 Stolpersteine in Limburg verlegt. 2012 kamen Schüler der Leo-Sternberg-Schule mit der Idee an die Stadt heran und parallel dazu auch ein Bürger. Am Anfang ging man von 70 Opfern aus, doch es sind viel mehr. Die Stadtverordneten stimmten einstimmig dafür, dass Stolpersteinprojekt auch in der Domstadt zu realisieren. Die Leo-Sternberg-Schule ist der feste Partner der Stadt bei diesem Projekt. Aber auch aus den anderen Schulen kommen die Lehrer mit ihren Schülern, besuchen das Archiv oder holen sich Informationen. Und dies sei schon besonders, da der straffe Lehrplan solche Ausflüge häufig kaum zulässt.

Denkmäler als Abbild ihrer Zeit

Im Rahmen des Holocaust-Gedenktages wies Bündnis Courage wiederholt auf das Denkmal hin, welches auf dem Gelände der Werkstadt steht. Es sei ein Denkmal, welches der Täter gedenkt und nicht der Opfer. Daher forderten sie 2019, der Klotz muss weg. Viktoria Spiegelberg-Kamens, aktiv in der SPD und DGB-Kreisvorsitzende, plädiert nicht dafür, dieses Denkmal zu entfernen. Doch sie wünscht sich eine Plakette, um dieses einzuordnen und damit zu arbeiten. Doch was bedeutet dieses Denkmal und wie ist es in die Geschichte einzuordnen? Auch dazu kann Dr. Waldecker Auskunft geben.

Das Denkmal wurde 1937 zum 75-jährigen Bestehen des Eisenbahnwerkes eingeweiht und gedachte damals den gefallenen Eisenbahnern des ersten Weltkrieges. Da zu dieser Zeit bereits die Nationalsozialisten an der Macht waren, befanden sich auf dem Denkmal ein Hakenkreuz im Zahnrad als Symbol für die Deutsche Arbeitsfront (DAF), dem Einheitsverband der Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Nationalsozialismus. Das Hakenkreuz wurde nach dem Ende der NS-Zeit entfernt, das Zahnrad ist auf dem Denkmal noch zu sehen. Später fand eine Erweiterung des Denkmals um die Gefallenen aus dem Zweiten Weltkrieg statt.

Immer wieder neue Fragestellungen

„Jedes Denkmal ist ein Abbild seiner Zeit“, so Waldecker, „daher könnte jedes Denkmal eine Plakette zur historischen Einordnung gebrauchen.“ Nach dem Krieg wurde überall erst der Gefallenen gedacht. Die Aufarbeitung des Nationalsozialismus und seiner Opfer begann erst sehr viel später. Auch wurde noch lange nach dem Krieg die Wehrmacht schöngefärbt und die kritische Auseinandersetzung mit dieser verbrecherischen Organisation kam erst viel später („verbrecherisch“ gilt hier für die Wehrmacht insgesamt, nicht für den einzelnen Soldaten). Laut Waldecker hört die Aufarbeitung nie auf, denn es ergeben sich immer wieder neue Fragestellungen. So ist es ihm ein Anliegen, nach der Aufarbeitung der Opfer sich auch mit den Tätern zu beschäftigen. Er würde gerne den Fragen nachgehen, was damals hier vor Ort geschehen ist und wer sich schuldig gemacht hat, aber auch, ob es Menschen gab, die sich dem System widersetzten.

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

2 thoughts on “Gedenkkultur in Limburg: „Überall wird etwas getan“

  • 7. Februar 2021 um 13:03
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    Sehr geehrte Frau Lachnit, mit Interesse habe ich den Artikel „Gedenkkultur“ in Hessen gelesen. Ich möchte Sie auf ein Projekt meiner Schule ( PPC Limburg) hinweisen, das vor einigen Wochen einen Preis bekommen hat. Mit seinem Projekt und der Ausschwitz Gedenkfahrt leistet Sebastian Wendt seit Jahren hervorragende Arbeit, die jetzt mit dem Jugend-Friedenspreis ausgezeichnet wurde.
    Unser Sohn hat selbst 2019 an dieser Fahrt teilgenommen und bezeichnet sie als die für ihn “nachhaltigste Fahrt“ .Vielleicht ist das für Sie von Interesse.

    https://www.ppc-schule.com/erster-platz-ppc-erhalt-jugendfriedenspreis-des-landkreises/

    Liebe Grüße
    Andrea Schäfer-Bärenfänger

    Antwort
    • 8. Februar 2021 um 11:43
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      Vielen Dank für ihre Nachricht. Ja die Verleihung des Jugendfriedenspreis habe ich mitbekommen. Ich war zu meiner Schulzeit ebenfalls in Auschwitz und ich kann ihrem Sohn nur zustimmen. Ein sehr einprägsames, nachhaltiges Erlebnis. Über andere Projekte habe ich mit Sebastian Wendt bereits zu tun gehabt und kann mich gerne mit ihm in Verbindung setzen.

      Antwort

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