Gewerkschaft sieht Baumboom, IHK sieht Umsatzverluste

Volle Auftragsbücher, Rekordumsätze, langes Warten auf Handwerker – die Baubranche boomt: Davon sollen jetzt auch die 3.410 Bauarbeiter im Landkreis Limburg-Weilburg profitieren. Dies fordert die IG Bauen-Agrar-Umwelt. Auf die Zahlen geschaut, sieht es weniger nach einer Boom aus, denn die Umsätze sind rückläufig, wie eine statistische Auswertung der IHK ergab.

Die IG Bauen-Agrar-Umwelt sieht einen Boom der Baubranche und fordert daher in der anstehenden Tarifrunde ein Lohn-Plus von 6,8 Prozent – mindestens aber 230 Euro mehr im Monat. Für Azubis soll es 100 Euro mehr pro Monat geben. Außerdem verlangt die IG BAU, dass lange Fahrzeiten zur Baustelle bezahlt werden. Die Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern beginnen am 19. März in Berlin.

Mehr Geld für 3.410 Bauarbeiter im Kreis Limburg-Weilburg gefordert

„Maurer, Zimmerleute und Fliesenleger sind extrem gefragt. Gerade im Wohnungsbau verschärft sich der Mangel an Fachkräften. Aber die bekommt man nur, wenn die Arbeit auf dem Bau attraktiver wird“, sagt Karl-Heinz Michel, Bezirksvorsitzender der IG BAU Wiesbaden-Limburg. Große Baufirmen, aber auch viele kleine Handwerksbetriebe in der Region stünden wirtschaftlich so gut da wie seit Jahren nicht mehr. „Wer heute nicht in bessere Löhne und Arbeitsbedingungen investiert, hat vielleicht morgen keine Facharbeiter mehr“, betont Michel.

Ein entscheidender Punkt sei hier die Bezahlung der Pendelei: „Bauarbeiter verbringen teils mehrere Stunden am Tag im Auto, um zur Baustelle und zurück zu kommen. Das ist verlorene Lebenszeit. Dabei wechseln die Baustellen ständig. Bauleute können sich – anders als die meisten Pendler – vorher nicht auf den nächsten Einsatzort einstellen“, sagt Carsten Burckhardt, der für die IG BAU die Verhandlungen führt. In der Tarifrunde will die Gewerkschaft deshalb erstmals eine generelle Entschädigung der sogenannten Wegezeiten durchsetzen.

Potential für ein kräftiges Lohn-Plus

Die IG BAU Wiesbaden-Limburg sieht großes Potential für ein „kräftiges Lohn-Plus“: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts erreichten die Auftragseingänge im
Bauhauptgewerbe im vergangenen Jahr mit 86 Milliarden Euro den höchsten jemals gemessenen Wert. In einem aktuellen Konjunkturbericht spricht die Bundesbank von einer „außerordentlich guten Auftragslage“, mit der Bauunternehmen ihre „Margen beträchtlich ausgeweitet“ hätten. Für das laufende Jahr rechnen Bauindustrie und -handwerk mit einem Umsatzplus von mindestens fünf Prozent.

Die guten Zahlen im Wohnungsbau kann die Auswertung der IHK bestätigen. Im privaten Wohnungsbau gab es gegenüber dem Vorjahr mit 16 Prozent ein weiteres, deutliches Wachstum (von 46,6 auf 54,0 Mio. €). Im gewerblich-industriellen Tiefbau wurde mit 1 Prozent ein leichter Zuwachs erzielt (von 30,4 Mio. € auf 30,7 Mio. €). Ganz anders sieht es jedoch in den anderen Bereichen der Baubranche aus.

Umsatzentwicklung im Baugewerbe gegenläufig

Die Auswertung der aktuellen Daten aus dem statistischen Landesamt für den Bezirk der IHK Limburg ergaben unterschiedliche Entwicklungen im Wohnungs- bzw. dem gewerblich-öffentlichen Bau. Insgesamt wurde von den heimischen Unternehmen im Bauhauptgewerbe (Hoch- und Tiefbau mit Straßenbau, Leitungstiefbau, Kläranlagenbau) wurde von Januar bis Dezember 2019 ein Gesamtumsatz von rund 335 Millionen Euro erzielt. Das sind 2,7 Prozent weniger Umsatz als im Vorjahreszeitraum (345 Millionen Euro). Von der Statistik erfasst sind insgesamt 24 Betriebe mit 20 oder mehr Beschäftigten. Deren Umsätze wurden nicht nur auf
Baustellen im Landkreis Limburg-Weilburg erzielt, denn die Unternehmen sind auch überregional tätig.

Unterschiede bei Hoch- und Tiefbau

Der leichte Umsatzrückgang gegenüber 2018 ergibt sich aus gegensätzlichen Entwicklungen in den verschiedenen Bereichen des Baugewerbes. Mit einem Minus von 13 Prozent ging der der Umsatz im öffentlichen Hochbau demgegenüber deutlich zurück (von 2,2 Millionen Euro auf 1,9 Millionen Euro). Allerdings hat der öffentliche Hochbau nur einen geringen Anteil am Gesamtumsatz im Bau.

Ein Schwergewicht bildet demgegenüber der Straßenbau. Die Unternehmen aus diesem Bereich sind im IHK-Bezirk Limburg gut vertreten, auf sie entfällt mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes des Bauhauptgewerbes. Der Umsatz ging hier gegenüber dem Vorjahr um fünf Prozent zurück (von 192 Millionen Euro auf 183 Millionen Euro).
Rückgänge gab es auch im öffentlichen Tiefbau, ebenfalls um fünf Prozent (von 46,8 Millionen Euro auf 44,5 Millionen Euro), und im gewerblich-industriellen Hochbau um 19 Prozent (von 26,6 Millionen Euro auf 21,5 Millionen Euro). Letzteres könnte eine Folge der Konjunkturabkühlung im verarbeitenden Gewerbe sein, das sich mit Investitionen in Bauten zurückhält.

Zusammenfassend ergibt sich aus den Entwicklungen im Bereich des Hochbaus insgesamt ein Minus von 19 Prozent und im Tief- und Straßenbau ein Minus von vier Prozent. Der Wohnungsbau hingegen floriert weiterhin aufgrund der guten Binnenkonjunktur, niedriger Zinsen und auch wegen des Baukindergelds. Die Umsätze der der Statistik zugrundeliegenden 24 regionalen Bauunternehmen wurden von 2.198 Beschäftigten des Baugewerbes erzielt. Da sind 2,7 Prozent mehr als in 2018. Die Bruttoentgelte haben sich gegenüber dem Vorjahr um 6,7 Prozent erhöht.

Baugewerbe stabil

Die weitere Entwicklung im Baubereich und wie unempfindlich diese gegenüber der allgemeinen Konjunkturschwäche ist, bleibt abzuwarten. Der Konjunkturklimaindex im heimischen, der IHK zugehörigen Baugewerbe erreichte zum Jahreswechsel 2019/2020 noch einen sehr guten Wert von 131 Punkten, nach 129 Punkten im Herbst 2019. Dem Ausbaugewerbe (Installationen, Fußböden, Fensterbau, Dämmung etc.) und noch mehr dem Bauhauptgewerbe (Industriebau, Tiefbau, Straßenbau etc.) ging es laut IHK-Umfrage zum Jahreswechsel gut bis sehr gut. Die gegenwärtige Lage wurde von 71 Prozent aller Bauunternehmen als gut bezeichnet, 29 Prozent waren insgesamt
zufrieden, keinem ging es schlecht.

Bezüglich der weiteren Entwicklung in 2020 wurde im Baugewerbe insgesamt mit leicht positivem Saldo mit einer günstigen Entwicklung gerechnet. Dies könnte sich trotz Coronavirus bestätigen. Von der Coronavirus-Epidemie betroffen sieht sich das Baugewerbe am wenigsten von allen Branchen. Das ergibt eine aktuelle Blitzumfrage der IHK-Organisation für die heimische Region wie auch auf Bundesebene. Erwarten bundesweit 27,1 Prozent der befragten Unternehmen aller Branchen einen erheblichen Umsatzrückgang in 2020 aufgrund des Virus, so sind es nur 2,1 Prozent in der Baubranche.

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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