Gewerkschaften kämpfen gegen befristete Verträge

Mit der Kampagne (un)befristet wenden sich Gewerkschaften an die Politik. Befristete Arbeitsverträge sind für Beschäftigte eine unerträgliche Situation, gegen die etwas unternommen werden muss.

Über drei Millionen Beschäftigte in Deutschland haben nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Da dies viele negative Auswirkungen auf die Beschäftigten hat, fordern die Gewerkschaften die Bundesregierung auf, ihre Versprechungen aus dem Koalitionsvertrag noch in dieser Legislaturperiode durchzusetzen. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir haben einen wirklichen Durchbruch bei den Verhandlungen über die sachgrundlose Befristung und Kettenverträge erreicht: Möglichkeiten der befristeten Beschäftigung werden reduziert. Sachgrundlose Befristungen werden wieder zur Ausnahme, das unbefristete Arbeitsverhältnis soll wieder zur Regel werden in Deutschland. Endlose Kettenbefristungen werden abgeschafft.“ Und diese Ansage soll umgesetzt und Befristungen ohne einen sogenannten Sachgrund eingedämmt werden. Sogenannte Sachgründe sind zum Beispiel Schwangerschaft oder Probezeit. Arbeitsminister Hubertus Heil hat einen Referentenentwurf für die Änderung des Teilzeitbefristungsgesetz mit einer klaren Grenze für sachgrundlose Befristungen sowie Kettenbefristungen vorgelegt.

Befristete Verträge bei der Post

Bereits zur Maikundgebung machte Stefan Schneider von ver.di auf die Situation innerhalb der Post aufmerksam. „Arbeit bringt Sicherheit, vor allem auch für die Planung der Zukunft“, so Schneider. Als Betriebsrat der Deutschen Post weiß er, dass jeder vierte Mitarbeiter nur befristet eingestellt ist. Verschiedene Probleme ergeben sich daraus für die Beschäftigten. So haben befristete Arbeitnehmer Probleme bei der Wohnungssuche oder beim Abschließen von Verträgen. Häufig trauen sie sich nicht, sich krank zu melden. „Bei zu vielen Krankentagen wird eine Befristung nicht verlängert“, so Schneider. Gerade in der Pandemiezeit eine untragbare Regelung. In der Regel sollte eine Festanstellung mit einer Probezeit von sechs Monaten erfolgen. Diese Zeit ei ausreichend, um festzustellen, ob man zueinander passt. Danach benötigen die Neuangestellten eine Sicherheit.

Befristungen waren als Ausnahmen gedacht und sind inzwischen oft die Regel. Kettenbefristungen höhlen zudem arbeitsrechtliche Standards aus. Nur wer festangestellt ist, traut sich auch, Arbeitsbedingungen zu kritisieren und Verbesserungen einzufordern. Befristete Arbeitnehmer*innen trauen sich selten, etwas zu Löhnen, Urlaubstagen oder Arbeitsbedingungen einzufordern, so Schneider weiter. „Wer Tag für Tag verlässlich seine Arbeit leistet, verdient auch selbst Verlässlichkeit“, so Schneider. Befristungen ohne Sachgrund, die mal als Ausnahme gedacht waren, öffnen die Türen zur Willkürlichkeit, so Schneider weiter.

Mit Blick auf das gesamte Berufsfeld waren laut Schneider 2019 fast jede zweite Einstellung befristet und 60 Prozent davon ohne Angabe von Sachgründen. In der Mehrzahl sind Frauen davon betroffen. In den Augen von Schneider zudem eine indirekte Geschlechterdiskriminierung.

Jede dritte Neueinstellung befristet

Die IG Bau zeigte auf, dass dies nicht nur ein Problem bei der Post ist. Auch in anderen Branchen wie in der Gebäudereinigung sind befristete Verträge an der Tagesordnung. Durch die Corona-Pandemie stieg die Gefahr für befristet Beschäftigte nochmal, ihre Stelle zu verlieren. Im vergangenen Jahr hatten 32 Prozent aller Neueinstellungen im Landkreis ein Verfallsdatum. Von rund 3.100 Arbeitsverträgen, die im zweiten Quartal neu abgeschlossen wurden, waren etwa 1.000 befristet, so die Gewerkschaft unter Verweis auf eine aktuelle Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

„Die Zahlen zeigen, dass auf dem heimischen Arbeitsmarkt etwas aus dem Ruder gelaufen ist. In der Corona-Krise können Befristungen für die Betroffenen leicht zur Falle werden, wenn Unternehmen solche Stellen nicht mehr verlängern“, sagt Karl-Heinz Michel, Bezirksvorsitzender der IG BAU Wiesbaden-Limburg. Nach Beobachtung des Gewerkschafters sind befristete Stellen in Branchen wie der Gebäudereinigung und der Landwirtschaft stark verbreitet. Junge Beschäftigte seien besonders häufig betroffen. „Wer als Berufseinsteiger eine Wohnung finden oder einen Kredit aufnehmen will, der hat mit einem befristeten Vertrag schlechte Karten. Wegen der Unsicherheit muss manchmal sogar der Wunsch nach eigenen Kindern vertagt werden“, kritisiert Michel.

Forderungen an die Regierung

Um den Beschäftigten mehr Sicherheit zu  geben, fordern die Gewerkschaften die Bundesregierung auf, etwas gegen die befristeten Arbeitsverträge zu machen. Die Entwicklung muss gestoppt und dem Missbrauch des Teilzeit- und Befristungsgesetzes ein Riegel vorgeschoben werden. Sachgrundlose Befristungen gehören abgeschafft. Kettenbefristungen müssen deutlich begrenzt werden. Das unbefristete Arbeitsverhältnis soll wieder zur Regel, die sachgrundlose Befristung zur Ausnahme werden. Und auch Befristungen mit Sachgrund gehören auf ein Minimum reduziert. Im Koalitionsvertrag gab es dazu klare Aussagen, dass befristete Arbeitsverträge nur noch 2,5 Prozent betragen sollen.

 

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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