Großes Engagement für die Ukraine

Seit über vier Wochen dauert inzwischen der Krieg in der Ukraine. Von Anfang an helfen wollte Jen Schäfer mit seinem Team aus Waldbrunn. Seitdem haben sie 99 Leute nach Hessen geholt, 16 Tonnen Hilfsgüter und Medikamente an die ukrainische Grenze gebracht sowie 80.000 Euro an Spenden generiert. Dafür bedankt sich jetzt das ganze Team und hofft auf weitere Unterstützung.

Bereits am morgigen Freitag geht die nächste Tour mit Hilfsgütern an die polnisch-ukrainische Grenze. Bis Sonntag fährt der Trupp mit wenigen Pausen insgesamt 2.700 Kilometer. Eine Mammutstrecke, so dass Jens Schäfer derzeit noch LKW-Fahrer sucht, die für diese Fahrt bereit wären. Der aktuelle Plan sieht vor, alle zwei Wochen gezielt mit Hilfsgütern diese Tour zu fahren. Daher wünscht sich Jens Schäfer noch weitere Helfer im Team, damit sich alle gut miteinander abwechseln können. Menschen holt das Team nicht mehr. Dafür blickt der Waldbrunner Unternehmer auf die letzten Wochen zurück, um dies zu erklären.

Hilfe an der polnisch-ukrainischen Grenze

Das Engagement wurde von seinem ukrainischen Mitarbeiter losgetreten, der seine Familie aus der Ukraine holen wollte und dies hatte leider nicht geklappt. Darum hat er um Hilfe gebeten. Leider sind die Bedingungen an der Grenze in Rumänien katastrophal und da auch an die eigene Sicherheit gedacht werden musste, entschloss sich das Team, an die polnisch-ukrainische Grenze zu fahren. Dort gab es über Verwandte Kontakte zum Bürgermeister der Stad Lezajsk, welche rund 40 Kilometer von der Grenze entfernt liegt. Zur Orientierung, Lezajsk liegt rund 123 Kilometer Luftlinie von Lwiw (Lemberg) entfernt.

In den letzten vier Wochen habe sich da eine sehr gute Partnerschaft entwickelt und es werden gezielt Hilfsgüter hingebracht, welche auch benötigt werden. Zudem weiß Schäfer, dass die Hilfsgüter nicht in irgendeiner Halle gesammelt werden, sondern zielgerichtet weiter in die Ukraine gelangen. „Die Zusammenarbeit vor Ort ist wichtig, damit die Sachen dorthin kommen, wo sie auch gebraucht werden“, so Schäfer. Zudem sind Guides, welches sich vor Ort auskennen und bei der Sprache helfen, unwahrscheinlich wichtig.

Schlimme Zustände in Polen

Bei den ersten Fahrten war neben dem hinbringen der Hilfsgüter ein weiteres Ziel, Menschen mit nach Deutschland in Sicherheit zu bringen. „Wir sind hier nur losgefahren, weil hier im Ort Wohnungen zur Verfügung standen“, so Schäfer weiter. Von Lezajsk aus ging es mit dem kostenlos zur Verfügung gestellten Bus von Dornburg Reisen an die Grenze in ein Lager. Das Waldbrunner Team lobte die polnische Organisation vor Ort, die sich wirklich bemüht, die Menschen aufzunehmen und zu versorgen.

Und dennoch sind die hygienischen Zustände katastrophal, denn eine Halle für 1.500 Menschen war bereits wenige Tage nach Kriegsbeginn mit 5.000 Menschen überfüllt und die Situation wird nicht besser. Es herrscht ein unheimlicher Gestank in der Halle. Polizei  und Militärkräfte schützen vor allem die Frauen und Kinder, damit diese nicht verschleppt werden. Denn auch das gibt es. Vor Ort habe sich das Team registriert und dachte, der Bus werde jetzt gestürmt. Doch dies war nicht der Fall. Viele Ukrainer lehnten dies ab und wollten lieber vor Ort bleiben, falls der Krieg bald vorbei ist. „Diese Situation hat uns überfordert“, so Schäfer, denn damit hatte niemand gerechnet. Sie mussten einige Überzeugungsarbeit leisten, damit die Menschen mit ihnen mitfahren. 60 Leute haben sie mit der ersten Tour mitgebracht und diese alle untergebracht.

Nur noch Hilfsgüter-Transporte

Aufgrund der schlimmen Verhältnisse vor Ort war den Waldbrunnern schnell klar, dass sie nochmal hinfahren wollen, um weiteren Menschen zu helfen. Die private Initiative wurde nun größer aufgezogen, die Gemeinde mit ins Boot geholt, ein Spendenkonto eingerichtet. Die Vorbereitungen liefen nochmal gezielter ab und im Vorfeld haben sie sich als Hilfsorganisation in Polen registriert. Auf der zweiten Tour war eine Kinder- und Jugendpsychologin mit an Bord, um die Menschen auf der Heimfahrt zu betreuen. Die Menschen seien traumatisiert, manche hatten nur ihre Klamotten am Leib und sonst nichts. Auf der Länge der Fahrt kamen Ängste auf, ob es doch dahin geht, wie es versprochen wurde oder ob es nicht doch eine Entführung sei. „Das geht jedem im Team an die Substanz“, so Schäfer, „das geht an niemanden spurlos vorbei.“

Dem Team der Waldbrunner Ukrainehilfe ist es wichtig, dass die Menschen hier direkt unterkommen, wo sie auch erstmal bleiben können. Und dies führte auch zu dem Entschluss, keine Menschen mehr zu holen. In der zweiten Tour war eine Mutter mit einem kranken und behinderten Kind dabei. Das Team wollte dieser Familie helfen, hatte es versucht und gelangte dann doch an seine Grenzen. Sie mussten die Familie nach Gießen in die Erstaufnahmeeinrichtung bringen. „Es geht nicht darum, Menschen von einem Lager rauszuholen und hier in Deutschland in das nächste Notlager zu bringen“, so Schäfer. Daher transportieren sie nur noch Hilfsgüter. Kommen Verwandte oder Nachbarn auf sie zu, ist eine gezielte Mitnahme von Menschen möglich. Dies müssen sich jedoch beim Team melden, um diese Mitfahrgelegenheit zu organisieren.

Situation erdet einen

Und auch hier vor Ort sind die Menschen nicht alleine. Die Engagierten unterstützen die Ukrainer beim Ankommen, bei der Anmeldung in der Kommune und auch bei den Anmeldungen für Kita oder Schule. In Hintermeilingen im ehemaligen Gasthaus zur Sonne (Schieferstraße 25) haben sie eine Kleiderkammer eröffnet, in welcher alle Flüchtlinge Sachen finden. Ehrenamtler kümmern sich um die Kleiderkammer. Sie ist Samstag und Sonntag 14 bis 18 Uhr geöffnet.

Was macht es mit einem, möchte ich von Jens Schäfer wissen. „Ich habe den Glauben an die Menschen wiedergewonnen“, so seine kurze Antwort. Seit 2015 ist er in der Flüchtlingsthematik drin. Er betreibt einige Unterkünfte, war aber auch immer Ansprechpartner vor Ort und hat sich sehr engagiert. Am Anfang der Flüchtlingswelle in 2015/16 gab es eine große Hilfsbereitschaft und er sei auch selbst sehr euphorisch gewesen. Aber dann habe er viele negative Erfahrungen gemacht mit den Menschen, den Institutionen und auch der Kirche. Vieles sei sehr oberflächlich gewesen und er habe den Glauben an die Menschen verloren.

Doch diesen gewinnt er aktuell wieder. Denn auch die, die selbst nicht viel haben, geben noch und wollen helfen. „Wenn die das können – hier wie auch in Polen vor Ort, was kann ich dann erst mit meinem Netzwerk bewirken“, so der Unternehmer. Und erfühlt sich geerdet durch diese Erfahrung. Er weiß wieder zu schätzen, was er habe und wie gut es uns hier in Deutschland gehe.

Weitere Hilfe gesucht

Das Team der Waldbrunner Ukrainehilfe sucht weitere Engagierte, die hier vor Ort und bei den Transporten helfen.

Für Spenden gibt es das Spendenkonto:

DE79 5116 1606 0000 4163 63
Volksbank Langendernbach
Verwendungszweck: Spende Ukrainehilfe Waldbrunn

Und wer wissen möchte, was aktuell gesucht wird und woran es mangelt, der ist auf den sozialen Kanälen wie Facebook und Instagram immer sehr gut informiert.

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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