Hadamarer Synagoge als Ort des Erinnerns und Lernens

Der heutige 27. Januar ist Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Heute vor 77 Jahren befreiten sowjetische Soldaten das Vernichtungslager Auschwitz. Damit sowas nie wieder passiert, ist es wichtig, daran zu erinnern und Spuren ehemaligen jüdischen Lebens in der Region zu bewahren. 

Es sind schwierige Zeiten. Indem Corona-Kritiker sich mit den verfolgten Juden in der NS-Zeit vergleichen, relativieren sie diese Verbrechen, die damals in Deutschland begangen wurden. Daher ist es gerade heute umso wichtiger, Geschichte aufzuarbeiten und daran zu erinnern. Dazu gehört auch, ehemalige Stätten jüdischen Lebens zu erhalten. In Hadamar ergriffen im September 2021 Bündnis 90/ Die Grünen die Initiative und wollten 22.000 Euro für die Sanierung und Erhaltung der Synagoge investieren. Dieser Antrag scheiterte. Dennoch wurden auf Antrag der CDU-Fraktion jeweils 4.000 Euro für das Jahr 2022 und 2023 in den Haushalt eingestellt, wie der Pressesprecher auf Nachfrage mitteilte.

Meine Kollegin Kerstin Kaminsky befasste sich umfassend mit der jüdischen Gemeinde in Hadamar. Der nachfolgende Artikel stammt von ihr. 

Damit der Judenhass nicht das letzte Wort behält

Die israelitische Gemeinde von Hadamar bestand etwa 300 Jahre. Bis zur Auslöschung 1942 gab es ein überwiegend gedeihliches Nebeneinander von Christen und Juden. Mit der Sanierung und dem Ausbau der ehemaligen Hadamarer Synagoge zu einem Museum wollen engagierte Bürger die Geschichte des jüdischen Lebens in Hadamar lebendig halten und an diesem geschichtsträchtigen Ort die Möglichkeit von kulturellen und pädagogischen Angeboten schaffen.

Sobald sich zehn Männer zu einer Synagoge zusammenschließen, können sie eine israelitische Gemeinde gründen. In Hadamar war dies erstmals Mitte des 17. Jahrhunderts der Fall. Die Familie des Moses Salomon, dem ersten unter dem Schutz von Graf Johann Ludwig stehenden Juden, hatte allerdings selbst nicht genug Angehörige. Deshalb schlossen sich der ersten jüdischen Gemeinde von Hadamar Familien aus den Nachbardörfern an.

Nutzte man anfangs lediglich private Zimmer als Versammlungs- und Betraum, so gibt es Hinweise, dass die Hadamarer Judenschaft 1770 eine erste Synagoge eingerichtet hatte. Ein altes geschnitztes Türblatt lässt vermuten, dass sie sich im Haus Neumarkt 10 befand. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erhielt die Gemeinde ein neues geistliches Zentrum in der Judengasse 81. Im Untergeschoss dieser zweiten Hadamarer Synagoge befand sich auch eine Mikwe. Aus Unterlagen geht hervor, dass im Jahr 1843 einhundert Menschen jüdischen Glaubens in Hadamar lebten. Mit 4,58 Prozent jüdischer Bevölkerung zählte die Stadt im Herzogtum zu den Orten mit dem höchsten Anteil von Personen dieser Religionszugehörigkeit.

Zweitgrößte jüdische Gemeinde

Die jüdische Gemeinde Hadamar war nach Wiesbaden bald die zweitgrößte des Herzogtums Nassau. So kam es, dass Ende der 1830er Jahre erste Pläne für eine neue – und damit die dritte – Synagoge entstanden. Der Altar an der Vorderwand des Synagogenraums, in dem die kostbaren handgeschriebenen Thorarollen ihren Platz haben, sollte rundherum von Kirchenbänken umgeben sein. Gegenüber war eine Empore für die am Gottesdienst teilnehmenden Frauen vorgesehen und die Mitte des Raumes dominierte eine runde Kanzel. Auch sollte es in dem Gebäude zwei kleine Versammlungs- und Schulungszimmer geben.

Mit geringen Änderungen des Entwurfs wurde der Neubau 1840/41 in der Nonnengasse ausgeführt und am 25. Juni 1841 von Rabbiner Dr. S. S. Wormser unter großem Zuspruch von Hadamarer Christen sowie etlichen Juden aus benachbarten Amtsbezirken eingeweiht. Etwa 70 Prozent der Baukosten samt Einrichtung hatte die jüdische Gemeinde selbst aufgebracht. 1500 Gulden gab ein pensionierter katholischer Pfarrer als Darlehen hinzu. Sein Beweggrund war möglicherweise, dass die Juden 200 Jahre zuvor den Bau der Hadamarer Jesuitenkapelle großzügig finanziell unterstützt hatten.

Synagoge Hadamar
Foto: Kerstin Kaminsky

Teil des wirtschaftlichen Lebens

Für das wirtschaftliche Leben vor Hadamar, insbesondere im Viehhandel und der Metzgerei, waren die jüdischen Geschäftsleute einst bedeutend. Unter den NS-Bedingungen konnten sie sich jedoch nicht mehr halten. In den Jahren zwischen 1933 und 1939 weist das örtliche Gewerbeverzeichnis 19 Geschäfts- und Gewerbeabmeldungen aus. So zwang die NS-Wirtschaftskampagne die Mehrzahl der Juden Hadamars in die Verarmung. Einige versuchten, ihr Haus zu verkaufen und auszuwandern. Andere tauchten in Frankfurt oder anderen größeren Städten unter.

Der Auszug der Hadamarer Gemeinde wurde durch die täglichen Schikanen der NS-Antisemiten beschleunigt. Waren es anfangs nur Verbotsschilder und Schmähungen, verdichteten sich die judenfeindlichen Aktionen und gipfelten in der Nacht zum 10. November 1939. Zwar konnte die örtliche Feuerwehr den in der Synagoge gelegten Brand schnell löschen, doch nur Stunden später machten sich aufgehetzte Jugendliche an die Verwüstung der Innenräume. Seither wurde die geschändete Synagoge von den israelitischen Gläubigen nicht mehr benutzt. Im Rahmen von antisemitischen Aktionen verschwanden auch die historisch wertvollen alten Bücher der Hadamarer israelitischen Gemeinde. Weisungsgemäß hatte die Stadtverwaltung das Material der Frankfurter Staatspolizeistelle ausgeliefert. Dort allerdings wurden bei Kriegsende Berge von Akten und Dokumenten verbrannt, um sie dem Gericht der Nachwelt zu entziehen.

Im Frühjahr 1942 lebten noch 20 Personen jüdischen Glaubens in Hadamar. Alle mussten in das Haus der Familie Kahn am Neumarkt 8 umsiedeln, von wo aus die meisten am 10. Juni 1942 deportiert wurden. So verlor die Stadt Hadamar ihre israelitische Gemeinde, die hier seit drei Jahrhunderten friedlich bestanden hatte.

Gedenkstätte seit den 80er Jahren

Nach Kriegsende übernahm die JRSO, eine Treuhandgesellschaft für jüdisches Vermögen, die Synagoge und verkaufte das Gebäude an die Schwester des Hadamarer Künstlers Ernst-Moritz Engert, der es einige Jahre als Atelier nutzte. 1980 erwarb und restaurierte die Stadt Hadamar die Synagoge und richtete sie zur Gedenkstätte für die vertriebenen und ermordeten jüdischen Mitbürger her.

Anlässlich des fünfzigsten Jahrestags der Novemberprogrome 1938 wurden dort verschiedene Veranstaltungen organisiert, die das Schicksal der Hadamarer Juden, ihren Gottesdienst, ihre Brauchtümer sowie Friedhöfe und Bethäuser der näheren Umgebung in den Mittelpunkt rückten. Eine kleine Ausstellung von Dokumenten und Zeugnissen des jüdischen Lebens befindet sich nach wie vor in dem früheren Gotteshaus.

Die hübsche kleine Synagoge von Hadamar ist das älteste als solches erbaute jüdische Gotteshaus im Landkreis Limburg-Weilburg. Zudem ist es eine der wenigen Synagogen in ganz Hessen, welche die nationalsozialistische Diktatur überdauert haben. Leider nagt der Zahn der Zeit an dem schützenswerten Bauwerk, sodass eine gründliche und denkmalgerechte Renovierung des klassizistischen und mit neugotischen Applikationen versehenen Rechteckbaus vonnöten ist. Um die ehemalige Synagoge auf Dauer als musealen Gedenkort und für Veranstaltungen nutzbar zu machen, müssten zudem eine Heizung und Sanitäranlagen installiert werden.

Synagoge Hadamar
Foto: Kerstin Kaminsky

 

 

 

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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