Ilka Sterebogen: „Herzensmütter- Glücklich werden trotz unerfülltem Kinderwunsch“

Ilka Sterebogen ist selbständige Heilpraktikerin und Kinderwunschexpertin in Limburg. In ihrer eigenen Kinderwunschphase erlebte sie, was es bedeutet, sich den Hürden und Herausforderungen dieser besonderen Zeit stellen zu müssen.

Mit Ilka Sterebogen habe ich mich über ihr kürzlich erschienenes Buch „Herzensmütter – Glücklich werden trotz unerfülltem Kinderwunsch“ unterhalten. Was bedeutet das für die Frauen? Wie kann ihnen das Buch beim Verarbeiten helfen? Und wie kann man als Außenstehende mit diesem Thema umgehen?

„Frauen haben mich zu diesem Buch bewegt“

Sie haben am Anfang geschrieben, dass Sie Gesprächspartnerinnen für das Buch suchen mussten. Wie lange hat es gedauert, bis das Buch fertig war?

Ilka Sterebogen: Es hat ungefähr zwei Jahre gedauert. Das schwierigste war, Frauen zu finden, die ihre Geschichte erzählen möchten. Man meint immer, es sei normal, Frauen können darüber sprechen. Aber es ist ein absolut intimes Thema. Für Außenstehende ist es oft nicht nachvollziehbar, mit wieviel Schmerz dieses Thema verbunden ist. Daher ist es für die betroffenen Frauen nicht leicht, sich zu öffnen. Und man darf nicht vergessen, dass es nicht nur die Frau betrifft, die mit mir spricht, sondern auch die Geschichte des  Partners ist. Auch er muss der Veröffentlichung zustimmen. Es kann unterschiedliche Gründe haben, warum Kinderlosigkeit ein Thema ist. Die verschiedenen Frauen mit unterschiedlichen Biographien und Altersstrukturen zu finden, war tatsächlich das Allerschwierigste. Die erneute Auseinandersetzung mit dem Thema war für die interviewten Frauen eine Unbekannte: Wie würde es ihnen gehen, wenn sie sich wieder erinnern? Alle Frauen und ihre Geschichten sind real, und jede Frau ist vertraglich in ihrer Anonymität geschützt. Auf Wunsch habe ich den Namen geändert, zwei Frauen haben ihren echten Namen angegeben und sagen dies auch in ihrer Geschichte.

Was war ihre Initialzündung zu diesem Buch gewesen? Sie selbst haben zwei Kinder. Was hat Sie zu diesem Buch bewogen?

Ilka Sterebogen: Letztendlich sind es die Frauen selbst, die mich zu diesem Buch bewegt haben. Es gibt immer wieder Lebensverläufe oder Ereignisse, die eine Schwangerschaft oder Zeugung verhindern oder stark erschweren wie eine Erkrankung, eine Operation oder auch der fehlende Partner, was immer häufiger vorkommt. Es kommt auch immer häufiger vor, dass der Partner nicht will. Das Thema ungewollte Kinderlosigkeit nimmt stetig zu. Und an diesem Punkt hört die Literatur auf. Mir war es ein Anliegen, etwas Praktisches und Lebensnahes an die Hand zu geben, was nicht esoterisch und nicht kitschig ist. Ich möchte aufzeigen, welche Hilfen es gibt und welche Prozesse man im Abschied vom Kinderwunsch durchläuft. Das Buch soll Mut für die Zukunft machen und echte Perspektiven aufzeigen.

Der Zeitraum des Leidens bei den Frauen im Buch ist unterschiedlich lang. Ist dieses Buch ein Versuch, das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen und darüber zu reden? Den Frauen einen Weg aufzuzeigen, dass sie nicht 30 Jahre lange mit sich zu hadern?

Ilka Sterebogen: Ich hätte schon gerne mehr Öffentlichkeit für das Thema ungewollte Kinderlosigkeit. Es darf keine Schuldzuweisung an die Frau geben: „Du hast dich nicht genug angestrengt.“ oder „Du willst doch nur Karriere machen und hast deswegen auf Kindern verzichtet.“ Diese Aussagen sind so grundlegend falsch. Eine Frau, die Karriere machen will, ist vollkommen in Ordnung und das ist okay. Aber eine Frau, die sich intensiv ein Kind gewünscht hat, würde die Karriereleiter für eine Zeit ruhen lassen, um sich den Wunsch zu erfüllen.

In dem Buch erzählt eine Frau, dass sie den Karriereweg gegangen ist, nachdem sie keine Kinder bekommen konnte. Sie ist ihren Weg gegangen. Die verletzte ich doch mit dem Vorwurf, wegen der Karriere auf Kinder verzichtet zu haben. Ich glaube, die Gesellschaft muss sich allgemein ändern in der Beziehung, wie sie über andere urteilt.

Ilka Sterebogen: Absolut. Was ich mit dem Buch nicht erreichen möchte, dass sich Frauen nun verpflichtet fühlen, mit ihrer Geschichte nach draußen zu gehen, mit ihrem Innersten nach außen zu gehen. Das Buch kann vielmehr ein Sprachrohr sein  und deckt mit seinen Themen viele Bereiche ab. Ich möchte zeigen, wie vielschichtig das Thema ist und welche verschiedenen Hintergründe Kinderlosigkeit haben kann. Auch für Außenstehende wie Familie, Freunde oder Kollegen ist das Buch eine echte Hilfe. Sie bekommen überhaupt erst eine Idee davon, worum es geht und mit wieviel Schmerz das Thema verbunden ist. Es gibt konkrete Hinweise, wie man sich am besten verhalten und unterstützen kann. Es würde mich freuen, wenn das Buch dazu beiträgt, kinderlos gebliebenen Frauen und Paaren weniger neugierige und indiskrete Fragen zu stellen. Diese können oftmals verletzen und das Leid unnötig erschweren.

Erfahrungsberichte verschiedener Frauen

In dem Buch sind die Erfahrungsberichte dargestellt, in denen die Frauen einen Weg gefunden haben, die Kinderlosigkeit zu verarbeiten. Haben Sie in ihrer Arbeit auch Frauen kennengelernt, die gar nicht darüber hinwegkommen, in denen der Wunsch so tief verankert ist, dass sie nicht loslassen können?

Ilka Sterebogen:  Es wird sicherlich Frauen geben, die ihr Leben lang damit hadern. Darüber kann ich aber nicht urteilen, denn ich kenne nicht alle Frauen. Aber eine Frau, die sich mit dem Wunsch an Verarbeitung an mich wendet, die findet einen guten Weg. Es ist wichtig, das Erlebte und auch die Trauer über die Kinderlosigkeit zu verarbeiten. Das gelingt, indem man den Prozess durchläuft und ihn nicht verdrängt.

Welcher Anteil hat der Druck von außen? Dieses stetige Nachfragen von außen, ob denn Kinder kommen und wann.

Ilka Sterebogen: Das ist schon eine Art Druck. In der Regel bleibt es nicht bei einer Frage. Es wird nachgehakt und nochmal nachgehakt. Das ist leider reine Neugierde und das hilft den Frauen nicht weiter. Hier werden oft Grenzen überschritten. Viele Menschen verstehen die Tragweite ihrer unbedachten Fragen nicht. Und wenn das Buch zur Sensibilisierung beiträgt, dann wäre es schön.

Aber dies ist nicht nur ein Thema im Bekanntenkreis. Es beginnt doch eigentlich schon bei der medizinischen Beratung, dass manchem Arzt oder Personal die nötige Sensibilität für dieses Thema fehlt. Könnte das Buch dabei helfen, diese zu sensibilisieren für das Thema?

Ilka Sterebogen: Das hoffe ich. Aber nicht im belehrenden Sinn, sondern im informativen Sinn. Ich habe beruflich in einer Kinderwunschklinik hospitiert, wo ich bei den Eingriffen und künstlichen Befruchtungen dabei war. Eine Mitarbeiterin murmelte eine Bemerkung, welche mich aufhorchen ließ. Die Frauen würden sich anstellen und seien viel zu empfindlich. Ich habe mit dieser Mitarbeiterin gesprochen und ihr berichtet, was überhaupt in den Frauen in dieser anstrengend Zeit vorgeht. Für die Betroffenen ist es eine enorme emotionale und körperliche Anstrengung und es wäre gut, wenn es schon direkt in der Kinderwunschklinik ein Hilfsangebot (intern oder extern) geben würde. Manche Kliniken sind bereits toll aufgestellt. Doch andere wiederum verschicken Ergebnisse per E-Mail– die Unterschiede können gravierend sein.

Woran hapert es? Zeit?

Ilka Sterebogen: Zeit ist ein wichtiges Thema. Natürlich kann man nicht mit jeder Patientin nach einem negativen Ergebnis ewig lang reden. Ich denke, dass verstehen die Patientinnen auch.  Aber ein freundliches, empathisches Wort und eine Adresse, an die man sich wenden kann, wäre eine wunderbare kleine Geste. Es ist schmerzlich für die Frauen zu hören zu bekommen: „Das wars jetzt, finden sie sich schnell damit ab und holen sie sich doch einen Hund.“

Kann man sagen, wie viele Frauen einen unerfüllten Kinderwunsch haben?

Ilka Sterebogen: Verschiedene Statistiken zeigen, dass in der Regel jedes fünfte Paar in Deutschland ungewollt kinderlos ist. Sehr viele Paare sind in medizinischer Behandlung. Wie viele Paare dann kinderlos geblieben sind, kann ich nicht sagen.  Aber es sind viel mehr als wir denken.

Ein intensiver Kinderwunsch ist ein intensiver Kinderwunsch

Es ist wahrscheinlich bei jeder Frau anders. Kann ich von außen überhaupt definieren, wann eine Frau einen Kinderwunsch abschreiben soll, sich anderen Dingen zuwenden soll? Wann soll ich entscheiden, welche Behandlung ich mache und welche nicht? Das ist wahrscheinlich individuell für jede Frau?

Ilka Sterebogen: Kein Paar kann und sollte sich von Anfang an festgelegt. Dies ist ein Prozess, den man sich selbst erlauben sollte. Im Laufe der Jahre und Monate kann es immer wieder zu Veränderungen oder neuen, zusätzlichen Diagnosen kommen. Jede Frau darf und sollte für sich persönlich klären, was sie machen möchte oder nicht, welche Behandlung sie machen möchte oder nicht, welche Hilfe sie in Anspruch nimmt und welche nicht zu ihr passen. Dies wiederum darf kein Rückschluss dafür sein, wie intensiv ein Kinderwunsch ist. Es sollte nicht dazu führen wie eingangs gesagt, dass sie sich nicht genug bemüht hat. Jede Frau sollte für sich selbst abwägen, was sie ertragen kann und was nicht. Die eine Frau verträgt eine Hormonbehandlung sehr gut, die andere leidet tägliche Qualen und erkennt sich selbst nicht wieder. Auch ethische oder religiöse Komponenten spielen bei diesen Überlegungen eine Rolle.

Manche Frauen haben schon Kinder und es klappt nicht mit weiteren Kindern. Wenn diese dann klagen, dass eine Behandlung nicht funktioniert, sollten sie nicht glücklich sein mit einem Kind? Ich habe von einer Frau gelesen, die bereits vier Kindern hat und sich ein fünftes wünscht, wo es nicht so einfach klappt. Ist deren Wunsch nicht ein Schlag ins Gesicht für die Frauen, die gar keine Kinder bekommen können?

Ilka Sterebogen: Das ist eine Gradwanderung. Ich habe in meinen vielen Jahren Praxistätigkeit gelernt, keine Urteile zu fällen. Wer hat denn eine Antwort darauf, ob ein Kinderwunsch gerecht ist oder nicht? Niemand kennt alle Hinter- oder Beweggründe. Das Empfinden ist sehr individuell. Wenn ein Kinderwunsch intensiv ist, ist dieser Wunsch beim ersten Kind genauso intensiv wie beim fünften Kind. In der Regel kommen aber nur die Frauen zu mir, die sich ihr erstes oder zweites Kind wünschen. Von meiner beruflichen Seite kann ich solche Wünsche nicht einsortieren und nicht bewerten. Ein Kinderwunsch ist ein Kinderwunsch. Wenn eine Frau unter einem unerfüllten Kinderwunsch leidet, dann ist das ernst zu nehmen.

Also kann das Buch auch Familien helfen, die vielleicht schon ein Kind haben und es beim zweiten nicht funktioniert?

Ilka Sterebogen: Absolut. Ich habe zwar für das Buch explizit mit Frauen gesprochen, die kinderlos geblieben sind. Doch was die Trauer und die Bewältigungsstrategien angeht, finden sich viele Übereinstimmungen. Somit unterstützt das Buch auch die Frauen, die sich ein weiteres Kind wünschen.

Wie sehr spielt dieser Druck in den Kinderwunsch hinein, nur eine Frau zu sein, wenn sie Kinder hat?

Ilka Sterebogen: Ich denke, der Druck der Gesellschaft macht einen großen Teil aus. Wir leben in einer hochmodernen Gesellschaft und die Frauen sind viel mehr Konflikten ausgesetzt als früher. Die Frauen sollen einen guten Schulabschluss haben, studieren, arbeiten und für ihre Rente sorgen. Gleichzeitig sollen sie in ihrer fruchtbaren Zeit Kinder gebären und sich dann aufopfernd um sie kümmern. Frauen erhalten meiner Meinung nach zu wenig Unterstützung, wenn es um die Vereinbarkeit von Betreuung und Beruf geht. Somit gibt es zunehmend Frauen, die sich erst in späteren Jahren ihren Kinderwunsch erfüllen wollen /können. Doch dann lässt die Fruchtbarkeit bereits nach. In gesellschaftlicher Hinsicht erscheint eine Frau ohne Kind vielen Menschen immer noch suspekt. Das muss sich ändern.

„Fragen Sie nicht!“

Ein großes Problem ist dieses Fragen von außen. In welchem Rahmen darf ich denn fragen? Nehmen wir als Beispiel an, ich habe eine gute Freundin, weiß von ihrem Kinderwunsch, aber sie wird nicht schwanger. Was darf ich sie fragen?

Ilka Sterebogen:

Das ist ein Balanceakt, denn vielleicht wünscht sich die gute Freundin eine Ansprache, aber vielleicht ist es auch das falsche. Warten Sie, ob Sie auf sie zukommt. Wenn sie kommt, fragen Sie sie, was Sie tun können, um sie zu unterstützen. Wenn die Freundin keine Hilfe will, dann ist das eben so.

Und in einem anderen Rahmen, wenn es keine Freundin ist? Was kann man anderen Menschen raten?

Ilka Sterebogen: Das sie nicht nachfragen. Punkt. Schlicht und ergreifend, gar nichts anderes. Es geht sie nichts an.

In ihrem Buch schreiben Sie auch, dass es Frauen gibt, die sich nicht trauen, von ihrer Geschichte zu erzählen. Gibt es einen Punkt, dass ich dieser Frau eine Tür anbiete, darüber zu reden?

Ilka Sterebogen: Ja, gibt es. Wenn die Frau auf Sie zukommt, können Sie ihr eine Tür anbieten. Niemand sollte sich jedoch anmaßen, dass Thema zu kennen. Formulieren Sie ihre Ansprache offen: „Ich habe das Gefühl, es geht Dir nicht gut. Möchtest Du darüber sprechen?“ Alles andere ist übergriffig. Es reicht, die Person wissen zu lassen, dass man da ist. Und auch absolut nicht nachhaken, wenn die Frau nicht reden will. Das geht sie nichts an. Es gibt keine Berechtigung, da nachzuhaken.

Wenn ich persönlich eine Frau kennenlerne und diese sympathisch finde, muss ich nicht sofort wissen, ob sie Kinder hat.

Gibt aus auch Männer mit unerfülltem Kinderwunsch?

Ilka Sterebogen: Ja gibt es natürlich auch. Aber Männer gehen in der Regel anders mit einem unerfüllten Kinderwunsch um als eine Frau. Sie sagen eher: „Schatz, ich bin auch so mit Dir glücklich, wir sind ein tolles Team und haben ein schönes Leben.“ Es gibt auch Männer, die sehr unter der Kinderlosigkeit leiden. Das ist häufig der Fall, wenn der Mann Ursache für den unerfüllten Kinderwunsch ist.

Ich finde diese Kombination im Buch aus Erfahrungsberichten, Expertenmeinung und Fragebogen zum Hinterfragen der eigenen Situation finde ich sehr interessant. Es wird damit auch zu einer Art Arbeitsbuch. Die Frauen können sich selbst reflektieren.

Ilka Sterebogen: Das Buch „Herzensmütter“ ist kein schnelllebiges Buch zum Konsumieren. Es ist eher ein Begleiter und zeigt auf, dass ein Weg zurück ins Glück – auch ohne eigenes Kind – möglich ist.  Im Buch gibt es Coaching-Elemente, mit denen die Frauen sich reflektieren können, dadurch wertvolle Impulse erhalten.  Weitere namhafte Experten aus der Kinderwunsch-Welt unterstützen das Buch durch hilfreiche Hinweise. „Herzensmütter“ ist ein zeitloses Kinderwunsch-Buch.

Haben Sie einen Wunsch, den sie gerne mit dem Buch nach außen tragen würden?

Ilka Sterebogen: Ich wünsche mir mehr Sensibilität für das Thema und mehr Anerkennung für die Frauen, die ihr Wunschkind nicht an der Hand halten können.

Buch Herzensmütter Sterebogen

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Das Buch erschien im Ariston-Verlag
ISBN 978-3-424-20222-9
185 Seiten
Preis: 17 Euro

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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