Interview mit Landrat Michael Köberle. „Ich kann etwas für die Region tun“

Am 1. Januar trat Michael Köberle seine neue Stelle als gewählter Landrat im Landkreis Limburg-Weilburg an. Bald ist ein Jahr rum und ich wollte von ihm wissen, wie das erste Jahr war, was er auf den Weg gebracht hat und welche Pläne es für das neue Jahr gibt.

Seit dem 1. Januar 2019 ist Michael Köberle (CDU) gewählter Landrat vom Landkreis Limburg-Weilburg. Einiges hat er in dieser Zeit bereits auf den Weg gebracht wie eine Anlaufstelle für das Ehrenamt. Themen wie die Stärkung der medizinischen Versorgung vor Ort, die Verbesserung der Infrastruktur und der Ausbau der Digitalisierung sind Themen, die er voranbringen möchte.

Angenehmes Startumfeld

Sind Sie gut angekommen im neuen Job?

Michael Köberle: Ja, ich bin gut angekommen. Ich habe nette und hilfsbereite Kolleginnen und Kollegen vorgefunden. Ich habe zudem versucht, an jedem Arbeitsplatz mal vorbeizuschauen. Das ist mir auch gelungen, wobei ich nicht immer alle angetroffen habe. Ich bin auf ein intaktes System getroffen und war nicht in der Situation, abrupt in irgendeiner Form Dinge umreißen zu müssen, weil etwas schiefläuft. Daher war es ein sehr angenehmes Startumfeld. Dem Kreis geht es im Moment recht gut und Entscheidungen in der Vergangenheit wurden nicht falsch getroffen. In dem Sinne bin ich gut angekommen. Wir haben ein gutes Miteinander und sind alle ein Team.

Während des Wahlkampfes haben Sie gesagt, dass Sie die Mitarbeiter der Verwaltung mitnehmen wollen und nicht ihren Stiefel über die Verwaltung stülpen wollen? Ist Ihnen das gelungen?

Michael Köberle: Ja das glaube ich schon. Ich höre mir erstmal alles an, bilde mir meine Meinung und dann versuchen wir gemeinsam, Lösungen zu erarbeiten. Dies ist ein Stück weit anstrengender als wenn man allein Entscheidungen trifft. Aber ich brauche Informationen, um Entscheidungen zu treffen. Daher bin ich gut beraten, die Kollegen in diese Prozesse mit einzubeziehen. Die Kollegen dürfen sich einbringen, aber das hat auch mit Vertrauen zu tun, welches ich mir erarbeiten muss. Aber ich glaube, dass wir bereits ein gutes Miteinander haben. Getroffene Entscheidungen muss ich dann intern wie auch extern erklären. Extern hat der Bürger ein Recht auf Informationen, denn der bezahlt uns.

Gab es einen Punkt, an dem Sie gesagt haben, Sie sind angekommen oder gab es einen schleichenden Übergang?

Michael Köberle: Sowas ist immer schleichend, aber es ging relativ schnell. Ich bin ein offener Mensch und versuche die Kolleginnen und Kollegen mitzunehmen und an den Prozessen teilhaben zu lassen. Was mir wichtig ist, liegt mir auf der Zunge und das sage ich.
Eine Frage an mich war, wie ich Sachverhalte beurteile. Meine Antwort war, ich denke immer so, wie der Bürger über eine Entscheidung denken würde. Wenn wir zu dem Schluss kommen, dass der Bürger etwas nicht gut heißen würde, muss man gute Argumente haben, um eine Entscheidung dennoch umsetzen zu können. Gewisse Dinge gehen nicht anders, denn wir sind Behörde und Ordnungsbehörde. Aber wir sollten versuchen, Dinge möglich zu machen und nicht zu verhindern.

Ehrenamt wichtig für die Region

Im Wahlkampf haben Sie alle 116 Ortsteile besucht, haben die Menschen und Gegebenheiten vor Ort kennengelernt. Konnten Sie dennoch überrascht werden oder haben etwas Neues kennengelernt?

Michael Köberle: Ja! Ich lerne jeden Tag, sogar jede Stunde dazu. Ich habe hier ein breites Themenfeld. Das eine oder andere wurde bereits durch die ehrenamtliche Tätigkeit als Kommunalpolitiker abgedeckt. Aber nun habe ich noch mehr Möglichkeiten, auch Entscheidungen zu treffen, welche sogar meinen breitgefächerten, vorhergehenden Beruf übertreffen. Landrat ist sicherlich eines der schönsten Ämter, weil man nahe an den Menschen ist und unmittelbaren Einfluss üben kann. Ich bin ja auch hier geboren und ich kann etwas für unsere Region tun.

Das Ehrenamt ist Ihnen wichtig, was bereits im Wahlkampf deutlich wurde. Recht schnell haben Sie in der Verwaltung eine Anlaufstelle für das Ehrenamt eingeführt.

Michael Köberle: Es ist wichtig, dass viele Dinge kanalisiert werden. Wir haben auch eine Broschüre für das Ehrenamt herausgegeben mit vielen Informationen. Auch online soll dies noch dargestellt werden. Wir wollen den Vereinen und Ehrenamtlichen am langen Ende helfen. Es wird am demografischen Wandel nichts ändern, aber es macht gewisse Dinge einfacher. Wir wollen auch im nächsten Jahr wieder eine Ehrenamtsveranstaltung machen, wo wir Vorstände einladen. Es ist wichtig, das ehrenamtliche Engagement wert zuschätzen. Denn ohne Ehrenamt ist die Region viel ärmer.

Neben der Anlaufstelle für Ehrenamtler – was konnte in diesem Jahr noch umgesetzt werden?

Michael Köberle: Weitere umgesetzte Dinge sind der Rufbus für Weilmünster oder die Sanierung von Kreisstraßen. Wir haben einen Mobilitätscheck angestoßen, insbesondere unter dem Aspekt Radverkehr. Das Schulsanierungsprogramm wurde weiter verfolgt und das Kreiskrankenhaus weiterentwickelt. Wir kamen mit der Digitalisierung im Zulassungswesen und der Verwaltung voran. In der Kreisverwaltung haben wir ein Führungskräftenachwuchsprogramm gestartet. Eine überarbeitete Homepage soll im Januar online gehen und wir wollen auf den sozialen Kanälen aktiv werden. Dies sind nur einige Ausschnitte, was im letzten Jahr erreicht wurde.

Im Wahlkampf haben Sie erzählt, dass der Sonntag der Familie gehört. Inzwischen haben Sie keinen 9-to-5-Job mehr und sind auch sonntags unterwegs. Gab es schonmal Bedenken, diesen Weg eingeschlagen zu sein?

Michael Köberle: Nein! Wir haben die Entscheidung damals gemeinsam getroffen und uns dafür lange Zeit genommen. Wir haben gesagt, dass wir den Bürgern ein Angebot machen. Und der Bürger hat das Angebot angenommen. Inzwischen frühstücken meine Frau und ich jeden Morgen zusammen, was wir so noch nie hatten. Ich versuche, den Sonntag für gewisse Rituale freizuhalten. Dies gelingt nicht immer. Meine Frau oder auch die Kinder nehmen aber auch mal Termine mit wahr und dann machen wir das gemeinsam.

Nach 100 Tagen hatten Sie bereits 500 Termine wahrgenommen. Wie viele Termine haben Sie jetzt im ganzen Jahr absolviert?

Michael Köberle: Es sind nicht weniger geworden (lacht).

Was war die größte Herausforderung in dem neuen Job?

Michael Köberle: Wenn man damit konfrontiert wird, dass eine Klinik hier im Landkreis sich überlegt, einen Standort zu schließen und an unseren Standort in Weilburg anzuschließen. Das sind Dinge, die bewegen und die nicht so einfach sind. Daher lassen wir uns die nötige Zeit und treffen keine überhasteten Entscheidungen.

Umsetzung der Kernthemen

Im Wahlkampf hatten Sie 16 Kernthemen zu ihren Themen gemacht. Wie sind Sie damit vorangekommen?

Michael Köberle: Ich bin ein strukturierter Mensch und habe mir im Vorfeld Gedanken gemacht, was wichtig ist. Da hat sich einiges schon bewegt. Für die medizinische Versorgung haben wir ein fachärztliches MVZ (Medizinisches Versorgungszentrum, Anm.der Red.) in Weilburg gegründet und werden den Standort weiterentwickeln, unter anderem mit einem MRT in der Zukunft. Hausärzte ist ein Thema und auf lange Sicht versuchen wir mit dem Stipendium für Medizinstudenten dies zu beeinflussen. Pflege ist ein wichtiges Thema. In Weilburg haben wir zwei Pflegekurse und haben eignes, gut ausgebildetes Personal. Das Programm bezahlbarer Wohnbau wird gut angenommen und im Kreis nochmal aufgestockt. Am langen Ende glaube ich, dass wir einen entsprechenden Effekt haben, obwohl wir dafür nicht zuständig sind. Aber wir müssen auch zu uns ehrlich sein: Wohnungsnot ist nicht, wenn jemand aus dem Kreisgebiet nach Limburg ziehen will. Dies ist nicht Wohnungsnot, sondern der Punkt, dass man seinen Lebensmittelpunkt verlegen möchte. Wir haben noch etliche Orte, die für Zuzug von Familien mit Kindern dankbar wären.
An dem Thema ÖPNV sind wir dran, aber es muss bezahlbar bleiben. In Sachen Infrastruktur, Digitalisierung, Schulen sind wir bereits gut aufgestellt und bieten eine lebenswerte Region. Inzwischen verfügen alle Schulen unseres Landkreises über einen Glasfaseranschluss. Mit dem neuen Haushalt 2020/21 werden wir die Kreisumlage nochmal um 0,5 senken, so dass wir in Summe seit 2016 7,5 Prozent gesenkt haben, was sich bei den Kommunen bemerkbar macht. Mit unseren Möglichkeiten bauen wir die Schulden ab. In Sachen Bürgerfreundlichkeit schauen wir, wie wir uns räumlich aufstellen. Dies ist jedoch ein mittelfristiges Projekt, wo keine Eile besteht. Wir fahren in einem guten Fahrwasser und können Akzente setzen. In Sachen interkommunale Zusammenarbeit wollen wir die Ausbildung bei den Feuerwehren mit einer hauptamtlichen Stelle über den Kreis mehr stärken und koordinieren. Zum Thema Nachhaltigkeit werden wir versuchen, Aktionen mit den Bürgern zu machen wie Baumpflanzaktionen. Im Tourismus sind wir mit der Wirtschaftsförderung gut aufgestellt und wollen vor allem den Radverkehr nach vorne bringen und einen Radbeauftragten installieren.

Sie waren viele Jahre in der Kommunalpolitik tätig und hatten daher schon viele Einblicke in die verschiedenen Abläufe. Worin liegen dennoch die Unterschiede zwischen der Tätigkeit als ehrenamtlicher Kommunalpolitiker und jetzt als hauptamtlicher Politiker?

Michael Köberle: Wenn man vorher schon ein Parlament geleitet hat – und das Limburger Stadtparlament ist groß und der Haushalt der Kreisstadt ist anspruchsvoll – kennt man bereits viele Dinge. Aber hier in der Kreisverwaltung hat man noch mehr Themen, die man umsetzt. Jetzt bin ich endverantwortlich, was nochmal etwas anderes ist. Vorher habe ich Vorschläge gemacht, heute bin ich endverantwortlich. Früher habe ich etwas vorbereitet und es war die Aufgabe der Verwaltung, es umzusetzen. Heute ist es unsere Aufgabe.

Gab es auch schon Kritik an Ihnen?

Michael Köberle: Ja klar. Wer viel entscheidet, ist auch Kritik ausgesetzt. Ein Kritikpunkt war die Kommunikation. Wann wird welche Information gegeben? Wenn man zu früh informiert, kommt die Frage auf, warum schon darüber gesprochen wird. Informiere ich zu spät, heißt es, jetzt ist es sowieso vorbei. Den Punkt, richtig zu informieren, bekommt man eigentlich gar nicht mit, denn dann sagt keiner was. Aber natürlich bin ich verantwortlich, auch wenn ich nicht immer direkt für eine Information zuständig bin. Wenn berechtigte Kritik kommt, bespreche ich diese natürlich auch mit meinen Kolleginnen und Kollegen, wie wir es beim nächsten Mal besser machen können. Dies gilt intern wie auch nach außen.

Eine Kritik kam z. B. vom Limburger Bürgermeister Marius Hahn, welcher forderte, dass sich der Landkreis am Luftreinhalteplan beteiligt, da der Verwaltungssitz in Limburg ist. Ihr bietet für Eure Mitarbeiter kein Jobticket an, aber nutzt CarSharing. Daher ist die Frage, wie gerechtfertigt diese Kritik ist?

Michael Köberle: Ein konkretes Thema ist unsere Flotte, welche wir nutzen. Man muss bedenken, dass der Radius für die Verwaltung Stadt Limburg kleiner ist als bei uns. Da ist die Frage, ob sich die E-Mobilität lohnt. Zum Thema Jobticket gab es eine Umfrage und es wird nochmal eine Umfrage in 2020 unter den Kolleginnen und Kollegen geben, ob sich an der Einstellung der Kolleginnen und Kollegen inzwischen etwas verändert hat. Dann werden wir dies mit der Politik erörtern, denn die muss am langen Ende entscheiden, ob dies finanziert wird. Insgesamt sind unsere Möglichkeiten allerdings begrenzt und wir können nur einen geringen Teil der Emissionen in Limburg beeinflussen.
In Sachen Verkehr sind es auch Fragen des Betrachters. Hier im Landkreis sind fünf Minuten länger für einen Weg durch viel Verkehr katastrophal. Wer jeden Tag ins Rhein-Main-Gebiet fährt, freut sich, wenn er nur fünf Minuten länger unterwegs ist.
Ich kann für mich sagen, dass ich überall da, wo ich beteiligt war, bestrebt war, konstruktive Lösungen zu erarbeiten. Als Beispiel nenne ich die mögliche Verlagerung der Lahnbrücke Staffel. Aber man darf nicht immer nur schimpfen, sondern muss auch etwas tun und umsetzen.

Pläne für das kommende Jahr

Wie würden Sie die Situation im Landkreis beschreiben?

Michael Köberle: In Summe haben wir gute Rahmenbedingungen, weil auch das Land gute Bedingungen geschaffen hat wie z. B. die Hessenkasse mit der Möglichkeit für die Kommunen, sich zu entschulden. Wir haben den Rettungsschirm verlassen und haben ausgeglichene Haushalte. Den Haushalt, den ich eingebracht habe und der am 14. Februar voraussichtlich beschieden wird, ist sogar genehmigungsfrei, was es im Landkreis noch nie gab. Dies ist sehr positiv, denn mit dem Beschluss können wir direkt am 14. Februar loslegen. Wir hätten den Haushalt gerne in diesem Jahr noch verabschiedet, doch vom Land fehlten noch einige Eckdaten. Und da ich ein besonnener Mensch bin, habe ich lieber noch ein wenig gewartet.

Was würden Sie gerne im nächsten Jahr umsetzen?

Michael Köberle: Mit dem Haushalt setzen wir mit einem eigenen Medienrahmenplan den Digitalpakt für unsere Schulen um und investieren die nächsten Jahre 12,5 Millionen Euro. Zur Verbesserung der Infrastruktur investieren wir weiterhin in die Kreisstraßen. Um die Infrastruktur im Landkreis auszubauen, habe ich den Verkehrsminister Tarek Al-Wazir angeschrieben, mit der Bitte zu prüfen, ob die Bahn bis nach Weilmünster verlängert werden kann. Dies würde Attraktivität der Region steigern, denn Weilmünster liegt am nächsten am Ballungsraum Rhein-Main.
Weiterhin investieren wir in Instandhaltungsarbeiten an den Schulen sowie Sanierungen oder auch Erweiterungen von Schulgebäuden.
Ein Kernstück des Haushaltes ist der Zukunftsfonds Landkreis Limburg-Weilburg, mit welchem die Kommunen in Sachen preisgünstiger Wohnungsbau, Infrastruktur, Brandschutz sowie Klimaschutz gefördert werden sollen.

Geht es im nächsten Jahr weiter so oder gibt es noch Wünsche zum Optimieren?

Michael Köberle: Ein einfach weiter so wird es bei mir nie geben. Ich bin der Meinung, man kann immer etwas ein bisschen besser machen müssen. Es gibt permanent neue Herausforderungen, denen wir uns stellen und neue Wege, die wir gehen. Wir sind ein attraktiver Arbeitgeber und können auf die Erfahrungen der Mitarbeiter bauen. Die Planstellen werden mit qualifizierten Mitarbeitern besetzt, so dass wir den Bürgern ein guter Ansprechpartner sind.

Enden möchte ich das Interview mit einem Zitat von Michael Köberle aus der Haushaltsrede: „Landrat ist eine spannende und sehr schöne Aufgabe!“

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

One thought on “Interview mit Landrat Michael Köberle. „Ich kann etwas für die Region tun“

  • 1. Januar 2020 um 17:08
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    Es wäre interessant zu erfahren, was es finanztechnisch mit dem sogenannten Zukunftsfonds auf sich hat? In 2018 hatten sich ca. 680 TEUR akquirierte und zugesagte Fördermittel im Kreishaushalt, die im engeren Sinne klimaneutralen Investitionen zugute kommen sollten, angesammelt. Ob der neue Landrat und sein Beigeordneter von der SPD in 2019 hier in der Umsetzung weiter gekommen sind, wird die Abrechnung per 31.12.2019 zeigen.

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