Kein Lokaljournalismus ohne Kleintierzüchter

Es ist die Zeit der Lokalschauen der Kleintier- und Rasssegeflügelzüchter. Eine Zeit, wo Diskussionen aufkommen, wieviel Platz in der lokalen Berichterstattung diesen Veranstaltungen eingeräumt werden sollte. Denn – Lokaljournalismus und Rassegeflügelzüchter werden bis heute oft abfällig miteinander verbunden.

Diese Kombination gilt oft als Umschreibung dafür, dass das Lokale nicht so wichtig ist. Menschen, die mit Rassegeflügel nichts am Hut haben, können nicht verstehen, dass diesem Hobby überhaupt eine Zeile gewidmet wird. Und obwohl ich kein Huhn von einem anderen unterscheiden kann, finde ich es wichtig, darüber zu schreiben.

Eierproduzenten und Lebensmittel

In meiner Zeit als Lokaljournalistin begegnete ich schon vielen Rassegeflügel und auch einigen Kleintieren. Große Hähne, die mir Respekt einflößten, bis hin zu Zwerghühnern, die ganz possierlich waren. Hühner mit glänzend schwarzen Federn, roten Kämmen und unbefederten Beinen bis hin zu Hühnern, die Schuhe aus Federn zu tragen schienen. Und neben der großen Vielfalt der Hühner nicht zu vergessen die Tauben, Enten, Gänse und Puten, die manch Züchterherz höherschlagen lassen.

Ihre Namen habe ich alle schon gehört und alle niedergeschrieben. Aber es wäre es ein Zufallstreffer, wenn ich ein Huhn vor mir benennen kann. Ich kann mit Hühnern nichts anfangen. Für mich sind sie Eierproduzent und Lebensmittel. Dennoch gehe ich immer wieder gerne zu Rassegeflügelschauen und berichte darüber. Denn die Berichterstattung ist mehr als nur die Gewinner von den Zuchtbändern zu benennen. Es ist ein Hinschauen, ein Zuhören und das Finden von Geschichten bei den Züchtern. Von Interesse sind nicht vordergründig die Tiere, sondern die Menschen dahinter. Dies zeigt auch folgendes Erlebnis von mir.

Wie denkt der Preisrichter?

Vor zwei Jahren durfte ich einen Preisrichter bei der Bewertung begleiten. Er hat mir eine Leidenschaft gezeigt, welche mir einen völlig neuen Blick auf dieses Hobby gab. Es war ein älterer Herr, keine 1,70 m groß mit leicht gebeugtem Gang. Einen Stehtisch schob er wie ein Rollator vor sich her und stützte sich darauf ab. Zwei Reihen Käfige mit Tieren warteten auf seine Einschätzung. Schnell hatte er ein Auge auf ein schönes Vorwerkhuhn in der zweiten Reihe geworfen. Es war noch lange nicht an der Reihe, da lobte er das gleichmäßige Federkleid. Er zog Vergleiche zu den anderen Vorwerk-Hühnern, die er sich anschaute. Endlich war er bei seinem Favoriten angekommen. Er kam aus dem Schwärmen nicht raus. Die Haltung war toll, die Rassemerkmale wunderbar ausgeprägt. Er nahm das Tier aus dem Käfig. Es lag auf seiner Hand und er fühlte die Ausbildung der Brust. Er machte die Flügel lang und prüfte die Schwungfedern auf Fehler. Alles in Ordnung.

Doch als es an die Beine ging, tat sich ein Makel auf. An einem Bein hatte befand sich ein Sporn. Dies darf bei einer Henne nicht sein. Er packte sich das Huhn unter die Achseln und schlurfte langsam zum Obmann, um ihn nach seiner Meinung zu fragen. Dieser bestätigte den Fehler. Ich hörte durch die Halle nur noch ein sehr lautes „Scheiße“. Der Preisrichter ärgerte sich so sehr, weil er dem Tier die höchste Note geben wollte. Dieser Sporn verhinderte das leider.

Lokaljournalismus Rassegeflügelschau

Mit den Preisrichtern unterwegs zu sein, zeigte mir auch, dass sie sich die Bewertung nicht einfach machen. Bei zwei gleich schönen Tieren nahmen sie sich viel Zeit. Da wurden die Tiere mehrmals herausgeholt und genauer betrachtet. Bei Unsicherheiten schlugen sie in der Züchterbibel nach, worauf es ankommt. Sie achteten auf jede Feder. Schaut vielleicht eine Feder aus dem Federkleid hervor? Fehlen Federn? Ist ein weißer Punkt zu viel? Manchmal sind es die kleinen Dinge, die zu einer Entscheidung führen – wie bei dem Vorwerkhuhn, welches bei aller Schönheit einen leichten Sporn am Bein hatte.

Hobby, Faszination und Leidenschaft

Nimmt man sich etwas Zeit und kommt mit den Züchtern ins Gespräch, geraten diese ins Schwärmen. Und jeder kann begründen, warum er welche Rasse züchtet. Für den einen ist es die Standorttreue und das zahme Auftreten der Zwerge, dem anderen gefällt ein besonderer Farbschlag sehr oder jemand hat sich den gefährdeten Rassen verschrieben. Viele Züchter halten verschiedene Rassen, denn eine Zucht sei wie ein Virus und sie können nie genug haben. Dabei geht es nicht nur um die Schauen, das Heranzüchten der schönsten Tiere oder das Sammeln von Preisen. Den Züchtern ist sehr wohl bewusst, dass sie den Tieren gegenüber eine hohe Verantwortung haben.

Täglich geht einiges an Zeit drauf, um sich um die Tiere zu kümmern. Dabei geht es auch nicht einfach darum, die Tiere zu füttern und zu vermehren. Zudem kämpfen sie mit verschiedenen Herausforderungen. Im letzten Jahr mussten die Tiere wochenlang weggesperrt werden wegen der Vogelgrippe. Manch Züchter fehlte der Platz, sein Geflügel adäquat wegzusperren, so dass Bestände minimiert werden mussten. Oder wenn die Winter zu lang und zu kalt sind, dann legen die Hühner zu spät ihre Eier. Dann gelingt es den Züchtern nicht, schaureife Tiere bis in den Herbst heranzuziehen.

Und natürlich müssen sie auch die Feinheiten im Blick haben, die bei den Preisrichtern eine Rolle bei der Bewertung spielen. Parallel dazu nimmt die Zahl der Züchter ab und junge Menschen lassen sich selten für dieses Hobby gewinnen. Die Züchter müssen demnach um ihre Zukunft kämpfen. Das kleiner werden oder sogar das Wegfallen von Schauen gibt nur einen kleinen Einblick davon wieder.

Doch zurück zum Lokaljournalismus und den Rassegflügel- sowie Kleintierschauen. Es sind nicht primär die Schauen, die Platz finden sollten in der Zeitung. Sie gehören dazu und die Gewinner gehören erwähnt. Aber vor allem sind es die Menschen hinter diesem Hobby, welche ihre Geschichten erzählen und damit einen Blick auf ihre Leidenschaft offenbaren. Sie haben das gleiche Recht, Erwähnung zu finden wie die Sportler, die Bestleistungen erbringen oder Vereinsmitglieder, welche aufgrund langjähriger Mitgliedschaft geehrt werden. Sie leisten ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Leben und bereichern Veranstaltungen vor Ort mit ihrer Anwesenheit. Daher plädiere ich dafür, nicht abfällig über die Rassegeflügel- und Kleintierzucht zu sprechen, sondern ihnen den gleichen Platz im Lokaljournalismus einzuräumen wie den anderen interessanten Geschichten.

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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