Keine Macht dem Hass!

Die Frauen-Union Limburg-Weilburg sprach mit der Hessischen Justizministerin Eva Kühne-Hörmann über Hass im Netz und was jeder dagegen tun kann. Kühne-Hörmann kämpft dafür, dass im digitalen Leben gleiche Regeln gelten wie im analogen und plädierte dafür, dass jeder im Netz etwas tun kann.

Christine Zips begrüßte die Gastrednerin Eva Kühne-Hörmann. Das Thema Hass und Hetze sei sehr facettenreich. Es ist allgegenwertig. Vor allem im Netz nimmt es zu, weil sich dann die Menschen hinter der Anonymität verstecken können. Es bleibt dabei nicht nur bei Beleidigungen, sondern geht bis hin zu Bedrohungen von Personen. „Wir fordern einen Wandel der Diskussionskultur, auch im Netz“, so Zips.

Andere Dimensionen bei Frauen

Eva Kühne-Hörmann kann diese einleitenden Worte nur bestätigen. Vor allem der Fall Walter Lübcke sei ein trauriges Beispiel, dass aus Worten Taten folgen. Kühne-Hörmann ist der Meinung, dass das ein wichtiges Thema der nächsten Bundesregierung sein wird. Zwar habe sich schon einiges getan, doch es seien noch immer Wünsche offen. Vor allem macht sie sich für die Frauen stark, wo Hass und Hetze nochmal ganz andere Dimensionen erreiche. Hier gehen die Kommentare häufig in die sexistische Richtung und unter die Gürtellinie. Von Männern sind ihr solche Erfahrungen her nicht bekannt.

Hinzu komme, dass sich die Frauen häufig scheuen, von diesen Erfahrungen zu berichten. Sie haben häufig das Gefühl, alleine mit dem Problem zu sein. Daher wirbt Kühne-Hörmann dafür, dass jeder darauf achtet, wie im Netz kommuniziert wird und dann etwas sagt, auch wenn man selbst nicht betroffen ist. „Ich möchte alle Vorteile der digitalen Welt nutzen, aber es müssen die gleichen Regeln wie in der analogen Welt gelten“, so die Justizministerin.

Lücken im System

Bisher müssen die Opfer von sich aus aktiv werden, damit Ermittlungen stattfinden. Kühne-Hörmann wünscht sich, dass dieses sogenannte Antragsdelikt fällt und ein sogenanntes Offizialdelikt zum tragen kommt. Dies würde bedeuten, dass die Staatsanwaltschaft von sich aus tätig wird, ohne dass das Opfer aktiv werden muss. Bei den Opfern gebe es häufig eine Hemmschwelle und diese könnte damit umgangen werden. Daher gebe es in Hessen die initiative „Keine macht dem Hass“, um dem Hass im Netz den Kampf anzusagen. Ende 2019 gründete sich diese Initiative und hat bisher über 100.000 Meldungen an die Staatsanwaltschaft gemacht. In nur 130 Fällen kam es zu einem Ermittlungsverfahren, denn nicht alle sind für Ermittlungen relevant.

Und diese Relevanz ist eine große Lücke. So sind Beleidigungen in geschlossenen Gruppen nicht ermittlungsrelevant, weil sie nicht im öffentlichen Raum stattfanden. Und dabei sei es egal, ob eine solche geschlossene Gruppe aus 100 oder 100.000 Mitgliedern besteht. Teilweise fallen die geäußerten Worte nicht unter den Straftatbestand einer Beleidigung, auch wenn sie massive Auswirkungen auf das Verhalten der Frauen hat, indem diese sich anders kleiden oder nicht mehr vor die Tür gehen. „Wir benötigen die Entwicklung neuer Tatbestände, um auf diese Phänomen einzugehen.“ Um untereinander im Netz aufzupassen, gibt es inzwischen die „Meldehelden“. In dieser App kann Hass gemeldet werden, gibt es eine Anleitung, wie eine Meldung erfolgt und es gibt Kontakte zu Opferberatungen, damit niemand mit seinen Problemen und Gefühlen alleine ist.

„Datenschutz wird Täterschutz“

Eine weitere große Lücke sieht Eva Kühne-Hörmann in der fehlenden Vorratsdatenspeicherung. Seit Jahren engagiert sie sich für eine Vorratsdatenspeicherung. Vor kurzem haben Internetanwälte einen Kinderpornographiering ausgehoben. Dies war möglich, weil es von anderen Ländern Informationen zu den IP-Adressen gab, wodurch Täter ermittelt werden konnten. In Deutschland ist dies nicht möglich. Die Taten sind bekannt, aber ohne IP-Adresse gibt es keinen Rückschluss auf die Täter. „Der Datenschutz wird zum Täterschutz“, kritisiert Kühne-Hörmann, „es findet eine ideologische Debatte statt und wir können Täter nicht fassen.“ Dabei greife die Justiz auf die Daten nur bei einem Anfangsverdacht zu. Bestätigt sich dieser nicht, werden die Daten gelöscht. Da muss sich mehr tun.

Erfolge im Schutz von Frauen

Aber trotz Lücken im System macht die Justizministerin darauf aufmerksam, dass in den letzten Jahren auch einige Erfolge errungen wurden. So sei das Upskirting, das Fotografieren unter den Rock, was zwischendurch Volkssportcharakter angenommen habe, inzwischen strafrechtlich relevant. Auch beim Stalking hat sich einiges getan. Früher war es nur Straftatbestand, wenn nach einem Umzug der betroffenen Frau das Stalking nicht endete. Doch warum soll die Frau ihr Verhalten als Opfer ändern und muss mit ihrem alten Leben brechen, fragte Kühne-Hörmann in die Runde. Inzwischen hat sich die Betrachtung geändert und nicht das Opfer muss etwas tun. Aber auch diese Form hat mit der digitalen Welt neue Züge angenommen.

Einen Erfolg sieht die Justizministerin im Marburger Modell. Hier gehen Polizei, Staatsanwaltschaft und Behörden neue Wege bei häuslicher Gewalt. Das Modell ist so erfolgreich, dass es jetzt hessenweit umgesetzt werden soll. Nicht die Frauen und Kinder werden in einer Hauruck-Aktion aus der häuslichen Umgebung in ein Frauenhaus geholt. Durch die Zusammenarbeit aller Behörden wird der Täter aus der Wohnung herausgenommen. Die Frauen waren eher bereit eine Aussage zu machen, und die Staatsanwaltschaft konnte gegen die Täter auch ermitteln. Die Frauen können im gewohnten Umfeld bleiben, haben dadurch weniger Angst und reden mit den Behörden.

Prävention statt Aktion

Die Justizministerin setzt klar auf Prävention und wirbt auch in der Runde, dass jeder etwas machen kann gegen Hass. Nur wenn jeder darauf aufmerksam macht und Fehlverhalten anzeigt, wird die Gesellschaft wieder ein Stück freier. „Wir leben in einem freiheitlich-demokratischen Staat und dies soll auch im Netz gelten“, so Kühne-Hörmann. Es sei die Aufgabe der Gesellschaft, zu zeigen, was erlaubt sei und was nicht. „Wir müssen zeigen, was wir zulassen wollen.“ Und jeder kann seinen Beitrag dazu leisten.

 

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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