Klaus Schäfer: „Ich möchte mithelfen, den Menschen eine Perspektive zu geben“
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Im Dezember 2014 gründete Klaus Schäfer den Verein Toloha Partnership Deutschland e.V. Ich sprach mit ihm darüber, wie es zu dieser Hilfe kam und was der Verein in den letzten Jahren erreicht hat.
Toloha ist ein tansanisches Dorf in der Nähe der kenianischen Grenze. Von 2010 bis 2013 war Klaus Schäfer als Entwicklungshelfer in Tansania. Bis heute unterstützt er Projekt in dem Dorf Toloha.
Als Entwicklungshelfer in Tansania
Wie kamen Sie nach Tansania? Haben Sie aktiv etwas gesucht? Sind Sie über ihre Arbeitsstelle dahin gekommen?
Klaus Schäfer: Ich habe zu der Zeit beruflich eine Alternative gesucht und Ausschau gehalten. In meiner beruflichen Vorgeschichte hatte ich schon im Ausland gearbeitet. Ich habe mich auch immer für das Themenumfeld Entwicklungsarbeit interessiert. Von daher habe ich regelmäßig bei den ausgeschrieben Stellen vom Deutschen Entwicklungsdienst geschaut. Zufällig fand ich dann die Stelle in Tansania als Entwicklungshelfer. Bis heute werden solche Stellen ausgeschrieben, inzwischen von der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit. Bei der Stelle sollten Regionen in Tansania technisch wie auch administrativ im Wasserversorgungssektor betreut werden sowie kleine EDV-Abrechnungssysteme eingeführt werden. Als studierter Bauingenieur und EDV-Fachmann passte dies auf mein Profil. Zu dem Zeitpunkt waren wir auch beide soweit, dass die Kinder aus dem Haus und wir offen für eine Veränderung waren. Ich habe meine Frau Rosie gefragt, ob sie sich das vorstellen könnte. Für mich war immer klar, wenn wir gehen, dann nur gemeinsam. Ich habe mich beworben und wir wurden als Paar eingeladen. Nach dem Assessment haben sie uns gesagt, dass dies passen könnte.
War dies die erste Begegnung mit Afrika?
Klaus Schäfer: Direkt auf dem afrikanischen Kontinent ja. Aber ich war davor auch schon eineinhalb Jahre in Saudi-Arabien.
Es war also das Projekt, welches sie nach Tansania brachte und nicht das afrikanische Land selbst? Und wie ging es nach der Auswahl weiter?
Klaus Schäfer: Das das Projekt in Tansania war, hatte uns zusätzlich gereizt. Denn wir wohnten am Fuße des Kilimandscharo. Nach der Auswahl ist alles in die Wege geleitet worden. Anfang 2010 haben wir eine dreimonatige Fortbildung in Deutschland durchlaufen. Da ging es um interkulturelles Verständnis, Landeskunde und auch Sprachunterricht. Dort wird Suaheli gesprochen, was wir beide leider nie richtig gelernt haben (lacht). Zum Glück läuft dann die Hauptkommunikation auf Englisch. Nach der Vorbereitungsphase sind wir im April 2010 runtergeflogen und wohnten dann drei Jahre dort.
War das Projekt von Anfang an auf drei Jahre ausgelegt?
Klaus Schäfer: Eigentlich war es auf zwei Jahre ausgelegt und wir haben dann nochmal um ein Jahr verlängert.
Schnelle Aufnahme von den Einheimischen
Was ist der Punkt, dass Sie sagen, Tansania ist ein schönes Land und ich engagiere mich gerne weiter dort?
Klaus Schäfer: Aus meiner Sicht ist es ein schönes Land mit seinen Menschen. Wir sind sehr schnell von den Einheimischen aufgenommen worden. Einheimische haben uns ein Haus vermietet und daher waren wir von Anfang an in einem sehr engen Kontakt mit den Menschen. Auch von der Arbeit her war es ein enges Miteinander. Diese Fachperson, die ich war, wurde ja eigentlich vom tansanischen Staat angefordert. So läuft dies in der Entwicklungsarbeit. Ein Staat sagt, wo er Unterstützung benötigt. Die ganze Arbeit hat mir mit meinen afrikanischen Kollegen, aber auch den anderen internationalen Kollegen sehr viel Spaß gemacht. Ich war sehr frei in meiner Aufgabengestaltung. Ich habe nicht in der Stadt selbst gearbeitet, sondern in den umliegenden Distrikten. Daher kam ich auch sehr viel rum. Wir haben uns die verschiedenen Ortschaften angeschaut, wie die Wasserversorgung in den entlegenen Dörfern war und was verbessert werden kann. Da habe ich fachlich beratend den tansanischen Kollegen zur Seite gestanden. Bis heute habe ich Freundschaften dort.
Wie kam es zu ihrer Verbindung zum Dorf Toloha?
Klaus Schäfer: Durch meine Arbeit bin ich 2010 direkt in das Dorf Toloha gekommen. Später habe ich bei dem Dorf verschiedene Untersuchungen vorgenommen. Es gab von der Regierung ein Programm, bei dem dort nach Grundwasser gebohrt wurde. Das staatliche Wasserversorgungssystem sollte erneuert werden. Sie bohrten an drei Stellen 100 Meter tief. Sie haben entweder kein Wasser gefunden oder nur versalzenes Wasser. Nach diesen drei vergeblichen Versuchen brach die Regierung die Bohrungen ab, weil das Budget für dieses Projekt aufgebraucht war. Und dann kam es zu einer zufälligen Begegnung mit meinem Freund Daniel Makoko, der auch aus diesem Dorf stammt, aber in den USA lebt. Der hatte mich aus den USA angeschrieben, dass er seinem Dorf weiterhelfen möchte und ob ich ihn dabei unterstütze.
Wasserversorgung und Kindergarten
Wie groß ist dieses Dorf?
Klaus Schäfer: Es ist schwierig zu beziffern, wie viele Menschen dort leben. Es ist kein kompaktes Dorf, sondern ziemlich weit gestreckt. Es liegt recht nahe an der kenianischen Grenze. Da kann man zu Fuß hingehen. Das sind alles Kleinbauern mit zwei, drei Häusern, um die sich die Felder befinden. Zwei, drei Kilometer weiter kommt der nächste Bauer. Es gibt einen kleinen Kern im Dorf mit Kiosk. Ich glaube nicht, dass es mehr als 2.000 Menschen sind, die zum Dorf gehören. Im Einzugsbereich der Wasserversorgung fallen noch weitere kleine Dörfer sowie Massai-Ansiedlungen. Diese kommen immer wieder zum Dorf, um ihr Vieh zu tränken. Die leben inzwischen halbnomadisch. Die Frauen und Alten wohnen in den Dörfern und die Jugendlichen ziehen mit dem Vieh noch durch die Gegend. Um die Massai kümmern wir uns nicht mittelbar, aber sie sind Mitnutzer.
Wie oft fliegen Sie nach Toloha?
Klaus Schäfer: Normalerweise war ich jedes Jahr unten in Toloha. Doch letztes Jahr ging es krankheitsbedingt nicht und dieses Jahr hat Corona alles zerschlagen. Ich habe fest vor, nächstes Jahr runter zu fliegen. Wir koordinieren dies dann auch immer mit Daniel, damit wir zusammen unten sind. Wir wohnen dann auch immer im Dorf, wo Daniel inzwischen ein kleines Guesthouse gebaut hat.
Sie hier in Deutschland, Daniel in Amerika – haben Sie dann vor Ort noch jemanden, mit dem ihr zusammenarbeitet?
Klaus Schäfer: Wir haben Ansprechpartner vor Ort, denen wir vertrauen können. Dies sind Familienmitglieder von Daniel. Diese kümmern sich dann um die Dinge und liefern uns Berichte, was mit dem Geld gemacht wird. Wenn wir einmal im Jahr unten sind, kontrollieren wir auch, wie die Gelder eingesetzt worden sind.
Was habt ihr in den letzten sechs Jahren alles umgesetzt?
Klaus Schäfer: Die Wasserversorgung war ein großes Thema. Wir haben das gesamte System umgeplant. Wir haben das Problem mit einer Fallleitung gelöst. Acht Kilometer entfernt liegt eine Bergkette, wo es genügend Wasser gibt. Dort gab es ein altes System aus den 50er Jahren von den Engländern, welches nicht mehr funktionsfähig war. Dieses System wollten wir übernehmen. Wir haben eine komplett neue Leitung verlegt. Das Wasser fließt aus den Bergen nur mit Schwerkraft bis nach Toloha in einen Hochtank. Von dort wird es über 12 Entnahmestellen im Dorf verteilt. Wir haben immer mit den Leuten aus dem Distrikt zusammengearbeitet. Als diese merkten, dass wir etwas machen, haben sie sich beteiligt. Wenn wir die Leitung verlegen würden, würden sie die Verteilung finanzieren. Und das haben wir gemacht. Das hat dann lange gedauert, aber am Ende wurde dies umgesetzt. Da bin ich auch stolz darauf, dass wir die Distriktleitung dazu animieren konnten, sich mit zu beteiligen. Durch den Verein haben wir in Toloha weiterhin einen zweiklassigen Kindergarten mit Lehrerzimmer finanziert.
Werden dann auch Bedürfnisse in Nachbarorten geweckt?
Klaus Schäfer: Teils, teils. Aber wir können nicht überall etwas machen. Aber wir kommunizieren immer, dass das Dorf offen ist, wenn irgendwo Not herrscht. Die anderen Dörfer liegen viel näher an den Bergen und haben teilweise eigene Leitungen.
Wie sieht es mit der Bildung aus?
Klaus Schäfer: Bildung ist dort mit eines der größten Probleme. Grundsätzlich haben auch die kleinsten Dörfer eine Grundschule. Dies ist staatlich geregelt. Für die weitere Schulbildung ab der sechsten Klasse müssen die Kinder in die Secondary School. Probleme entstehen durch die Sprache. Die Landessprache ist Suaheli, welches in der Schule gelernt wird. Aber teilweise sprechen sie die Sprache nicht auf den Dörfern. Das Bildungssystem ist von den Engländern und ab der Secondary School und auf den Universitäten wird nur in Englisch unterrichtet. Dann müssen sie nochmal komplett eine neue Sprache lernen. Dies geht dann weiter, dass sie Konkurrenz zu Kenia haben, die von Anfang Englisch lernen.
Rosi Schäfer: Was ich gut finde – wenn Kinder gut in der Schule sind, dann finanziert der Staat die höhere Schulbildung sowie den Unterhalt. Aber der Staat bestimmt, auf welche Schule sie dann gehen, so dass sie aus ihren Dörfern weg müssen. Und die Studenten verpflichten sich nach dem Studium, einige Jahre für den Staat zu arbeiten.
Den Menschen eine Perspektive geben
Eure Projekte laufen immer unter dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“. Ihr schafft Strukturen, damit sich die Menschen dann selbst versorgen können.
Klaus Schäfer: Genau so sehe ich unsere Aufgabe und dies ist auch eine Vision von Daniel. Er will nicht ständig seine Leute bezuschussen, sondern sie befähigen, mehr und mehr auf eigenen Beinen zu stehen. Zum Beispiel mit der geregelten Wasserversorgung können sie einen eigenen Garten haben und die Felder bewässern. Dadurch haben auch die Frauen Freiraum gewonnen, um andere Aktivitäten wahrzunehmen, sei es nähen oder auf den Märkten etwas zu verkaufen. Das ist so ein wenig die Zielsetzung. Die Menschen in die Lage zu versetzen, für ihr eigenes Auskommen zu sorgen.
Setzt ihr Projekte um, die von den Menschen auch gewünscht werden? Immerhin haben wir andere Vorstellungen von einem glücklichen Leben wie die Menschen dort.
Klaus Schäfer: Ja, das schon. Wir müssen eher von uns aus unsere Ansprüche runterschrauben. Wir dürfen nicht auf die Wasserversorgung schauen und sagen, die ist sehr primitiv und ihr müsst noch immer zu den Entnahmestellen laufen.
Daniel war 2009 das erste Mal wieder unten, nachdem er zehn Jahre in den USA gewohnt hat. Daniel ist ausgebildeter Krankenpfleger sowie Epidemiologe und kam über die Greencard-Lotterie nach Amerika. Dort musste er sich erstmal etwas aufbauen. Zu dem Zeitpunkt wollte er eine kleine Klinik im Dorf bauen. Seine Leute haben ihm dann gesagt, dass die Idee schön und gut sei, aber vordringlich brauchen sie Wasser. Da hat Daniel erkannt, dass dies der primäre Bedarf ist. Die Klinik ist noch immer sein großer Traum, welche jetzt als größeres Projekt am Horizont steht. Doch durch die Wünsche der Menschen kam es zuerst zu den Wasserversorgungsprojekt. Als dies fertig war, haben sie richtig groß gefeiert. Im Dorf gibt es jetzt eine Wasserbenutzungsgruppe, welche die Verwaltung der Wasserstellen übernommen hat. Sie nehmen kleines Geld ein und bilden Rücklagen, damit auch Reparaturen durchgeführt werden können. Dafür gab es von uns auch keine Zuschüsse mehr. Das soll sich durch die Einnahmen selbst tragen.
Was ist das nächste große Projekt, welches ansteht?
Klaus Schäfer: Das ist tatsächlich die Klinik. Und es gibt die Idee, eine touristische Infrastruktur aufzubauen. Dies könnte die Menschen auch dazu animieren, in der Region zu bleiben und nicht wegzuziehen. Derzeit leisten wir Soforthilfe aufgrund der Corona-Pandemie. Das ist eine Überbrückungshilfe, bis sie wieder ihre Ernte einfahren können. Dies hatten wir vor zwei Jahren schon mal, als es eine große Überschwemmung gab.
Wie groß ist euer Verein?
Klaus Schäfer: Wir haben 23 Mitglieder. Meine Frau ist im Weltladen Limburg aktiv, die uns auch unterstützen. Verwandte und Bekannte sind auch Mitglieder und begleiten unsere Arbeit.
Welche Wünsche habt ihr für den Verein?
Klaus Schäfer: Natürlich haben wir weiterhin den Wunsch, bei unseren Projekten unterstützt zu werden. Ich will gar nicht riesengroß mit dem Verein werden. Aber ich möchte noch eine Zeitlang die Arbeit mit den amerikanischen Freunden und den Tansaniern machen. Ich möchte mithelfen, dass sich da unten etwas entwickelt und die Menschen eine Perspektive bekommen.
Spende von 4000 Euro
Anfang Juni startet Klaus Schäfer eine Hilfeaufruf, da die Menschen im tansanischen Dorf Toloha mit den Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen haben. Daraufhin erhielten sie eine großzügige Spende von 4000 Euro von der Dietrich Schmitz-Stiftung.
Dietrich Schmitz-Stiftung hilft Dorfgemeinschaft in Tansania
Als der Eschhöfer Ulrich-Maria Werner, Vorsitzender der gemeinnützigen Dietrich Schmitz-Stiftung mit Sitz in Töpen, Bayern, von der Notlage der Menschen in Toloha, Tansania, erfuhr, war ihm sofort klar, dass er mit seiner Stiftung helfen muss. Denn Zweck der seit 1999 bestehenden Stiftung ist, Menschen die unverschuldet in Not geraten sind zu helfen.
„Wir haben ja schon öfter mit finanzieller Unterstützung in Toloha geholfen,“ erklärte Ulrich Maria Werner, „als es galt die dortige Wasserversorgung zu erneuern und einen Kindergarten zu bauen. Nun sind viele Menschen in Toloha in eine unverschuldete Notlage geraten: In der letzten, heftigen Regenzeit wurden ihre Felder überschwemmt und danach durch Wildtier-Wanderungen zertrampelt. Dazu kommt, dass durch den weltweiten Lockdown aufgrund der Covid-19/Corona Pandemie vielen Bewohnern ihre Verdienstmöglichkeiten genommen wurden. Bevor die neue Aussaat geerntet werden kann, fehlen vielen Familien die nötigen Vorräte und das Geld um Lebensmittel auf dem Markt zu kaufen.“
„Wir werden im Land 100 Säcke Mais, Bohnen und weitere Grundnahrungsmittel einkaufen, per LKW nach Toloha bringen und dort an bedürftige Bewohner verteilen. Diese Maßnahme soll den am stärksten in Not geratenen Familien helfen die Zeit bis zur nächsten Ernte zu überbrücken.“, erklärte Klaus Schäfer, Vorsitzender des Vereins. „Wir bedanken uns für die schnelle und großzügige Unterstützung, die uns die Stiftung gewährt. Denn mit einer zweiten Lieferung sollen auch dringend benötigte medizinische Gerätschaften und Hilfsmittel zum Schutz vor der Corona-Ausbreitung in die Region geliefert werden.“.
