Klimawandel lokal – „Natur repariert alles“
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Der Klimawandel macht sich auf verschiedenen Ebenen bemerkbar. Am deutlichsten wird uns dies in den letzten Jahren beim Blick auf unsere Wälder und die Lücken, die dort entstanden sind.
Mit Mitarbeitern vom Hessen Forst in Weilburg sprach ich über die Situation der lokalen Wälder. Und auch wenn die Situation in den Wäldern gerade alle Ebenen – von den Forstmitarbeitern über die Kommunen bis hin zum Land – alle vor eine große Herausforderung stellen, sehen meine Interviewpartner das Ganze nicht so schwarz, sondern blicken optimistisch in die Zukunft. Denn sie sind fest davon überzeugt: „Die Natur repariert alles!“
Keine Schwarzmalerei
Den hessischen Wäldern geht es nicht gut. Dies zeigt der Waldzustandsbericht des Landes Hessen für 2021, in den ich gestern einen Blick warf. Dennoch möchten Dr. Hendrik Horn, Forstamtsleiter HessenForst in Weilburg, Bernd Kleindopf und Johannes Türk, beide Revierleiter nicht schwarz sehen. Sie sehen ihre Arbeit vor großen Herausforderungen sowie auch Veränderungen. Die Wälder werden sich zukünftig durchmischen, auf sie selbst kommen ganz andere Aufgaben zu, aber am Ende sind sie sich sicher, dass die Anpassung des Waldes an die neuen Bedingungen funktionieren wird. Ihre Aufgabe sehen sie darin, den Wald bei diesem Wandel zu unterstützen.
HessenForst bewirtschaftet in ganz Hessen 342.000 Hektar der 892.000 Hektar Waldfläche. Davon galten Ende 2020 eine Fläche von 25.000 Hektar als Schadfläche. Die wichtigste Aufgabe sehen die HessenForst-Mitarbeiter in dem Umgang mit dieser Schadfläche. Dabei ist es nicht einfach damit getan, dort nachwachsen zu lassen, was eben kommt. Dieser Prozess wird als Sukzession bezeichnet. Dies ist der schrittweise Wiederaufbau eines geschädigten Ökosystems. Entweder wachsen Brennnesseln, Brombeeren und andere Unkräuter, die über acht bis neun Jahre kein Kohlendioxid binden, so Bernd Kleindopf. Und auf einer ehemaligen Fichtenschonung befinden sich nur Fichtensamen und wenn diese ungehindert wachsen, steht man in ein paar Jahren vor der gleichen Situation wie jetzt. Und Monokulturen sollen zukünftig verhindert werden.
Standortgerechte Strategie
Auf den Schadflächen sollen möglichst bald wieder Bäume wachsen, die CO2 speichern. Aber der neue Wald soll vielfältiger, widerstandsfähiger und anpassungsfähiger sein als die bisherigen Wälder im Landkreis. Die Ausgangssituation gestaltet sich bei jedem Waldstück anders und so ergeben sich für die Forstleute drei Elemente, nach denen sie eine standortgerechte Strategie wählen.
Zum einen können sie die Natur machen lassen. Das eignet sich an den Standorten, wo bereits rund um die Schadfläche Bäume stehen, die in ihrer Mischung im Klimawandel standortgerecht sind. Die unterschiedlichen Mutterbäume liefern neuen Samen, der sich verteilt. Dies kommt vor allem bei kleineren Schadflächen vor und aus dem umliegenden Mischwald kann auf dieser kleinen Fläche sich ein Mischwald entwickeln.
Sie können auch ganze Flächen wiederbewalden, wo klimastabile Mischbestände angepflanzt werden. Hierbei wollen sie vor allem auf Eichen, Ahorn, Linden, Kirschen, Eisbeeren, Tannen und Douglasien setzen. Diesen Bereichen kommt eine besondere Pflege zu, denn auf Jahre müssen die Bäume immer wieder freigeschnitten und vor Wildbiss geschützt werden.
Die dritte Ebene sind bereits neu vorhandene Waldgenerationen, welche eine gute Mischung an Bergahorn, Birken, Lärchen und Fichten aufweisen, aber sich an manchen Stellen mit der natürlichen Verjüngung schwer tun. Da ergänzen die Mitarbeiter den Bestand mit Spitzahornen, Roteichen, Kirschen und Douglasien, um den Wald in Zukunft klimarobuster zu machen. Insgesamt ist es den Forstmitarbeitern daran gelegen, weniger großflächig anzubauen, sondern den Fokus auf viele Mikrostandorte zu legen und somit das Risiko zu verteilen. Die Bekenntnis zu dem durchmischten, kleinflächigen Wald ist zudem ein klares Bekenntnis zu mehr Arbeitseinsatz. Dies alles führt auch zur finanziellen Frage.
Wald als Wirtschaftsfaktor
Für die Kommunen war der Wald bisher immer auch ein großer Wirtschaftsfaktor. Im jährlichen Haushalt floss die Waldwirtschaft als Gewinnposten mit rein. Dies hat sich in den letzten Jahren geändert. Inzwischen müssen die Kommunen mehr in den Wald investieren als wie sie aus ihm herausbekommen. Dennoch weisen die Forstmitarbeiter auf zwei Dinge hin. Zum einen ist heimisches Holz sehr nachhaltig und bei der richtigen Bewirtschaftung sehr klimaneutral, zum Bauen heimisches Holz zu nutzen. Zum anderen hat HessenForst nie immer nur auf die Wirtschaftlichkeit geschaut, sondern den Wald immer als Ganzes gesehen. Dennoch stimmen sie zu, dass ein Umdenken stattfindet. Es geht nicht mehr darum, wieviel Geld aus dem Wald erwirtschaftet werden kann, sondern wieviel Geld in einen klimarobusten Wald investiert werden muss. Doch den Hessen liegen ihre Wälder am Herzen und auch das Land Hessen stellt erhebliche Fördermittel bereit, damit diese Aufgabe bewältigt werden kann.
Den Forstleuten fehlen aber nicht unbedingt die finanziellen Mittel, um die zukünftigen Aufgaben umzusetzen. Problematisch ist im Moment noch mehr die Verfügbarkeit von Pflanz- und Saatgut. Und es geht nicht nur darum, neue Bäume anzupflanzen. Die Flächen mit Jungwuchs sind sehr pflegeintensiv über einige Jahre, was zusätzliche finanzielle Mittel bedarf. So muss man sich in Zukunft nicht die Frage stellen, was uns der Wald bringt, sondern was uns der Wald wert ist und dies muss auf verschiedenen Ebenen beantwortet werden.
Finanzielle Herausforderung
Neben den finanziellen Mittel ist ein weiteres klares Bekenntnis das Investment in die Ausbildung. In Weilburg bilden sie Forstmitarbeiter für ganz Hessen aus. Statt 120 Ausbildungsplätze gibt es inzwischen 180 Plätze. Und selbst mit dieser Anzahl an Plätzen können sie die Nachfrage nicht auffangen. „Es ist ein Beruf mit Zukunft“, so Forstamtsleiter Dr. Hendrik Horn, „Wir fangen jetzt erst an.“ Und der Bedarf an Mitarbeitern ist vorhanden.
Durch die Trockenheit befindet sich viel Totholz in den Wäldern, was den Wald auch gefährlicher macht. So nahm die Arbeit in der Wege- und Verkehrssicherung in den letzten Jahren stark zu. Vor allem an öffentlichen Straßen, Bahngleisen und Waldparkplätzen werden keine Kompromisse gemacht und Schadholz entnommen, bevor es zu Unfällen kommt. Reguläre Einschläge gibt es aktuell keine. Und da man einem Baum nicht immer direkt einen Schaden ansieht, kann sich der Vitalitätszustand innerhalb von Wochen sehr schnell verändern, so Johannes Türk. Die Natur habe eben eine eigene Dynamik.
Aber die Forstmitarbeiter sind sich einig, dass die Anpassung in den Wäldern gelingen wird. Bereits in der Vergangenheit konnten sie immer wieder beobachten, dass sich Bäume an eine Situation anpassen, wenn sie dieser über eine längere Zeit ausgesetzt sind. Dennoch können sie nicht vorhersagen, wie der Wald zukünftig reagieren wird. Keiner könne stand heute genau vorhersagen, welche Baumarten zu den Verlierern und welche zu den Gewinnern des Klimawandels gehören werden. Daher setzen sie bei ihrer Arbeit auf eine horizontale sowie vertikale Durchmischung in den Arten wie auch im Alter der Bäume.
Generationenübergreifende Aufgabe
Ebenfalls auf eine Durchmischung der Wälder setzt Andreas Bolte, Professor für Waldökologie und Leiter des Thünen-Instituts für Waldökosysteme. Die Durchmischung von Wäldern sei der beste Weg, um dem Klimawandel zu begegnen. Forschung mit verschiedenen Arten, auch Exoten unterstützt er. Doch es sei wichtig, die heimischen Arten nicht aus dem Blick zu verlieren. Zudem weist er darauf hin, dass alle Bemühungen intensiviert werden müssen. Es sei eine Generationenaufgabe. Bis 2050 müssten 95.000 Hektar pro Jahr umgebaut werden. Derzeit liegen wir bei rund 22.000 Hektar. Dies verursache Kosten von 13 bis 43 Milliarden Euro. Aber dies sei notwendig, um auch in Zukunft Wälder als Erholungsort zu haben, aber auch als Kohlendioxid-Binder, Erosionsschutz und für den Wasserhaushalt. Dabei setzt er darauf, dass diese Prozesse unter wissenschaftlicher Beratung und Monitoring laufen.
Jedoch führt er im Interview auch aus, dass es aus Expertensicht derzeit kein Waldsterben gibt, auch wenn es seit 2018 soviel Schadholz gibt. 15 Prozent vom gesamten Volumen an Fichtenholz sei Schadholz. „85 Prozent stehen noch und sind intakt“, so Bolte. Doch wenn dass Niveau der letzten drei Jahre bestehen bleibt, sind alle Fichten in 25 Jahren abgestorben. Dennoch findet er es ganz wichtig, dies auch entsprechend einzuordnen, ohne die Situation zu verharmlosen.
Bereits vor den Trockenjahren habe sich der Wald stark verändert. Seit 30 Jahren findet eine sogenannte Waldumwandlung statt, es werden mehr Mischbestände angepflanzt und die Flächen nachhaltig bewirtschaftet. Es bestand bis zu den Trockenjahren ein Gleichgewicht zwischen dem produzierenden und dem herausgenommenen Holz. Zudem werden die Wälder immer Laubbaum reicher und die Nadelbaumbestände nehmen ab. Da aber inzwischen nicht mehr nur die Wälder mit Stürmen und Orkanen kämpfen müssen, sondern auch mit Trockenheit und massiven Schädlingsbefall, ist in seinen Augen ein weiterer Umbau der Wälder hin zu klimarobusten Ökosystemen notwendig.