Kreistagsgeflüster – Erste Enttäuschungen und Misstöne
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Kreisgeflüster – ein neues Format mit dem Geschehen rund um dem Kreistag Limburg-Weilburg. Ein Blick von der Seitenlinie auf das kommunalpolitische Gremium.
Der Kreistag hat sich konstituiert für die neue Legislaturperiode. Erste Enttäuschungen und Misstöne könnten Vorspiel für das Kommende sein.
Die Presse sitzt im Saal am rechten Rand, direkt hinter den Linken und den Grünen mit Blick auf das gesamte Gremium. Von hier aus bekommen wir alles mit. Und sind für jeden zu finden, der mit uns sprechen möchte. Daran hat sich auch in der neuen Legislaturperiode nichts geändert. Alles beim alten? Nein! Vor der Stadthalle hatte jeder Teilnehmer an der konstituierenden Kreistagssitzung die Gelegenheit, einen Schnelltest machen zu lassen, wenn er noch keinen Nachweis hatte, negativ zu sein. Erhöhte Hygienevorschriften bestimmten das Bild. Nicht ein Rednerpult für alle, sondern einzelne Mikrofone für die Fraktionssprecher. Und die AfD saß hinter Plexiglasscheiben. Denn die Vertreter der AfD weigerten sich, einen Schnelltest zu machen.
AfD verweigert Schnelltest
Dafür fand der einstimmig wiedergewählte Kreistagsvorsitzende Joachim Veyhelmann (CDU) auch klare Worte. Er bedauerte es, „dass sich einige auch ideologischen, egoistischen Gründen ausgrenzen.“ Es sei eine Frage des Anstandes, des Respektes und der Vorbildfunktion, wie gewählte Kommunalpolitiker auftreten. Das Verhalten der AfD zeuge davon, dass ihnen egal ist, ob sie die Gesundheit ihrer Mitmenschen schädigen. Dies würde die Arbeit des Gremiums beeinträchtigen. Insgesamt warb Veyhelmann für ein gemeinsames, konstruktives Arbeiten mit gegenseitigem Respekt und Miteinander, um den Landkreis weiterhin lebens- und liebenswert zu gestalten.
SPD-Kommunalpolitikerin Viktoria Spiegelberg-Kamens fand für das Verhalten der AfD auch klare Worte. „An der Schnelltestverweigerung der AfD-Fraktion bei der heutigen Kreistagssitzung Limburg-Weilburg sieht man, wie eng Rechtsextremismus mit Verschwörungserzählern und Coronaleugnern verwoben ist“, schreibt sie in einem Facebook-Beitrag. Darin erklärt sie auch, dass ein Ausschluss der AfD von der Sitzung nicht so einfach gewesen wäre. Dies habe die AfD-Fraktion provoziert, denn dann hätte sie alle Wahlen juristisch angreifen können.
Noch ein interessanter Fakt am Rand: zukünftig werden sich bei allen Abstimmungen die Zuhörer an einen Namen gewöhnen müssen, nämlich an „Herr Fries“. Bereits bei der konstituierenden Sitzung gab es einen kleinen Vorgeschmack darauf, wenn Veyhelmann eine Abstimmung verkündete: „Alle Parteien und Herr Fries“. Herr Fries ist Alexander Fries aus Weilburg. Über die AfD-Liste wurde er in den Kreistag gewählt, ist nun aber fraktionslos. Warum dies so ist, dazu wollte sich die AfD nicht äußern.
Erste Enttäuschungen
Noch bevor es in die eigentliche Tagesordnung ging, gab es erste Enttäuschungen. Die FDP beantragte das Einsetzen eines Ausschuss zur Akteneinsicht, um die Verwendung des knappen Impfstoffes in den ersten drei Monaten. Zwar habe sich der Landrat Michael Köberle in der letzten Kreistagssitzung dafür entschuldigt, dass er am Neujahrstag bereits die Impfung erhielt, doch laut FDP seien noch viele Fragen offen. Mit den Stimmen der CDU und SPD wurde dieser Antrag von der Tagesordnung abgesetzt, verbleibt jedoch im Geschäftsgang und kommt das nächste Mal auf die Tagesordnung.
CDU-Fraktionssprecher Christian Wendel möchte vor Behandlung erstmal rechtliche Fragen klären. Er möchte vorschnelle Entscheidungen vermeiden, die rechtliche dann nicht haltbar seien. Dr. Klaus Valeske (FDP) sah darin direkt eine Taktig etwas „zu verschleppen und zu verzögern“, wo doch Transparenz für die Bevölkerung das Wichtigste sei. „Ich frage mich, was in den Akten alles drin steht und verschwiegen werden soll!“, so Valeske. Sabine Häuser-Eltgen (Bündnis 90/Die Grünen) wie auch Bernd Steioff (Die Linken) plädieren für eine Aufklärung, auch im Namen der Demokratie, aber die Polemik gehöre nicht in den Kreistag. Valentin Bleul (FWG) übte Kritik Richtung Kreisverwaltung, dass eine Stellungnahme auf einen Antrag, der seit drei Wochen vorliege, erst am Abend vor der Sitzung komme und somit keine Zeit bliebe, ausführlich dazu zu beraten.
„Ist das Demokratie?“
Auch ein weiterer Antrag der FDP zur Aufhebung der Ausgangssperre wurde von der Tagesordnung genommen. In all den Jahren im Kreistag habe es das noch nie gegeben, dass zur konstituierenden Sitzung auch Anträge eingebracht wurden, äußerte sich Dr. Frank Schmidt (SPD). Über die Ausgangssperren würde inzwischen mit der Bundesnotbremse der Bundestag entscheiden und „wir werden es nicht schaffen, im Kreistag die Bundesgesetzgebung auszuhebeln.“ Dr. Klaus Valeske sieht eher eine Signal für die Bevölkerung, wenn sich der Kreistag mit dem Thema beschäftigen würde, vor allem auch unter dem Aspekt, dass sich Verordnungen schneller wechseln, „als wie manche Leute die Hemden wechseln.“ Gegen die Stimmen der AfD und FDP sowie Enthaltung der Linken wurde der Antrag von der Tagesordnung genommen.
Auf Twitter äußerten sich die FDP-Politiker enttäuscht zu dem Vorgang.
Unfassbar! In der 1. Sitzung des Kreistag #limburgweilburg bügelt die Große Koalition aus CDU/SPD alles was unbequem ist ab! Akteneinsichtsausschuss zu Impfstoff, Debatte um die Ausgangssperre- mit fadenscheinigen Gründen von der Tagesordnung genommen. Ist das Demokratie? #ktlw
— Marion Schardt-Sauer (@SauerSchardt) May 7, 2021
Fassungslos. Anträge werden von der Tagesordnung abgesetzt, weil sie inhaltlich und politisch nicht passen. Man kann ja unterschiedlicher Meinung sein, aber dann kann man das in der Debatte austragen. #ktlw
— Tobias Kress (@tobiaskress) May 7, 2021
Wunsch nach Wertschätzung der Arbeit
Enttäuschend war die erste Sitzung in der neuen Legislaturperiode auch für die zwei Kommunalpolitiker der Linken. Diese beantragten eine Erhöhung der Sitze im Kreisausschuss sowie den Ausschüssen von 13 auf 14, um auch als stimmberechtigte Mitglieder in diesen Gremien mitwirken zu können. Sie bilden leider keine Fraktion, welche erst ab drei Vertretern möglich ist. In den Ausschüssen waren sie in der letzten Legislaturperiode zwar als beratende Mitglieder geduldet, durften aber nicht mit Abstimmen. Zumal ihre Anwesenheit zu keiner Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse führen würde.
Bernd Steioff begründete diesen Antrag, dass es für die eigene Arbeit frustrierend sei, wenn man sich für ein Thema einsetzt und dann nicht mit abstimmen darf. Dies sei dann für die Bürger, die die Linken gewählt haben, nicht ersichtlich, wie die Partei zu einem Thema stehe. In seinen Augen wäre dies eine Wertschätzung für die Arbeit der kleinsten Fraktion im Parlament und fair für die Minderheiten.
Zustimmung erhielten die Linken für ihren Antrag von der AfD und den Freien Wählern. Valentin Bleul geht noch einen Schritt weiter. Er möchte nicht nur den Linken eine Stimme in den Ausschüssen geben. Er regte zudem an, dass bei den Vorsitzenden der Ausschüsse alle Fraktionen vertreten seien und nicht nur SPD und CDU die Posten unter sich verteilen. Dies sei sein Verständnis von Demokratie und werde auch im Bundestag so gehandhabt. „Wir sprechen hier von Demokratie und dies sollte auch spiegelbildlich in den Ausschüssen dargestellt sein“, so Bleul. Mit den Stimmen der Grünen, CDU und SPD sowie Enthaltung der FDP wurde dieser Antrag abgelehnt und die Ausschüsse bleiben bei 13 Sitzen und ohne Stimmberechtigung für die Linken.
Ausblick auf die Legislaturperiode
Auch wenn andere Kooperationen möglich gewesen wären, entschieden sich CDU und SPD zu einer weiteren Zusammenarbeit in der neuen Legislaturperiode. Dies wurde an der einen oder anderen Stelle kritisiert. Zudem scheint es, dass die AfD sich in der neuen Legislaturperiode mehr einbringen möchte. Meldete sie sich in der letzten Periode kaum zu Wort, waren sie bereits jetzt aktiver. Zweimal unterstützten sie dabei einen Antrag der Linken. Da wird sich noch zeigen, wie sich dies entwickelt. Hat doch die Linke in einem Gespräch zur Vorstellung ihres Wahlprogramms ganz klar gesagt, sich gegen rechts abzugrenzen. Natürlich können sie nichts dafür, wenn die AfD ihre Bemühungen unterstützt, doch ein Blick darauf kann nicht schaden.
Zudem dürfte es interessant bleiben, ob diese ersten Misstöne wieder verschwinden oder als Grundrauschen vorhanden bleiben. Zu sehr hat sich in den letzten Jahren bei den kleineren Oppositionsparteien ein Frust gegen die große Koalition aufgebaut.
Noch ein kleiner Tipp am Rande: wer an den Tagen der Kreistagssitzungen ein wenig Kreistagsgeflüster erleben möchte, sollte auf Twitter dem Hashtag #ktlw folgen. Mal witzig, mal satirisch, mal mit Einblicken in die Abstimmungen ist dies eine interessante Ergänzung zu den ganzen anderen Beiträgen auf Facebook und Instagram.
Weitere Artikel findet ihr in der Nassauischen Neuen Presse, Mittelhessen sowie als Pressemitteilung der Kreisverwaltung
NNP: Einstimmiges Votum für Joachim Veyhelmann
Mittelhessen: Limburg-Weilburg hat eine neue „Kreisregierung“, Ab Montag werden Biotonnen kontrolliert
Kreisverwaltung: Der neue Kreisausschuss des Landkreises sowie Erster Kreisbeigeordnete macht Kontrollen der braunen Tonnen aufmerksam (mit Hinweisen, was in die braune Tonne gehört)
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