Kritik am Mehrwegsystem für den Kaffee-to-go
Inhaltsverzeichnis
Die Einführung eines Mehrwegsystems für den Kaffee-to-go beschäftigt Gastronomen, Bäckereien und die Politik. Das Thema ist schon einige Jahre alt, hat mit der Pandemie und damit auftretenden überfüllten Mülleimern an neuer Brisanz gewonnen.
Zwei Faktoren spielen bei den Überlegungen zur Einführung eines Mehrwegsystems to-go eine Rolle. Zum eine ist es die Vermeidung von Müll, der durch die ganzen Kaffeebecher-to-go entstehen. Zum anderen ist es auch das Verbot vom 3. Juli 2021, keine Wegwerfprodukte speziell aus Plastik oder wie im to-go-Bereich aus Styropor mehr in den Umlauf zu bringen.
Daher engagieren sie seit einiger Zeit nicht nur die Gastronomen für die Einführung eines Mehrwegsystems. Auch die SPD Limburg und Elz beschäftigen sich mit dem Thema und wünschen sich eine politische Unterstützung. Doch nicht jeder begrüßt die Einführung eines Mehrwegsystems, sondern es gibt auch Kritik daran.
Einblick Mehrwegsystem
Auch wenn es mehrere Mehrwegsysteme gibt, haben sich in Limburg bereits einige Gastronomen für das Mehrwegsystem von Recup entschieden. Und ein Mehrwegsystem funktioniert umso besser, je mehr sich daran beteiligen. Denn mit einem Becher können dann die verschiedenen Betriebe besucht werden. Recup ist ein deutschlandweites Pfandsystem und ist bereits in über 6.000 Ausgabestellen zu erhalten.
Der Nutzer muss nur einen Deckel für 1,50 Euro kaufen, der in seinem ständigen Besitz bleibt. Den Becher bekommt er in einer Ausgabestelle gefüllt und nimmt ihn für einen Euro Pfand mit. Somit kann das Getränk überall in der Stadt genossen werden. In der nächsten Ausgabestelle wird der Becher wieder abgeben und es gibt das Pfand zurück. Das Unternehmen wirbt damit, dass ein Recup bis zu 1.000 Einwegbecher ersetzt. In den Spülmaschinen der Gastrobetriebe wird er wie Geschirr in der Spülmaschine gereinigt. Der Becher ist zu 100 Prozent recycelbar und schadstofffrei.
Kritik am Mehrwegsystem
Bäcker Ingmar Hensler hat einige Bedenken gegen das System. Bei den Einwegbechern hat jeder die Möglichkeit, die Becher mit seinem eigenen Branding zu versehen. Dies wäre im Mehrwegsystem nicht mehr möglich. Dabei ist dies eine Möglichkeit für jeden Bäcker oder Gastronomen, für sich zu werben. Zudem müsste sich auf eine Größe geeinigt werden. Bei der Bäckerei Hensler erhält der Kunde derzeit sein Getränk in einem 0,3 Liter Becher. „Muss ich die 0,2 Liter Becher der anderen Geschäfte dann auch zurücknehmen?“, ist eine Frage, die er sich stellt.
Auch die Verteilung stellt er in Frage. Es ist ja nicht nur so, dass ein Kunde eventuell bei ihm einen Kaffee kauft und den Becher in Limburg bei einer anderen Anlaufstelle zurückgibt. Manche nehmen den Becher auch mit nach Hause und was ist mit den Touristen in Limburg? Alles Fragen, die ungeklärt bleiben. Und dabei muss jeder Lizenznehmen erstmal rund 5 Euro in einen Mehrwegbecher finanzieren. Diese Kosten sind jedoch nicht einfach an die Kunden weiterzugeben.
Und dann geht es ja nicht nur darum, dass er die Mehrwegbecher ausgibt. Wenn Becher bei ihm abgegeben werden, muss er diese spülen. In seinen Augen auch ein Punkt, welcher bei der Ökobilanz eine Rolle spielt. Und zudem müsste er spätestens jetzt eine Spülmaschine anschaffen und bräuchte Lagerfläche. „Spätestens beim Platz ist bei mir Ende“, so Hensler. Ein weiteres Problem ergibt sich durch die Deutsche Lebensmittel-Hygiene-Verordnung. „Bei uns gilt die generelle Regel, es wandert nichts über die Theke zurück“, so Hensler, „daher ist es gar nicht so sicher, ob wir Mehrwegtassen überhaupt zurücknehmen dürfen.“
Politischer Aktionismus
Und zum Ende führt er an, dass er in der jetzigen Pandemie auch nicht auf ein solches System setzen würde, denn er möchte seinen Mitarbeiterinnen nicht zumuten, ständig mit Bechern zu hantieren, die kontaminiert sein könnten. Dies sind alles Punkte für ihn, die gegen ein Mehrwegsystem sprechen. Und da hat er noch nicht darüber gesprochen, dass es nicht kostenneutral ist. Die Kassen bräuchten ein Softwaresystem zur Verwaltung der Becher, die Tassenlogistik muss verwaltet werden und es bedarf einen Manager, der sich darum kümmert, dass alle Teilnehmer immer Becher zur Verfügung haben, ohne ständig neue Becher kaufen zu müssen.
Abschließend sagt er: „Ein Verbot für Plastikeinwegbecher gibt es bereits. Für die Deckel werden Alternativen gesucht. Diese Ökobilanz muss erstmal geschlagen werden.“
Neben all den Fakten, die für ihn gegen das Mehrwegsystem sprechen, kann er den politischen Aktionismus in der aktuellen Ausnahmezeit, wo es zeitweise nur Kaffee-to-go gab und keine geöffnete Gastronomie, absolut nicht verstehen.
Bessere Ökobilanz?
Ebenfalls mit dem Thema beschäftigte sich Dominique Huth von der Bäckerei Huth. Bereits 2019 kritisierte er die Kosten, welche in einem solchen Mehrwegsystem stecken würden und diese Meinung hat er auch heute noch. In der aktuellen „Zeit für Brot“ beschäftigt er sich genauer mit dem Thema und fragt nach, ob „Öko-Lüge oder sinnvoll?“. Die Einwegbecher für den Kaffee-to-go machten nicht mal ein Gramm pro Kilogramm anfallenden Hausmülls aus. Betrachtet man die gesamte Ökobilanz eines Mehrwegbechers von der Herstellung über die Nutzung mit Spülen und Wiederverwendung bis hin zu Recycling, dann gewinnen die Mehrwegsysteme nicht unbedingt gegenüber den Einwegsystemen. Für ihn als Bäcker würde dies im Jahr 5,30 Euro pro Becher mehr an Kosten bedeuten. Für ihn als Bäcker wäre ein solches Angebot nicht finanzierbar, ohne die Kosten an die Verbraucher weiterzugeben.
Nassim Schäfer, Inhaberin Limburger Kaffeerösterei, wirbt seit einiger Zeit für den Becher und sucht weitere Teilnehmer. Aus ihrer Erfahrung weiß sie, dass das System umso besser läuft, je mehr sich daran beteiligen. Eine Mitarbeiterin von ihr habe eine gute Erkenntnis gehabt. „Der Preis spielt keine Rolle für den Becher, sondern einzig allein die Bequemlichkeit der Kunden. Der Kunde muss es so einfach und bequem wie möglich haben, diesen Becher zu entsorgen oder zu beschaffen.“ Derzeit sind es vier Unternehmen, die sich in Limburg am Mehrwegsystem beteiligen. „So wird es nicht funktionieren“, so Schäfer.
Bäckereien als Beschleuniger
Die Mehrwegbecher liefen sehr gut, als die Öffnungszeiten eingeschränkt waren. Doch seitdem die Gastronomie wieder geöffnet hat, hat Schäfer die Erfahrung gemacht, dass ihre Kunden lieber zu Einweg greifen oder ihren Kaffee direkt in der Porzellantasse vor ihrer Kaffeerösterei trinken. Um dem Mehrwegsystem eine Chance zu geben, dürfte es nur noch dieses geben. Aber dann müsste sie ständig Becher nachkaufen, wenn diese nicht in ihr Geschäft zurückkommen. Ein Einstellen des Systems wäre für sie kein Fortschritt. „Dann hat man keinen Zentimeter nach vorne gewonnen, sondern haushoch dem Müllberg nachgegeben.“
Sie würde gerne mal wissen, welche Alternativen die Kritiker vorschlagen. Die meisten Gastronomen besitzen bereits eine Spülmaschine, die heiß und schnell laufen, so dass keine extra Spülmaschine angeschafft werden muss. Und sie äußert ihre Enttäuschung: „Ich persönlich bin enttäuscht. Da hat man so einen Aufschrei in der Politik im Lockdown vernommen bezüglich des Abfalls überall. Dann machen wir etwas auf eigene Kosten in einer Zeit, wo jeder Cent für uns wichtig ist und werden so im Stich gelassen mit den Lizenzen.“
Unterstützung von der Politik gewünscht
Die Politik hätte finanziell bei den Lizenzen unterstützen oder einen Fonds einrichten können, damit kleinere Unternehmen für die Einführung des Mehrwegsystems unterstützt werden können. Nur durch die politische Unterstützung sei eine flächendeckende Einführung möglich. Gerade die Bäcker könnten ein großer Beschleuniger in dieser Sache sein, ist sie sich sicher. Aber Limburg wolle anscheinend nicht Vorbild und Vorreiter sein. Die Entscheidung liegt jetzt nicht bei ihr, sondern bei den Bäckereien und der Stadt. „Aber dann darf man sich auch nicht wundern über die Abfallberge oder sich Strafen überlegen wegen überfüllter Mülleimer.“ Am Ende ist sie der Meinung, dass der Kunde bequem ist und umerziehen gelingt nur mit Vorteilen und Bequemlichkeit.
An Recup selbst stellte ich einige Fragen, die das Unternehmen bisher nicht beantwortet hat. Das Unternehmen vergleicht die Einführung des Recup-Systems finanziell mit Einwegbechern. Bei 9 Cent für einen Einwegbecher müsste der Lizenznehmer 12 Getränke im Recup-Becher verkaufen und würde dann Kosten sparen. Ich wollte wissen, wie hoch die Gesamtkosten sind, wenn Lizenz und Spülen mit reingerechnet werden. Zudem fragte ich nach der Ökobilanz eines Bechers von der Herstellung bis zum Recycling. Falls es noch Antworten gibt, werde ich diese natürlich veröffentlichen.