Lahn ja, Tourismus vielleicht – Respektvolles Miteinander

Die einen möchten die Mitmenschen für die Natur sensibilisieren, die anderen den Bootstourismus reglementieren. Und den dritten wäre es am liebsten, wenn es gar keinen Lahntourismus mehr gebe. Dass dies alles nicht so einfach ist, zeigte sich bei den Nachfragen bei den verschiedenen Stellen.

Die Lahn ist ein wunderschönes Ausflugsziel, nicht nur für die Menschen direkt in der Region. Vor allem im letzten Jahr war so viel auf und an der Lahn los, dass sich neben dem lukrativen Lahntourismus auch die Schattenseiten gezeigt haben. Bevor die Saison in diesem Jahr wieder richtig beginnt, wollten Kirschhöfener Anwohner nochmal auf die Situation vor Ort aufmerksam machen.

Lahn = Landschaftsschutzgebiet

Die Lahn gehört zum Landschaftsschutzgebiet Auenverband Lahn-Dill. Hierbei handelt es sich um ein 4.500 Hektar großes Schutzgebiet in den Landkreisen Gießen, Lahn-Dill sowie Limburg-Weilburg. Eine Verordnung regelt das Verhalten an und auf dem Gewässer. Ziel der Verordnung ist es, den typischen Charakter der Talauen von Lahn und Nebenbächen als Lebensstätte für Tiere und Pflanzen zu erhalten und zu entwickeln. Unter anderem ist in dieser Verordnung auch geregelt, wo Boote ins Wasser gelassen werden und wo die Touristen mit ihren Booten anlegen dürfen.

Die Realität sieht leider anders aus. Die erlaubten Anlegestellen sind überfüllt und so legen die Wassersportler überall an, wo es ihnen möglich erscheint – flache, freie Uferbereiche. Diese Erfahrung machen auch zunehmend die Anwohner in Kirschhofen. Auf einem Uferbereich, „Am Kies“ genannt, landeten die Kanuten im letzten Jahr vermehrt an, machten eine Pause und hinterließen Müll, verrichteten ihre Notdurft und alles war durch eine zunehmende Lautstärke begleitet. Je höher der Alkoholpegel, umso lauter die Touristen. Beim wilden Anlegen zerstören die Wassersportler die Uferökologie, Seerosen werden abgerissen, in die Natur eingegriffen. Und nicht nur vom Wasser aus erfolgte der „Überfall“ auf die Ufer. Auch der Tourismus an der Lahn habe zugenommen. Der Radweg ist überfüllt und mit dem Auto kommen die Besucher, fahren bis an das Ufer heran und machen sich dann breit, berichten Bewohner bei einem Rundgang. Bevor die Saison richtig losgeht, möchten sie darauf aufmerksam machen.

„Am Kies“ zum Anlegen verboten, aber oft dafür genutzt

Unterschiedliche Wünsche

Die Wünsche sind dabei sehr unterschiedlich. Olaf Kiefer würde den Lahntourismus am liebsten verbieten und den Uferbereich in Kirschhofen für alle sperren, so dass nur die direkten Anwohner diese nutzen können. Dies ist leider nicht möglich. Findet eine Sperrung statt, so wird das Ufer für alle gesperrt, auch für die Anwohner, weiß Hartmut Orendi. Er sieht eher eine Chance, die Bootsverleiher mit einzubeziehen und darüber etwas zu erreichen. Diese müssen noch stärker über die Verordnung aufklären und aufzeigen, was geht und was nicht.

Derzeit befahren rund 150.000 Bootsfahrer seiner Schätzung nach pro Jahr die Lahn. Er würde sich wünschen, dass hier regulierend eingegriffen wird. Zudem sollten entlang der Lahn mehr Toiletten errichtet werden, um wildes pinkeln zu vermeiden. Eine Möglichkeit hierfür sei das Jugendhaus am Sportplatz, keine 200 Meter von der Lahn entfernt, in dem sich sanitäre Anlagen befinden. Als drittes fordert er mehr Kontrollen der Verordnung. „Alkohol ist im Boot nicht erlaubt und dennoch wird getrunken“, so Orendi, „keiner kontrolliert das. Vor allem am Wochenende müssen Kontrollen stattfinden.“
Doreen Reifenberg appelliert für einen nachhaltigen Tourismus. „Wir sollten nicht nur Stadtführungen anbieten, sondern Naturführungen“, so Reifenberg. So sei es möglich, ein Bewusstsein bei den Menschen für die Natur zu wecken. Mit dem richtigen Bewusstsein würde sich die Menschen verstärkt für den Erhalt der Natur einsetzen. „Nur in der Gemeinschaft gelingt dies“, ist sie sich sicher.

In Seerosen darf nicht reingefahren werden

Lahn als Bundeswasserstraße

Bereits im letzten Jahr war der Lahntourismus Thema in Kirschhofen. Es war eine größere Runde mit dem Bürgermeister Dr. Johannes Hanisch, dem Landrat Michael Köberle, dem Wasser- und Schifffahrtsamt sowie der Naturschutzbehörde geplant, doch aufgrund Corona wurde dies immer wieder geschoben. Zudem kommt hinzu, dass die Lahn eine Bundeswasserstraße ist und somit Bundeseigentum. Da haben die Stadt und der Landkreis wenig Handhabe. Und so weist die Stadt Weilburg auch darauf hin, dass sie selbst den Verkehr auf dem Fluss nicht beeinflussen kann. „Die Lahn ist Bundeswasserstraße und obliegt damit der Verantwortung der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Kontrollen auf der Lahn liegen in der Zuständigkeit der Wasserschutzpolizei“, so eine Antwort auf die Anfrage, ob die Stadt etwas gegen eine überfüllte Lahn tun kann.

Auch wenn es nicht in der Verantwortung der Stadt Weilburg liegt, möchte der Bürgermeister in den nächsten Tagen ein Gespräch mit allen Kanuverleihern führen, um über das Fehlverhalten von einzelnen Bootstouristen zu sprechen. Dabei stehen die Kommunikation der geltenden Regeln sowie eine gemeinsame Lösung zur Anlandung der Kanus an der Stelle des „Kies“ in Kirschhofen zu suchen, im Fokus. Allerdings seien die Touristen, welche die Lahn mit ihrem privaten Kanu befahren, nur schwer zu erreichen.
Im letzten Jahr kam die Idee auf, einen Kiosk mit sanitären Anlagen am Ufer in Kirschhofen umzusetzen. Darauf wies die SPD im letzten Jahr hin. Die Idee sei gemeinsam mit dem Bürgermeister entwickelt worden, so die Stadt auf Anfrage, und der die Stadt wäre auch bereit, ein Gebäude dafür zur Verfügung zu stellen. Weitere Lösungen der Situation sollen in enger Abstimmung mit dem Ortsbeirat von Kirschhofen stattfinden.

Keine Reglementierung möglich

Auch der Lahn-Tourismus-Verband (LTV) kann nur in im geringen Maße etwas tun, wie er auf Anfrage mitteilt. Für die Bundeswasserstraße gilt die Binnenschifffahrtsstraßen Ordnung (BinSchStrO). Dadurch ist eine Reglementierung auf der Lahn nicht vorgesehen. Daher kann auch der LTV keine Reglementierung durchsetzen. Der LTV bringe sich jedoch koordinierend ein, indem die Regeln publiziert und Hinweisschilder aufgestellt werden. Für die Kontrollen auf der Lahn sei die Wasserschutzpolizei zuständig. Die Kontrolle zur Einhaltung der Umwelt- und Naturschutzvorgaben in den an die Lahn angrenzenden Bereichen obliegt den Ordnungsbehörden der Kommunen und der Landkreise.

Auf Nachfrage, wie oft Kontrollen stattfinden, heißt es: „Die Wasserschutzpolizei kontrolliert regelmäßig den Bootsverkehr auf der Lahn, dies verstärkt am Wochenende und im Bereich der sogenannten „Hot Spots“.  Die personelle, zahlenmäßige Ausstattung der Wasserschutzpolizei ist jedoch seit Jahren verbesserungswürdig und ist nicht geeignet den gesamten schiffbaren Bereich stetig zu kontrollieren.“ Zudem sei der LTV regelmäßig im Gespräch mit den Dachverbänden und den örtlichen Organisationen der Kanuverleiher, um sie für das Thema immer wieder zu sensibilisieren. Und sie beteiligen sich an den Kosten für die mobilen Toiletten, welche die Bootsverleiher entlang der Einsatzstellen aufstellen.

Hinweisschilder zum richtigen Verhalten

Umweltschädliches Verhalten

Der LTV weist zudem darauf hin, dass es nicht nur die Anzahl der Boote sind, die eine Rolle spielen, sondern maßgeblich das Verhalten der Gäste in den Booten. „Ein Bewusstsein für die Konsequenzen des eigenen Handelns ist nicht allein durch das Aufstellen von Regeln herzustellen.“ Um ein kurzfristige und wirksame Änderungen des Verhaltens der Menschen vor Ort hervorzurufen, könnte eine Methode zum Beispiel das Umsetzen eines Rangersystems sein. Wobei der LTV selbst keine Ranger einstellen darf. Hierfür müsste genügend Personal eingesetzt werden, um vor allem an den Hauptsaisontagen überall vor Ort sein zu können. „Bei 160 km Paddelstrecke wird dies sicher ein organisatorischer und finanzieller Kraftakt sein, der unter einer Vielzahl von zu beteiligenden Personen und Organisationen (Kanuverleiher, Kommunen, Landkreise usw.) zu stemmen ist. Es ist auch erforderlich, dass die zukünftige Gesetzeslage die Ermächtigung für ein solches Handeln gibt“, so der LTV.

Abschließend merkt der LTV an, dass die Erfahrungen gezeigt haben, dass die Bootstouristen nur zu einem Teil für das umweltschädliche Verhalten zuständig sind. Es gebe inzwischen eine große Anzahl von Nutzern, die mit dem PKW in die Schutzgebiete einfahren, zelten, campen und grillen. „Insofern wird auch in Zukunft eine Gesamtsicht der Nutzbarkeit und dem Schutz der Lahn und deren Umfeld, auch für den LTV erforderlich sein“, so die Aussage.

Konkurrenz zwischen Radfahrer und Fußgänger

Dazu passt auch die Anmerkung der Anwohner, dass neben dem Tourismus auf der Lahn auch der Tourismus an der Lahn zunimmt. Direkt an der Lahn führt der Fernradweg R7 entlang. Teilweise ist der Weg knapp einen Meter breit. Fußgänger und Radfahrer kommen sich in die Quere, es entstehen gefährliche Situationen. „Wir nehmen uns inzwischen selbst zurück und meiden am Wochenende das Lahnufer. Es ist einfach zu voll“, äußern alle Anwohner, die an der Begehung teilnahmen. Leider ist eine Verbreitung des Leinpfades nicht so einfach möglich, da Felsen sowie das Lahnufer natürliche Verengungen nach sich ziehen. „Dort, wo es möglich ist, kann eine Verbreiterung des Leinpfades perspektivisch geplant werden“, so die Stadt auf Anfrage. Zwei getrennte Wege seien in Weilburg durch die topographische Situation sowie die Eigentumsverhältnisse aus Sicht der Stadt nicht umsetzbar.

Es zeigt sich, dass die verschiedenen Stellen das Problem im Blick haben. Die Möglichkeiten zum Handeln sind allerdings nicht sehr groß. Alle Beteiligten am Lahntourismus weisen immer wieder darauf hin, dass die Menschen untereinander und auch mit der Natur respektvoll umgehen sollen. Eventuell führen diese stetigen Appelle zu einer Änderung der Verhaltensweisen und zu einem besseren Miteinander.

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

2 thoughts on “Lahn ja, Tourismus vielleicht – Respektvolles Miteinander

  • 27. Mai 2021 um 10:34
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    Hallo Heike,
    vielen Dank für den positiven offenen Artikel zum Thema. Werde die Information über sein Erscheinen an möglichst viele Kirschhöfer Bürger weiterleiten und hoffe auf eine zwischen Anwohnern, Wanderern, Rad- und Kanufahrern einvernehmliche Sommersaison 2021.
    Heimat- und Wanderverein Kirschhofen
    Günther Wiehlmann

    Antwort
    • 29. Mai 2021 um 13:36
      Permalink

      Ich wohne Luftlinie 100 Meter vom Kies weg, ich muss sagen ich höre keinen Lärm und Soviele Boote machen dort auch keinen Halt. Es wird zur Zeit sehr übertrieben und komischerweise von Einwohnern die ganz weit weg im oberen Dorf wohnen.

      Antwort

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