Lokalgespräch Michelle Bautz – Wofür ist die Selbsthilfekontaktstelle da?

Seit November 2018 ist Michelle Bautz in der Selbsthilfekontaktstelle tätig. Mit mir sprach sie darüber, wofür die Selbsthilfekontaktstelle da ist, wie sich die Selbsthilfegruppen organisieren und welche Wünsche sie für die Zukunft hat.

Was ist die Selbsthilfekontaktstelle?

Michelle Bautz: Die Selbsthilfekontaktstelle ist eine Stelle, an die sich Menschen wenden können, die eine Selbsthilfegruppe suchen und die für die bestehenden Selbsthilfegruppen Ansprechpartner ist. Wir können beraten wie über die Beantragung von Fördergeldern, Fortbildungsmaßnahmen, wo eventuell der Schuh drückt oder und was die Gruppen brauchen. Weiterhin sind wir rund um das Organisatorische herum der Partner für die Selbsthilfegruppen. Wir bringen die Selbsthilfegruppen miteinander in Kontakt, wo sie miteinander in Austausch kommen können. Es gibt nämlich viele Themen, die alle Gruppe gleich betreffen.

Was sind das für Themen, die alle Selbsthilfegruppe betreffen?

Michelle Bautz: Das sind Finanzierungsgeschichten wie Förderung durch die Krankenkassen, Themen rund um Kontoeröffnungen, Raumsuche oder Fortbildungsangebote. Weitere Themen sind Methoden, welche in der Gruppe angewandt werden können, zum Beispiel, wenn es Konflikte gibt. Auch Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation bei Veranstaltungen sind Themen.

Ab wieviel Personen kann eine Selbsthilfegruppe gegründet werden?

Michelle Bautz: Es gibt die magische Zahl von sechs Teilnehmern. Das sind auch Kriterien, welche von den Krankenkassen vorgegeben werden. Und bei sechs Personen ist es auch möglich, die Gruppenstunde durchzuführen, wenn mal jemand krank ist.

Zunahme bei psychischen Selbsthilfegruppen

Würden Sie sagen, dass das Thema Selbsthilfe zunimmt?

Michelle Bautz: Ja. Es verändert sich. Selbsthilfe gibt es schon sehr lange, die ersten Gruppen feiern ihre Jubiläen. In den altbestehenden Gruppen gibt es manchmal Nachwuchsprobleme. Indem wir das Thema aufgreifen und öffentlich machen, sensibilisieren wir und ändern automatisch das Bild auf die Selbsthilfe. Wir haben das Anliegen, Selbsthilfe zu verjüngen und auch junge Menschen dafür zu gewinnen. Dies spiegelt sich auch in den Themen wieder. Momentan gibt es sehr viele Gruppen die Psyche betreffend, über Burn-Out und Risse in der Seele. In dem Bereich nimmt der Bedarf zu. Zudem entwickeln die Menschen eine gewisse Offenheit der Selbsthilfe gegenüber. Da beginnt vor allem im ländlichen Raum ein Umdenken. Daher ist es wichtig, dass wir auch in die ländlichen Regionen gehen und die Struktur bieten, dass jeder eine Selbsthilfegruppe besuchen kann.

Wie ist eine Selbsthilfegruppe aufgebaut? Gibt es einen Gruppenleiter, der in der Materie steckt? Oder ist es rein eine Gruppe von Betroffenen?

Michelle Bautz: Letzteres, würde ich sagen. Jede Gruppe funktioniert jedoch unterschiedlich. Eine Selbsthilfegruppe wird so gestaltet, wie es die Teilnehmer der Gruppe wünschen. Eine Gruppe ist frei und offen für alle, sowie frei von Wertungen. Selbsthilfe bedeutet, betroffene Menschen tun sich zusammen und tauschen sich über ihre Thematik aus. Aber wir in unserer Arbeit brauchen jemanden, der als Ansprechpartner fungiert. Ein Ansprechpartner muss bereit sein, seine Kontaktdaten zur Verfügung zu stellen, welche wir weitergeben dürfen. Wichtig ist, dass jemand eine moderierende Funktion hat, so dass jeder seine benötigte Redezeit erhält. Dies muss nicht an eine Person gebunden sein, sondern kann auch von Treffen zu Treffen rotieren.

Wie viele Selbsthilfegruppen gibt es derzeit im Landkreis?

Michelle Bautz: Wir haben derzeit 68 Selbsthilfegruppen, ohne die zwei, welche noch zu gründen sind. Die Zahl ist steigend. Derzeit lösen sich auch wenige Gruppen auf. Dies ist aber völlig normal, weil manche Themen zeitlich begrenzt sind. So kann sich nach 5 Jahren eine Trauergruppe auflösen, weil die Trauer verarbeitet ist. Es kann aber auch sein, dass sich enge Freundschaften entwickeln und die Gruppe sich weiter trifft.
Die Gruppen teilen sich derzeit auf in Behinderung, Gesundheit, Psyche, Sucht sowie verschiedenes wie nicht gesundheitsbezogene, soziale Themen wozu Trauer- oder Angehörigengruppen zählen. Der Bereich Gesundheit ist der größte Bereich.

Gibt es Vernetzungen mit anderen Strukturen wie die Brustkrebsgruppe im Krankenhaus oder die Trauerbegleitung durch Palliativdienste?

Michelle Bautz: Wir sind eng vernetzt und weisen auch auf die anderen Angebote hin. Die Gruppen der Hospizdienste sind zum Beispiel bei uns aufgeführt.
Wir selbst gründen ja keine Gruppen, sondern greifen Bedarfe auf. Wir unterstützen bei einer Gruppengründung. Aber auch andere Einrichtungen und Träger können Selbsthilfegruppen gründen und uns dies mitteilen. Wir sind nicht Fachleute der einzelnen Erkrankungen, sondern Fachleute, was das drumherum angeht, um das zu bündeln.

Mit der Zeit gehen

Ihr habt einen neuen Infobrief „Rückenwind“, eine eigene Facebookseite und auch die Internetseite soll neu gestaltet werden. Was ist Eure Intention, zu sagen, wir gehen jetzt noch stärker aus uns heraus?

Michelle Bautz: Es gibt ein Umdenken in der Gesellschaft. Es gibt immer noch alte Bilder von Selbsthilfe in den Köpfen. Aber Selbsthilfe hat sich in den letzten Jahren verändert. Da müssen wir mit der Zeit gehen. Durch die Onlinewelt gehen die Bedürfnisse aus dem Lokalen hinaus und es wird sich in Foren und Chats ausgetauscht. Uns ist es wichtig, auf die Möglichkeiten von Selbsthilfe hinzuweisen. Häufig ist es so, dass Menschen durch eine Erkrankung überrollt werden. Und dann kommt jemanden die Hilfestellung über eine Selbsthilfegruppe nicht direkt in den Sinn.

Daher ist es uns wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen. Dabei geht es nicht nur darum, die Betroffenen zu erreichen. Auch die Sozialpolitik und die Sozialträger müssen immer wieder darauf hingewiesen werden, wie wichtig die präventive Arbeit der Selbsthilfe ist. Da ist schon viel passiert, so dass die Krankenkassen die Selbsthilfegruppen zunehmend fördern. Da hat sich in den letzten drei Jahren unheimlich viel getan. Dies war ein weiter Weg, welcher von den Selbsthilfekontaktstellen mit unterstützt wurde.

Wofür benötigen die Selbsthilfegruppen Geld?

Michelle Bautz: Das sind Dinge wie Raummiete, Kontoführungsgebühren, Telefongebühren oder Internetauftritte. Dazu zählen Materialien für Infostände, Teilnahme an Fachtagungen und Weiterbildungsmaßnahmen. Diese Kosten summieren sich im Jahresverlauf und können von dem Einzelnen auch nicht getragen werden.

Spüren Sie an den öffentlichen Auftritten, dass Sie wahrgenommen werden? Macht sich diese Offensive bemerkbar?

Michelle Bautz: Es funktioniert hier im Landkreis sehr gut und hat auch die letzten Jahre sehr gut funktioniert. Dies sieht man auch am Tag der Selbsthilfegruppen, der sehr gut wahrgenommen wird. Auch ist es gut, dass wir immer wieder in der Presse sind und über unsere Themen berichtet werden.

Wie ist die Selbsthilfekontaktstelle sind organisiert?

Michelle Bautz: Die Selbsthilfekontaktstellen sind von Landkreis zu Landkreis unterschiedlich organisiert. Ich finde es gut, dass wir hier direkt an den Landkreis angeschlossen sind und somit einen vertrauensvollen Partner an unserer Seite haben. Dies ist eine enorm wichtige Komponente, um auch Vertrauen in der Bevölkerung zu wecken und zu pflegen. Es ist schön, dass der Landkreis wohlwollend der Selbsthilfe gegenübersteht.

Also ist es nicht in jedem Landkreis so, dass die Selbsthilfe an den Landkreis gebunden ist?

Michelle Bautz: Es gibt viele Stellen, die an den Landkreis oder eine Stadt gebunden sind. Aber es gibt auch andere Träger. Dies unterscheidet sich sehr.

Vernetzen sich die Selbsthilfekontaktstellen auch untereinander?

Michelle Bautz: Ja, es gibt viermal jährlich ein Treffen der LAG, der Landesarbeitsgemeinschaft der Selbsthilfekontaktstellen in Hessen, wo sich ausgetauscht wird. Da kommen die 25 Kontaktstellen aus Hessen zusammen.

Wünsche für die Zukunft

Gibt es Wünsche, die Sie das gerne auf den Weg bringen würden?

Michelle Bautz: Erstmal möchte ich sagen, dass es hier sehr gut funktioniert. Ich habe eine gute Resonanz, wenn ich die Gruppen anschreibe. Ich habe das Gefühl, dass es hier eine große Verbundenheit in den Selbsthilfegruppen gibt. Das macht die Arbeit sehr angenehm. Ein großer Anteil hat daran auch die Fahrt der Selbsthilfegruppen, wo in den vergangenen Jahren auch der Dezernent mit dabei war. Dies ist auch eine Wertschätzung des Landkreises den Selbsthilfegruppen gegenüber. Dies führt auch mit zu der Verbundenheit.

Wünsche wären die Homepagegestaltung und ich würde gerne einen kleinen Werbespot im Kino platzieren, um noch mehr die jungen Menschen zu erreichen. Aber eigentlich läuft es schon sehr gut und einige Wünsche konnten auch schon umgesetzt werden. Dies ist wie ein Prozess zu betrachten. Man hat immer wieder neue Ideen, auch von den Gruppen selbst kommen Ideen, die gemeinsam umgesetzt werden sollen. Zum Beispiel den Tag der Selbsthilfe, in diesem Jahr am 14. September, gestalten die Gruppen ganz aktiv mit. Da entwickelt sich ein Stolz, weil die Ideen der Selbsthilfegruppen umgesetzt werden und diese aktiv mitgestalten können.

Welche Möglichkeiten neben dem Tag der Selbsthilfe gibt es für die Gruppen, sich kennenzulernen?

Michelle Bautz: Da gibt es die Jahres- und Gesamttreffen im Jahr. Da bieten wir auch Workshops an. Und es geht immer um den Austausch der Gruppen untereinander. Daneben gibt es auch noch kleine Arbeitstreffen, so dass wir alle zwei Monate ein Treffen haben, wo sich die Gruppen austauschen können.
Auf einer Präsentationsfläche im Karstadt können sich die Gruppen mittwochs und samstags präsentieren. Dies wird auch ganz gut angenommen.

Haben Sie zum Abschluss noch Anmerkungen?

Michelle Bautz:  Wichtig sind innovative Ideen und wie wir in der Öffentlichkeit auftreten. Es ist da oft noch eine Hemmschwelle, zum Hörer zu greifen und sich zu informieren. Je innovativer wir damit umgehen, nehmen wir auch die Hemmschwelle bei den Betroffenen. Wir möchten den Menschen zeigen, wie wichtig Selbsthilfe sein kann. Das Hinwenden an die Selbsthilfekontaktstelle ist immer anonym, kostenfrei und streng vertraulich. Das ist die oberste Regel der Gruppen – was in der Gruppe besprochen wird, bleibt in der Gruppe.

Auch finde ich es nochmal ganz wichtig zu sagen, dass wir nicht beraten, was die Krankheiten betrifft. Wir vermitteln nur. Aber wir sind die erste Anlaufstelle für die Menschen. Manchmal kommen hier Menschen mit vielen Baustellen und dann muss ich schauen, welche Selbsthilfegruppe am besten passt, wo der Schuh am meisten drückt und welche Gruppe passt. Dafür muss ich auch die ganzen Gruppen kennen, die wir im Landkreis haben. Es kann aber auch passieren, dass nicht jede Gruppe passt, denn nicht jede Gruppe ist gleich. Es ist auch legitim, wenn jemand sagt, dass Selbsthilfe nichts für einen ist. Man sollte dann nur der Gruppe Bescheid geben, damit diese weiß, dass derjenige nicht mehr kommt.

 

Interessierte an einer Selbsthilfegruppe wenden sich vertrauensvoll an die Selbsthilfekontaktstelle, telefonisch unter 06431 296-635, per Mail an selbsthilfe@limburg-weilburg.de, oder telefonisch an die zentrale Anlaufstelle für Ehrenamtliche der Kreisverwaltung unter 06431 296-222, E-Mail: ehrenamt@limburg-weilburg.de. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage oder auf Facebook.


Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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