Maskenpflicht an Schulen – Probleme für Menschen mit Hörbehinderung

Bereits ohne Corona haben es Menschen mit einer Hörbehinderung schwer, am Alltag teilzunehmen. Durch Corona und die dadurch empfohlene und zum Teil verordnete Maskenpflicht, sind sie nochmal besonders von der Situation betroffen.

Doch wie kommen Schüler zurecht, die ihre Lehrer durch die Maske nicht mehr verstehen. So können sie auch nicht mehr von den Lippen ablesen. Bei zwei Berufsschulen in Limburg habe ich nachgefragt, wie diese den Unterricht derzeit organisieren.

Hörbehinderung ist unsichtbar

In Deutschland gibt es rund 80.000 gehörlose Menschen. Nach Angaben des Deutschen Schwerhörigenbundes gibt es rund. 16 Millionen Schwerhörige (Quelle Gehörlosenbund). Die Herausforderung an einer Hörbehinderung ist, dass diese nicht zu sehen ist. Wenn jemand im Rollstuhl sitzt oder etwas anders läuft, fällt dies auf. Doch wenn jemand schlecht oder gar nicht hört, kann niemand das sehen. Und wenn jemand Angesprochenes nicht reagiert, sind schnell Urteile da wie „Der ist eingebildet und redet nicht mit uns“. Daher kapseln sich Menschen mit einer Hörbehinderung bereits im normalen Alltag ab. Sie bleiben lieber unter sich. Durch ein Cochlea-Implantat kann das Hören unterstützt werden. Dennoch ist dies weit weg von einem „normalen“ Hören. Einen Einblick gibt eine junge Dame mit einer Hörbehinderung (sie und ihre Familie möchten namentlich nicht genannt werden). Bereits im normalen Alltag ist die Teilhabe schwierig und in vielen Bereichen überhaupt nicht möglich. Corona und die Masken bringen zusätzliche Probleme mit sich. Vor allem in den Schulen wird dies zu einem Problem.

Maske verhindert Mundablesen

An den Berufsschulen im Landkreis gibt es derzeit ungefähr 25 Schüler mit einer Hörbehinderung. Mit der Maske ist das Ablesen vom Mund nicht mehr möglich. Die eigentliche Sprache kommt nur gedämpft herüber, erzählt die Schülerin von ihren Erfahrungen. Zudem fehle ihr die Mimik. Sie können nie einordnen, wie etwas gemeint sei. Natürlich bleibt dies nicht ohne Folgen. Die Schule sei derzeit anstrengend, deprimierend und fürs Selbstwertgefühl nicht gut. Klar könne sie nachfragen. Das geht einmal, zweimal, auch dreimal. Aber irgendwann ist jeder Lehrer vom Nachfragen genervt. „Es gibt Gerätschaften, die helfen, aber es ist wenig Bereitschaft da, diese zu nutzen“, kritisiert der Vater, „die gelebte Inklusion fehlt.“

Zudem geht es dabei nicht nur um die Kommunikation mit dem Lehrer. Auch die Kommunikation mit den Mitschülern ist bei den Masken massiv erschwert. Bereits ohne Masken haben Menschen mit Hörbehinderung das Problem, einzuschätzen, aus welcher Richtung die Sprache kommt. Mit der Maske ist dies zusätzlich erschwert. Und bis der oder die  Betroffene mitbekommen haben, wer spricht, redet bereits ein weiterer Schüler. Die Familie der Schülerin möchte gerne einen Gedankenprozess anstoßen, indem sie mit dem Thema an die Öffentlichkeit gehen. Und sie würden gerne die Sensibilität beim Gegenüber wecken, denn dieses nehmen sie bisher nicht wahr. „Wir wünschen uns mehr Bewusstsein für das Thema, denn die zwischenmenschliche Kommunikation fehlt in diesem Bereich“, so der Vater.

Steady

Bedingungen für die Schüler schaffen

Doch wie sieht es an den Berufsschulen tatsächlich aus und ist den Schulleitern die Problematik bewusst? Stefan Laux, Schulleiter der Friedrich-Dessauer-Schule hat vier Schüler mit einer Hörbehinderung auf der Schule. Diese seien mit Mikrofonanlagen ausgestattet, welche eine bessere Übertragung des gesprochenen Wortes an den Schüler ermöglichen, egal wie die Lehrer stehen. Mit den Masken ist dies natürlich schwierig. Daher wurden die Klassen, welche einen Schüler mit Höreinschränkung haben, halbiert. Deren Unterricht findet in den größten Räumen der Schule statt, so dass vier Meter Abstand zwischen den einzelnen Personen möglich ist. „Unter diesen Bedingungen können die Lehrer guten Gewissens ein Gesichtsschild tragen“, so Laux weiter. Bisher habe er keine Rückmeldungen erhalten, dass es nicht läuft.

Auch Ralf Abel, Schulleiter der Adolf-Reichwein-Schule ist sich bewusst, das sich die sowieso schon schwierige Situation unter den Corona-Maßnahmen nochmal verschärft hat. Insgesamt stellt die Corona-Pandemie für die gesamte Schule eine Herausforderung dar wie unter diesen Bedingungen die Schülerschaft zu einem guten Abschluss zu führen. „Die Schulen und ihre Lehrerschaft bemühen sich im höchsten Maße, diesen Spagat hinzubekommen und leisten Unglaubliches“, so Abel einführend auf die Nachfrage.

Enger Kontakt zum überregionalen Förderzentrum

Drei Schülerinnen und Schüler mit Hörbehinderung besuchen die ARS in Limburg. Bei ihm oder dem Kollegium gab es noch keine Beschwerden diesbezüglich. „Wir stehen aber, um hier die bestmögliche Förderung zu ermöglichen, in einem engen Kontakt mit dem überregionalen Beratungs- und Förderzentrum (üBFZ) mit dem Förderschwerpunkt Hören der Freiherr-von-Schütz-Schule“, so Abel weiter. Daher möchte er gerne schildern, welche Maßnahmen in Abstimmung mit dem Förderzentrum umgesetzt werden, um die Schülerschaft zu fördern. Im Januar fand ein Ausflug mit einer Klasse, in welcher eine Schülerin mit Hörbehinderung ist, nach Bad Camberg statt. Es gab einen Einblick in das Thema und fand eine Sensibilisierung der Lerngruppe statt.

Vor der Wiederaufnahme des Schulbetriebes nach dem Lockdown im Frühling gab es einen Austausch mit den Lehrern über Probleme, die durch das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung entstehen können. „Die Lehrkräfte der Klasse haben zunächst teilweise durchsichtige Gesichtsbedeckungen verwendet, eine Lehrkraft hat von Beginn an eine geschlossene Maske getragen“, so Abel weiter, „Der Vater der einen Schülerin hat ohne Rücksprache mit der Schule oder dem üBFZ Hören völlig ungeeignete kinngestützte durchsichtige Visiere für die gesamte Klasse gestellt. Diese wurden zunächst kaum angenommen, später mehr. Nun sind aber leider verboten, weil der Gesundheitsschutz nicht ausreicht.“ Zudem habe sich ein Elternteil mehrfach beschwert, dass kein ausreichender Nachteilsausgleich ermöglicht wurde. Bei direkten Nachfragen bei den erwachsenen Schülern wurde wiederholt deutlich, dass sie erwarteten, ohne Nachfragen auch dann noch zusätzliches schriftliches Material zu bekommen, obwohl bereits schriftliche Informationen für alle ausgegeben worden waren, stellt Abel die Situation dar.

Allgemeine Maskenpflicht verschärft Situation

„Durch die verordnete Maskenpflicht hat sich die Situation nun verschärft. Vor allem auch beim Tragen von FFP-2-Masken, die für die Kolleginnen und Kollegen empfohlen sind, kann das Sprachbild natürlich nicht erkannt werden. Wir haben daher Alternativen gesucht und das Tragen von Visieren mit zusätzlichem Plexiglasschutz erwogen“, so der Schulleiter, „Aber auch hier kommt es zu Spiegelungen, die das Sprachbild beeinflussen.“ Auf Empfehlung des überregionalen Förderzentrums der Freiherr-von-Schütz-Schule hat die ARS nun Spezialmasken bestellt, die einen sehr guten Schutz bieten und gleichzeitig das Erkennen der Sprachbewegungen ermöglichen sollen. „Darüber hinaus werden wir versuchen Schüler zu motivieren, für die betroffenen Schüler mit Hörbeeinträchtigung zusätzliche Mitschriften anzufertigen, damit diese sich noch stärker auf die verbalen Äußerungen der Kolleginnen und Kollegen konzentrieren können. In Verbindung mit den Mitschriften können die behandelten Inhalte dann zuhause noch einmal durchgearbeitet und vertiefend gelernt werden.“

Zu hohe Kosten für Dolmetscher

Auch in den Praktikumseinrichtungen fanden Hospitationen statt, um die Problematik zu thematisieren. Verständnisschwierigkeiten sollen angesprochen und aufgearbeitet werden. Auch prüfte die Schule den Einsatz eines Schriftsprachdolmetschers oder einer Teilhabeassistenz, die Beeinträchtigungen kompensieren könnten.  Eine telefonische Anfrage des überregionalen Beratungs- und Förderzentrums beim örtlichen Sozialamt wurde jedoch aufgrund der hohen Kosten abschlägig beurteilt, da in der Oberstufe Mitschriften von Mitschülern möglich sind.

Am Ende weist Abel nochmals darauf hin, dass die Lösung nicht einfach ist, aber dennoch in den verschiedenen Kooperationen wie mit dem Förderzentrum eine optimale Förderung der betroffenen Schüler ermöglicht werden soll. Dazu bleibe die Schule in einem engen Kontakt mit ihnen und wägt mögliche Hilfsinstrumente weiter objektiv und nach pädagogischen Gesichtspunkten ab. Zusammengefasst wird die ARS die neuartigen Gesichtsmasken austesten, zusätzliche Mitschriften erstellen lassen und den Schülern weitere Literaturhinweise und Infomaterial zur Verfügung stellen. „Aus den bisherigen Erfahrungen sind wir sicher, die Schülerinnen und Schüler erfolgreich zum Abschluss auch unter Coronabedingungen führen zu können“, so Abel abschließend.

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Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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