Mit Kindern immer im Gespräch bleiben

Kinder sind durch die Corona-Pandemie auf verschiedenen Ebenen beeinflusst. Die Schule findet im Wechsel- oder Distanzunterricht statt, Vereinsaktivitäten fallen ganz aus und durch die Kontakteinschränkungen sollen sie Freunde und auch Großeltern nicht besuchen.

Dies hat Auswirkungen auf die Kinder, welche sich ganz unterschiedlich ausprägen. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Julia Steul zeigt auf, welche Probleme und Ängste es gibt, aber auch, wie Eltern ihre Kinder in diesen unsicheren Zeiten unterstützen können. Eltern zeigten ebenfalls auf, wie sie mit der aktuellen Situation umgehen.

Vermissen von Gemeinschaft und Unbeschwertheit

Es ist die Unbeschwertheit, schnell mal die Freunde zu treffen oder einfach in die Schule zu gehen ohne die ganzen Maßnahmen. Das sind die Dinge, die Eltern nennen, wenn es darum geht, was die Kinder vermissen. Die Vereine, die Freunde oder auch die Geburtstagsfeiern fallen alle aus oder finden seit über einem Jahr in einem nur sehr kleinen Rahmen statt. Derzeit ist es nicht möglich, einfach aus dem Haus zu gehen und unbeschwert den Freund zu besuchen. Kontakte sind auf ein Minimum beschränkt und viele folgen dem Ratschlag, nur einen Kontakt in der ganzen Zeit zu haben. Dennoch sagen viele Eltern auch, dass es ihren Kindern trotz aller Einschränkungen und fehlender Kontakte noch ganz gut geht. Das Homeschooling hat sich eingespielt und viele akzeptieren das aktuelle normal.

Auf die Frage, ob die Kinder irgendwelche Ängste entwickelt haben, kommt sehr oft die Aussage, dass sie Verlustängste haben, weil bereits jemand aus der Familie gestorben ist. Und einige haben auch Angst, sich selbst anzustecken, da es in der Familie bereits Corona-Erkrankungen gab. Andere Eltern sagen aber auch, dass ihre Kinder keine Ängste entwickelt haben und sich recht schnell reingewachsen sind. Um den Kindern die Zeit gut zu gestalten, konzentrieren sich die Familien auf die schönen Dinge im Leben, sind noch mehr füreinander da und reden viel miteinander. Ausflüge, gemeinsame Unternehmungen und Spiele sind das Mittel der Wahl, um den Kindern eine dennoch recht unbeschwerte Zeit zu ermöglichen.

Vermehrte Anfragen

Im Gespräch mit der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Julia Steul bestätigt sich viel, was auch die Eltern vorher ausgedrückt haben. Bei ihr macht sich diese besondere Zeit deutliche bemerkbar. Die Anfragen haben sich mit Corona sprunghaft vermehrt, die Warteliste ist lang. Vor allem im letzten Jahr zu Beginn der Pandemie bestand das Problem darin, dass viele Hilfsangebote der Verbände eingestellt wurden und jetzt erst langsam wieder anlaufen. Daher ist ein erster Tipp von Steul an alle Eltern, dass sie nicht schweigen müssen und alles mit sich selbst ausmachen müssen.

Sie sollen Hilfsangebote nutzen und wenn es nur mal ein Telefonat mit jemanden ist.
Sie merkt selbst in ihrer Praxis, dass es vor allem Kinder aus sozial schwachen Familien sind, die unter der Situation leiden. Wenn zu den Themen, welche die Kinder betreffen, noch finanzielle Sorgen und Existenzängste in der Familie vorkommen. Zu einem solchen Ergebnis kam auch die COPSY-Studie der Universität Hamburg. Sie stellten fest, dass fast jedes dritte Kind in der Pandemie psychisch leidet. Jedoch kommen Kinder, die in guten familiären Strukturen aufwachsen, gut durch die Krise.

Verschiedene Themen präsent

Welche Themen sind es, mit denen sich die Kinder beschäftigen, die zu ihr kommen? Ein großes Thema, welches auf einmal präsent ist, ist das Thema Sterben und Tod. Dies rückt auch durch die mediale Berichterstattung nochmal ganz anders ins Bewusstsein der Kinder und sie stellen Fragen. Ihre Lösung dazu ist es, mit den Kindern darüber zu sprechen und auch kindgerechte Bücher zum Thema sterben zu lesen wie „Geht sterben wieder vorbei?“. Aber sie rät den Eltern auch, keine unrealistischen Ängste zu schüren. Wichtig ist es, mit den Kindern offen darüber zu sprechen, was sie beschäftigt. „Eltern sollten die Kinder mit ihren Fragen kommen lassen, aber keine Gespräche provozieren“, so Steul weiter.

Das Thema Isolierung oder Einsamkeit ist ihrer Meinung nach weniger bei den jüngeren Kindern ein Problem, die mit einem Spielpartner, was auch ein Elternteil sein kann, völlig zufrieden sind. Das ist eher Thema bei den Teenies ab 12 Jahre, vor allem bei denen, welche vorher schon nicht so sozial aktiv waren. Die gehen bereits ohne eine Pandemie schon wenig aus sich heraus. Nun fallen die Säulen Schule und Verein noch weg, das Kommunizieren über digitale Medien fällt ihnen aus Scheu schwer und dann ziehen sie sich zurück. In einer Phase, wo sich die Jugendlichen langsam von zu Hause unabhängig machen, fällt der Abgleich mit Gleichaltrigen weg und sie befinden sich wieder in Abhängigkeit von zu Hause. Da kann sie noch gar nicht sagen, wie sich das auswirken wird.

Große Anpassungsfähigkeit

Ansonsten sagt Steul, ist der Mensch sehr anpassungsfähig. Wenn die Erwachsenen den Kindern gute Vorbilder sind, dann tragen die Kinder die Regeln auch mit. So habe sie keine Patienten, welche mit der Maske oder den anderen Maßnahmen hadern. Manche Kinder haben sich recht schnell hineingefunden. Da kann es zu einem Stolpern kommen, wenn die Maßnahmen irgendwann nicht mehr notwendig sind. Aber auch da werden sich die Kinder wieder recht schnell hineinfinden, ist sich Steul sicher.

Sie hat auch die Erfahrung gemacht und kann somit Aussagen der COPSY-Studie unterstreichen, dass die Kinder auch ein Stück weit von profitieren, dass die Väter durch Homeoffice viel mehr präsent sind. Viele Kinder haben mehr Zeit mit der Familie. Wichtig ist es jedoch auch, so Steul weiter, gut für sich als Eltern zu sorgen. Sie sollten sich Inseln im Alltag schaffen, um sich zu erholen und auch einmal durchzuatmen. Dies kann man schon mit kleinen Dingen schaffen – zum Beispiel in Ruhe eine Tasse Kaffee trinken oder alleine ein paar Schritte spazieren gehen.

Kreativ sein

Manche Eltern beklagten im letzten Jahr schon, dass Schuleinführung und Kommunion nicht „normal“ abliefen. Doch auch da hat Steul Ideen. „Es geht weiter, auch wenn es anders ist“, so Steul, „werdet kreativ.“ Wie kann man etwas in der jetzigen Situation dennoch schön gestalten? Welche Wege sind möglich? Und durch neue Wege kann auch etwas völlig Schönes entstehen. Sie kann verstehen, dass manche Eltern mit sich hadern, aber es ist eine Chance, mal neue Wege zu gehen.

Ihr macht noch etwas anderes Gedanken, was selten zur Sprache kommt. Zwangserkrankungen wie Waschzwänge nehmen zu und durch die Hygienemaßnahmen ist sie momentan auch eingeschränkt, mit ihren Patienten daran zu arbeiten. Auch befürchtet sie, dass Süchte wie Online- und Computerspielsucht zunehmen werden. Da auch der Unterricht digital stattfindet, ist da eine Abgrenzung momentan schwieriger. Abgenommen haben die Ängste die Schule betreffend.

Aber zusammenfassend sagt sie auch, dass sich die Kinder insgesamt viel weniger Gedanken um die Situation machen. Sie haben noch ein natürliches Vertrauen darauf, dass am Ende alles gut wird. Und darin sollten Eltern ihre Kinder bestärken. Sie sollten mit ihnen über die Emotionen reden, aber nicht die eigenen Ängste auf die Kinder projizieren.

 

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Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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