Schnelltests schuld an hoher Inzidenz?
Inhaltsverzeichnis
Für die einen ist es ein Weg aus der Pandemie zurück zu mehr Normalität. Für die anderen ist es ein Hochtreiben der Inzidenzen und ein künstliches Aufrechterhalten der Pandemie.
Seit letzter Woche gibt es verschiedene Anlaufstationen im Landkreis Limburg-Weilburg, wo sich die Menschen per Schnelltest auf das Coronavirus testen lassen können. Seit dem 8. März haben die Bürger:innen das Recht auf einen kostenlosen Schnelltest pro Wochen. Für Bund und Länder ist dies ein wichtiger Baustein, um mehr Normalität und sichere Kontakte zu ermöglichen.
Weitere Öffnungen dank Schnelltests?
Morgens ins Schnelltestzentrum gehen und mit dem negativen Ergebnis shoppen gehen, das Kino besuchen und im Café verweilen – so malen sich manche die Möglichkeiten auf, welche mit den Schnelltests gegeben sind. Erste Modellversuche dazu gibt es bereits in Tübingen seit Herbst 2020 und Rostock. Dr. Marius Hahn, Bürgermeister von Limburg, wäre sofort dabei, wenn die Kreisstadt oder sogar der Kreis Modellregion für ein solches Projekt werden könnte. Damit gebe es für den Einzelhandel und die Gastronomie eine Öffnungsperspektive. Doch mit den steigenden Inzidenzen ist es fraglich, was in nächster Zeit machbar ist. Die Kreisverwaltung möchte erstmal die heutigen Beschlüsse aus der Konferenz von Bund und Ländern abwarten, so Pressesprecher Jan Kieserg auf Nachfrage. In einem weiteren Schritt müsse die Kreisverwaltung abwarten, wie das Land Hessen weiter vorgeht. Da steht vor allem im Raum, ob Hessen seinen eingeschlagenen Weg beibehält und weitere Maßnahmen von der landesweiten Hessen-Inzidenz abhängig macht. „Ob in der Tat mögliche Öffnungsschritte mit der Nutzung unserer inzwischen ausreichend vorhandenen Testzentren gekoppelt werden können, wird der Katastrophenschutz-Verwaltungsstab des Landkreises Limburg-Weilburg in seine Überlegungen einbeziehen“, so Kieserg weiter.
Inzidenz über 100
Bei all diesen Überlegungen spielt die Inzidenz eine große Rolle. Dieser Wert ist von Anfang an der Maßstab, an dem sich Lockerungen oder Verschärfungen der Maßnahmen orientieren. In der letzten Woche stieg die Inzidenz im Landkreis wieder über 100. Auch die hessenweite (116,7) sowie bundesweite (107) Inzidenz liegt über 100. 100 war die Grenze, bei der die Regierung alle Lockerungen wieder zurücknehmen wollte. Wie es weitergeht, entscheidet sich am heutigen Montag.
Manch einer sieht den Anstieg jedoch nicht in einem gesteigerten Infektionsgeschehen, sondern in der Ausweitung der Schnelltests. Diese würden die Inzidenz künstlich in die Höhe treiben und dafür sorgen, dass es keine weiteren Lockerungen gibt.

Im Landkreis nachgefragt teilt der Pressesprecher mit, dass die Möglichkeit der kostenlosen Schnelltests bisher noch nicht so angenommen wird, wie es möglich ist. Derzeit lassen sich täglich rund 100 Personen pro Abstrichstelle testen, was ungefähr zehn Prozent der vorhandenen Kapazitäten entspricht. Über die Situation in den Apotheken konnte der Pressesprecher keine Aussage treffen. Nachdem ein Schnelltest ein positives Ergebnis aufzeigt, muss die getestete Person einen PCR-Test machen, um dieses Ergebnis zu bestätigen. Die PCR-Tests sind aussagekräftiger als die Schnelltests. Dies kam vergangene Woche 48mal vor. In 29 Fällen hat sich der positive Test bestätigt. 29 Fälle in einer Woche können nicht als Treiber der Inzidenzen gesehen werden. Denn in die Zahlen fließen nur die Ergebnisse der positiven PCR-Tests, nicht die Zahl aller positiven Tests.
Während im Dezember vor allem die Infektionen in den Pflegeeinrichtungen sowie Krankenhäusern die Zahlen in die Höhe trieben, lassen sich jetzt die Infektionen hauptsächlich auf das private Umfeld zurückführen, so Jan Kieserg. 20 Prozent des Infektionsgeschehens finden sich in einem beruflichen Zusammenhang. Schulen sind bisher nur selten betroffen und Reiserückkehrer stellen im Moment kein Problem dar.
Lesenswert – Auch im Landkreis ist die Nachverfolgung anhand der LUCA-App möglich.
Inzidenz und Infektionsgeschehen
Bei ZDF heute äußert sich der Virologe Martin Stürmer dahingehend, dass er überzeugt ist, dass durch die veränderte Teststrategie mehr Infizierte auffallen werden. Durch die großflächigen Tests lassen sich mehr Virusträger identifizieren als ohne. Aber er empfiehlt auch den Blick auf die Positiv-Quote: „Wenn der Anteil an positiven Tests gleichbleibt, auch wenn die Absolutzahlen steigen, ist das keine Zunahme des Infektionsgeschehens“, so der Virologe. So wird in Österreich bereits seit Anfang Februar großflächig getestet und die Inzidenzen stiegen an. Und auch wenn die Anzahl der positiven Testungen durch mehr Testungen zugenommen hat, so gab es insgesamt keine Zunahme des Infektionsgeschehens. So zieht das ZDF auch das Fazit, dass mit der Ausweitung der Testungen auch in Deutschland die Inzidenzen zunehmen werden, obwohl das Infektionsgeschehen gleichbleibt. Problematisch sei dies, weil die Maßnahmen in Deutschland an die Inzidenzen gebunden sind. Aber sie bedeuten eben auch, infizierte zügig in Quarantäne zu stecken und eine weitere Verbreitung des Virus einzudämmen. (Quelle ZDF)
Kein Freifahrtschein
Das Robert-Koch-Institut zeigt zudem auf, dass ein negatives Ergebnis im Schnelltest nicht unbedingt eine Infektion ausschließt. Dies kann zum Beispiel passieren, wenn die Viruslast noch zu gering ist zu Beginn oder mit dem Ausklingen der Infektion. Dennoch seien die Schnelltests ein Baustein aus der Pandemie heraus. Denn es könnten asymptomatische Menschen erkannt werden, welche dennoch infektiös sind oder die bereits infektiös sind, wenn sie selbst noch keine Symptome haben. „Ein negatives Ergebnis im Antigen-Test schließt eine Infektion nicht aus, insbesondere, wenn eine niedrige Viruslast vorliegt”, so das RKI. Auch bei korrekter Durchführung sei es „lediglich weniger wahrscheinlich”, ansteckend zu sein. Zudem sei die Aussagekraft zeitlich begrenzt – schon am nächsten Tag kann das Ergebnis anders sein. Daher ist ein negatives Ergebnis kein Freifahrtschein und die AHA + L-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske + Lüften) sollten weiterhin eingehalten werden.
Die Antigen-Schnelltest-Stellen im Landkreis Limburg-Weilburg findet ihr hier.
Bund und Länder beraten heute weitere Maßnahmen. Aus einem Beschlusspapier geht hervor, dass der Lockdown bis zum 18.April verlängert werden soll.