Solarpark als Beitrag zur Energiewende – Mehr Dialog gewünscht
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Während die Stadtverwaltung und der Energieversorger Limburg (EVL) der Meinung sind, es sei genau die richtige Zeit, mit dem Projekt Solarpark an die Öffentlichkeit zu gehen, kritisieren andere eine fehlende Kommunikation.
Seit Ende letzten Jahres ist bekannt, dass die EVL zusammen mit der Stadt einen Solarpark zwischen Lindenholzhausen und Linter entlang der Autobahn plant. Der Kreisbauernverband Limburg-Weilburg sowie örtliche Landwirte positionierten sich bereits zu dem Thema und der Ortsbeirat Lindenholzhausen setzte sich ebenfalls damit auseinander. Gestern Abend im Ausschuss für Umwelt, Klima und Verkehr, zudem auch die Ortsbeiräte Lindenholzhausen und Linter geladen waren, fand eine Vorstellung des Projektes durch die EVL statt. Das Interesse war sehr groß, so dass der Saal unter Coronabedingungen voll war und einige Besucher vor dem Saal zuhören mussten. Über 50 Zuhörer kamen, um sich die Debatte anzuhören.
Beitrag zur Energiewende
Bevor er explizit auf das Projekt einging, schickte Gert Vieweg, Geschäftsführer der Energieversorgung Limburg EVL, einen Gedanken voraus, was ihm in der bisherigen Diskussion etwas zu kurz kommt. Ihm fehle bisher in der Debatte der Blickpunkt auf die Klimawende. Die EVL würde dieses Projekt nicht aus Profitstreben angehen, sondern um Kohlendioxid einzusparen und Strom aus regenerativen Energien zu gewinnen. „Wir wollen vor Ort produzierten, echten grünen Strom“, so Vieweg. Dabei arbeiten sie mit ihrem Partner Thüga Erneuerbare Energien (THEE) zusammen, einer Gesellschaft, zu der sich 50 Stadtwerke aus Deutschland zusammengeschlossen haben.
Die EVL investiere im Jahr rund 4,5 Millionen Euro in die Region und versorgt 42.000 Einwohner. Seit 2016 würde die EVL zusammen mit der THEE potenzielle Flächen prüfen, welche sich für Photovoltaikanlagen eignen. Am Ende blieb die Fläche an der Autobahn übrig, die näher in Betracht kommt. Es handelt sich um eine durch das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) favorisierte Fläche, dies bedeutet, dass in diesem Bereich eine EEG-Vergütung in Anspruch genommen werden kann. Diese Fläche ist zudem mit dem Regionalpräsidium Gießen abgestimmt. Ende letzten Jahres ging man dann auf die Eigentümer zu, um zu erfahren, wie diese einem solchen Projekt gegenüberstehen. 28 Hektar würden sie gerne umsetzen, bereits ab 10 Hektar sei der Solarpark wirtschaftlich. Jeder Hektar mehr steigere die Wettbewerbsfähigkeit. Über 20 bis 30 Jahre Laufzeit könnten im Jahr 10.000 Megawattstunden produziert werden, was für die Versorgung von rund 4.000 Haushalten mit grünem Strom reicht.
Schließen einer Stromlücke
Vieweg appellierte an die Anwesenden. Deutschland habe sich dazu verpflichtet, klimaneutral zu werden. Mit dem Atomausstieg sowie Kohleausstieg und gleichzeitig wachsenden Energiebedarf entstünde eine Stromlücke. Der Bedarf entwickle „gigantische Dimensionen“ und die regenerativen Energien müssten „immens ausgebaut“ werden, da „wollen wir unseren Anteil zu beitragen.“ Die Module werden über Rammpfosten im Boden verankert, so dass die Fläche versieglungsfrei bleibe. Es sei zwar keine Beackerung möglich, aber es könnten interessante Naturschutzprojekte wie Blühwiesen für Bienen realisiert werden. Diese führe zu einer Aufwertung des Bodens. Diese Aussage führte zu lauten Gelächter im Saal. Nach 30 Jahren könnte der Solarpark rückstandslos abgebaut und die Fläche wieder landwirtschaftlich genutzt werden. Zudem gebe es bereits heute Projekte, Solarparks mit Landwirtschaft zu kombinieren. Auch könnten die örtlichen Landwirte die Grünpflege auf der Fläche betreiben. Die EVL würde das Projekt gerne umsetzen und hofft auf eine Mehrheit und die Unterstützung durch die Kommune.
Bevor es überhaupt in eine Diskussion geht, wollte Peter Rompf (SPD) wissen, ob es Potential für dieses Projekt gebe. Wenn ja, dann sollten alle Fragen gebündelt an die EVL gegeben werden, um dann eine Grundlage für weitere Diskussionen zu haben. Ohne genaue Zahlen zu nennen, wies Vieweg darauf hin, dass das Potential vorhanden ist und es viele positive Rückmeldungen durch die Eigentümer gab. Daher wollen sie das Projekt weiter veröffentlichen und sind jetzt an die Öffentlichkeit gegangen.
2015 Zustimmung für Flächen
Bürgermeister Dr. Marius Hahn (SPD) kann die Entrüstung nicht so ganz nachvollziehen. Seit zehn Jahren diskutieren die Gremien immer wieder über diese Themen. 2013 stimmte die Mehrheit der Kommunalpolitiker für ein gemeinsames Energie- und Klimakonzept. Im Teilregionalplan 2015 waren diese Flächen bereits als Vorrangfläche ausgewiesen. Mit 38 zu 2 Stimmen stimmten die Stadtverordneten diesem Plan damals zu. Die EVL setze diese Pläne gerade um. Auch in seinen Augen verlief das erste Gespräch mit den Eigentümern positiv. Er wünsche sich insgesamt eine sachliche Diskussion zu dem Thema.
Für den Kreisbauernverband Limburg-Weilburg meldete sich der Vorsitzende Marco Hepp zu Wort. Er findet es schlimm, wofür die Landwirte alle herhalten müssen – sie müssen sich um Biodiversität kümmern, um Tier- und Artenschutz. Jetzt sollen sie auch noch aktiv den Klimaschutz unterstützen. Er freue sich, dass die EVL wächst, was sich auch in der Zunahme der Mitarbeiterzahlen zeige. „Sie gewinnen Mitarbeiter, die Landwirtschaft verliert Mitarbeiter“, so Hepp. Derzeit dienen diese Flächen zur Produktion von Lebensmitteln für die Region. Diese müssten dann über lange Wege importiert werden.
Gute Böden gehen verloren
Zudem könne der nicht verstehen, dass der Austausch mit den Landwirten als zufriedenstellend dargestellt wird. Wenn dem so wäre, wäre doch insgesamt die Resonanz auf das Projekt nicht so negativ? Zudem stellt er in Frage, ob die Fläche nach 30 Jahren Nutzung als Solarpark noch für die Landwirtschaft zur Verfügung stehe. Gute Böden entstehen erst durch die langjährige landwirtschaftliche Nutzung. Ausgedehnte Blühwiesen seien unter den PV-Modulen nicht möglich und am Ende entsteht eine wenig biodiverse Grünfläche.
Ackerland ginge in Grünland über. Möchte ein Landwirt nach 30 Jahren diese Fläche wieder als Ackerfläche nutzen, muss er eine andere Ackerfläche in Grünland umwidmen. Und an die Eigentümer richtete er den Hinweis, dass er verstehen könne, wenn diese aus wirtschaftlichen Gründen die Fläche verpachten. Sie sollen sich aber auch Gedanken machen bezüglich Erbmasse, denn es mache einen Unterschied, ob Ackerfläche oder Gewerbefläche vererbt wäre. Für seine Worte erhielt Hepp viel Applaus von den Anwesenden.
Fehlender Dialog
Kritik kam aus den Reihen der Ausschussmitglieder zur Kommunikation dieses Projektes. So gab es im Dezember im Sachbericht der EVL keinen Hinweis zum Solarpark, wobei die EVL zukünftige Projekte vorstellen soll. Marion Schardt-Sauer (FDP) wünscht sich mehr Dialog und daher habe die FDP auch einen Dringlichkeitsantrag für die nächste Stadtverordnetensitzung eingereicht. Sie möchte auch die Argumentation nicht mitgehen, dass das Projekt jetzt erst präsentiert wird, weil es jetzt spruchreif sei. „Die Präsentation heute ist doch eine Reaktion darauf, dass die Bürger wach geworden sind“, so Schardt-Sauer. Und sie sieht eine Kommunikation nicht darin, dass es eine Veröffentlichung auf einer Homepage gibt. „Wir erreichen nur Akzeptanz, wenn wir mit den Menschen reden und nicht, indem wir ihnen etwas überstülpen“, so Schardt-Sauer.
Der Bürgermeister entgegnete, dass sie am Beginn eines Diskussionsprozesses sind. Die Energiewende komme nicht von allein, alle müssen einen Beitrag leisten. Aber er versprach: „Gegen den erklärten Willen des Ortsbeirats und den Stadtverordneten werden wir das Projekt nicht umsetzen.“
Barbara Sylla-Belok (Bündnis 90/Die Grünen) findet hochwertige Ackerflächen genauso wichtig wie die Energiewende. In ihren Augen habe der Flächenverbrauch in den letzten Jahren hohe Ausmaße angenommen. Dies sei ein ernstzunehmender Faktor. „Wir sollten alle Möglichkeiten betrachten und prüfen, bevor wir weitere Ackerflächen verbrauchen.“
Ortsbeiräte mehr einbezogen werden
Auch die beiden Ortsbeiräte Linter und Lindenholzhausen hatten die Möglichkeit, sich zum Thema zu äußern. Auch wenn sie die gemeinsame Sitzung mit dem Ausschuss begrüßten und sich für die Einladung bedankten, machten sie deutlich, dass sie sich dennoch einen weiteren Beratungsgang vor Ort in ihrem Ortsbeirat wünschten. Zudem zeigten sie auch nochmal auf, dass das Thema über die betroffenen Landwirte und Eigentümer an sie herangetragen wurden und nicht von der Stadt. Für den weiteren Prozess wünschen sie sich eine offene, partnerschaftliche Kommunikation, so Heiko Welker, Ortsvorsteher Linter.
Für die Ortslandwirte durfte am Ende noch Klaus Jung-König aus Lindenholzhausen sprechen. Er bedauerte sehr, dass nicht schon vorher das es nicht schon viel früher Gespräche mit den örtlichen Landwirten gab. In seinen über 35 Jahren als Landwirt seien rund 350 Hektar an landwirtschaftlichen Flächen in Limburg verloren gegangen. Auch er sei für Klimaschutz und Energiewende, da schlagen in seiner Brust zwei Herzen. Aber die Stadt solle es sich nicht so einfach machen und beste Nahrungsmittelproduktionsflächen weggeben. Es gebe andere Maßnahmen, über die sie sich Gedanken machen sollte.
Daniel Stenger (SPD), Vorsitzender vom Ausschuss, beendete den Punkt damit, dass er darauf hinwies, dass die Fragen alle gesammelt und an die EVL weitergegeben werden. Denn am gestrigen Abend und durch den sehr vollen Saal wurde auf einzelne Fragen das Projekt betreffend gar nicht eingegangen. Mit den Antworten könne dann in Ruhe in allen Gremien über das Projekt beraten werden.
Bereits im Vorfeld sprach sich die SPD Limburg für die Photovoltaikanlage entlang der Autobahn aus, brachte aber noch eine weitere Lösung ins Spiel. Die Pressemitteilung findet ihr hier.
Weitere Quellen zum Thema:
15 Meter Freifläche zwischen PV-Freifläche und Autobahn
Solarenergie bald 200m rechts und links von Autobahnen