Spitzenkandidaten bei der Kommunalwahl – Schein oder Sein?

Alle fünf Jahre kocht die Diskussion wieder hoch. Dürfen Bürgermeister und Landräte auf den Listen stehen und zur Kommunalwahl antreten, auch wenn sie hinterher die Wahl nicht annehmen? Rechtlich spricht nichts dagegen.

Von den Wahlplakaten lachen Spitzenkandidaten, an denen sich alle fünf Jahre die Gemüter erhitzen. Auch in diesem Jahr kam die Diskussion wieder auf, warum Bürgermeister, Landrat und Erster Kreisbeigeordneter zur Wahl antreten, wenn sie die Wahl nicht annehmen. Diese Kandidaten würden die Wähler täuschen und mit Demokratie habe dies absolut nichts zu tun. Auch wenn es manch einer verwerflich findet, rechtlich ist es nicht verboten. In der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) §32 ist geregelt, wer gewählt werden darf. „Wählbar ist, wer am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet und seit mindestens sechs Monaten in der Gemeinde bzw. im Landkreis seinen Wohnsitz hat.“

Unterstützung der Parteien

Landrat Michael Köberle für die CDU Limburg-Weilburg, Bürgermeister Horst Kaiser für die CDU Elz sowie der Erste Kreisbeigeordnete Jörg Sauer für die SPD Limburg-Weilburg treten als Spitzenkandidaten beim Kommunalwahlkampf auf. Illegal ist ihre Kandidatur nicht. Aber es ist eine Scheinkandidatur, denn laut Gesetz sind Amt und Mandat auf kommunaler Eben nicht vereinbar. Dies bedeutet, dass der Landrat nicht zeitgleich Kreistagsabgeordneter sein darf und der Bürgermeister nicht gleichzeitig Mitglied einer Stadtverordnetenversammlung oder Gemeindevertretung sein. Dies gilt auch für alle anderen hauptamtlichen Dezernenten in den Verwaltungen.

Eine Wahl dieser Personen ist natürlich nicht ausgeschlossen. Doch wenn sie die Wahl annehmen, müssten sie ihre bezahlten Stellen abgegeben. Dies ist eher unwahrscheinlich. Und dennoch wählen die Parteien immer wieder hauptamtliche Politiker als ihre Spitzenkandidaten.

Tarik Cinar, CDU-Kreisgeschäftsführer verteidigt dieses Vorgehen. Rechtlich seien diese Kandidaturen zulässig und in einem demokratischen System auch möglich. „Unsere hauptamtlichen Wahlbeamten treten gerne für uns als Spitzenkandidaten an“, so Cinar weiter, „Sie möchten mit Ihrer Kandidatur ihre Zugehörigkeit zur CDU hervorheben und auf die notwendige enge Zusammenarbeit mit unseren Fraktionen aufmerksam machen.“ Auf diese Zusammenarbeit sind sie auch in Zukunft in ihrer tagtäglichen Arbeit angewiesen, denn Landräte und Bürgermeister arbeiten im Auftrag der Gemeindevertretung, der Stadtverordnetenversammlung und des Kreistages. Deshalb treten hauptamtlichen CDU-Wahlbeamten in diesem Falle im Landkreis und in Elz gerne auch als Spitze an.

Ziehen an einem Strang

Auch Bastian Hofmann, CDU-Fraktionssprecher in Elz schließt sich diesem Statement klar an. „Mit der Aufstellung unseres Bürgermeisters als Spitzenkandidat möchten wir aber vor allem eines deutlich machen: Die CDU Elz und Bürgermeister Kaiser arbeiten eng Hand in Hand. Dies möchten wir auch künftig tun. Aus eben diesem Grund ist Horst Kaiser auch bei allen Wahlen als Kandidat der CDU angetreten. Er hat nicht, wie manch anderer Kandidat im ganzen Land, eine scheinbare Parteilosigkeit dargestellt, obwohl doch klar war, dass eine enge Verbindung zu der einen oder anderen Partei besteht – in Teilen sogar durch noch aktiv ausgeübte (ehrenamtliche) Ämter.“ Er sei als Fraktionsvorsitzender froh und stolz, dass „wir mit unserem Bürgermeister eine starke Stimme haben.“ Seit vielen Jahren ziehen sie gemeinsam an einem Strang. Sie haben vieles für Elz erreicht und wollen daran anknüpfen.

Zudem merkt er an, dass auch andere Personen nach einer Wahl ihr Mandat nicht annehmen können. Dies betrifft vor allem die Kandidaten, welche in den Gemeindevorstand, den Magistrat oder den Kreisausschuss gewählt werden. „Auch hier werden möglicherweise direkt gewählte Personen also nicht in das Kommunalparlament einziehen“, so Hofmann weiter. Zudem handelt es sich bei der Sitzverteilung und die letztendliche Vergabe der Sitze um zwei verschiedene Schritte. Es fallen keine Stimmen weg, wenn ein Kandidat sein Amt nicht antritt. Der nächste Kandidat rückt einfach auf und die Liste, die ihn aufgestellt hat und aus der in den wohl allermeisten Fällen die Fraktion gebildet wird, kann den Sitz besetzen.

Nicht nur Schein

Während die CDU-Spitzenkandidaten mehr Scheinkandidaten sind und ihre Kandidatur einen Symbolcharakter hat, um das enge Miteinander sowie die gemeinsame Arbeit zu unterstreichen, gestaltet sich das Thema beim Ersten Kreisbeigeordneten Jörg Sauer etwas anders. Die Bürger wählten den Landrat Michael Köberle in einer Personenwahl. Im Gegensatz dazu wählte der Kreistag Jörg Sauer. Durch die große Koalition aus CDU und SPD war klar, dass neben einem CDU-Landrat die SPD den Ersten Kreisbeigeordneten stellt. Doch es weiß keiner, wie die Verhältnisse sich nach der Wahl gestalten. Gibt es weiterhin eine große Koalition oder verschieben sich die Mehrheitsverhältnisse.

Dies bestätigt auch Tobias Eckert, SPD Limburg-Weilburg. Der Unterschied zwischen einer Kandidatur eines direktgewählten Bürgermeisters und Landrats im Vergleich zu einem Erste Beigeordneten ist erheblich. „Der direkt gewählte Wahlbeamte hat sein Amt für die Dauer der sechs Jahre, egal wie die Kommunalwahl ausfällt“, so Eckert, „Der Erste Kreisbeigeordnete ist für diese Zeit von der Vertretungskörperschaft gewählt. Die Hessische Gemeindeordnung besagt aber, dass nach einer Kommunalwahl eine Mehrheit diesen abwählen und den Posten neu besetzen kann.“ Daher gebe es einen direkten Zusammenhang zwischen Kommunalwahlergebnis einerseits und der Frage, ob Jörg Sauer seine Arbeit fortsetzen kann andererseits.

Werben für sich persönlich

„Für uns ist die Kandidatur deswegen das bewusste Signal: wer Jörg Sauer in der Kreisspitze möchte, muss SPD wählen“, so Eckert weiter, „Wer Landrat Köberle weiter haben möchte, kann wählen was er oder sie will. Er bleibt es für die Dauer seiner Amtszeit.“ Auch treten auf verschiedenen Listen Bewerber: innen an, die deutlich machen, das sie in der kommenden Wahlperiode in Magistrat und Gemeindevorstand wirken wollen. Dies bestimmt auch erst die Vertretung nach der Wahl. Daher müsste man auch diese Kandidaturen kritisch hinterfragen. Es sei hier aber ebenso bewusst legitim und absichtlich so angelegt, weil man durch das Votum der Bürgerschaft anschließend in Magistrat und Gemeindevorstand gewählt werden möchte. „Jörg Sauer wirbt er auch persönlich um Stimmen für sich und die SPD, zur Unterstützung seiner Arbeit, weil hierfür auch die Mehrheit nach der Kommunalwahl entscheidend ist“, so Tobias Eckert abschließend.

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

3 thoughts on “Spitzenkandidaten bei der Kommunalwahl – Schein oder Sein?

  • 10. März 2021 um 8:09
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    Im Fall von Michael Köberle könnte das mit der scheinbaren Popularität für die CDU Limburg auch nach hinten losgehen. Seine Impfaktion ist noch nicht vergessen.

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  • 10. März 2021 um 14:02
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    Ich finde diese legale Praxis schon lange nichts anderes als Wählertäuschung. Leute, die hauptamtliche Posten und auf die Liste ihrer Partei gehen, erwecken den Eindruck, dass sie wählbar sind. Dass Bürgermeister als hauptamtliche Kräfte im Kreistag sind widerspricht meinem demokratischen Verständnis, denn sie haben geschworen, sich für das Beste ihrer Kommune einzusetzen. Wie sollen sie da sich für das Beste im Kreis einsetzen. Man kann nur einem Herren dienen! Wenn dann der gleiche Bürgermeister zur Bürgermeisterwahl als „Unabhängiger“ antritt und einem die eigene Partei plötzlich eher unangenehm, weil das besser beim Wahlvolk ankommt, kann man erahnen, was der eigentliche Grund ist. Wenn dann auch noch ein Bürgermeister Vorsitzender des Haupt- und Finanzausschusses im Kreis ist, also die Finanzkontrolle besitzt, ist das in meinen Augen nicht vereinbar, auch wenn es gesetzlich erlaubt ist. Interessant finde ich das Gerichtsurteil in Niedersachsen dazu: https://kommunal.de/urteil-kreistag

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    • 10. März 2021 um 14:07
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      Vielen Dank für den Kommentar. Es ist tatsächlich von Bundesland zu Bundesland verschieden. Es gibt auch Bundesländer, da dürfen Bürgermeister und Landrat nicht als Spitzenkandidaten antreten,wenn sie die Wahl sowieso nicht annehmen. Da müsste ich aber nochmal raussuchen, wie es in den einzelnen Bundesländern aussieht.

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