Tag der seltenen Krankheiten – Aufmerksam machen

Am 28. Februar ist der Tag der seltenen Erkrankungen oder auch Rare Disease Day. Mit Simone Braunsdorf-Kremer sprach ich darüber, warum der Tag so wichtig ist. Es sind vor allem drei Gründe, auf seltene Krankheiten aufmerksam zu machen.

Seit dem 28.Februar 2008 gibt es den Tag der seltenen Erkrankungen. Dieser Tag dient dazu, die Öffentlichkeit auf die Belange der von seltenen Krankheiten Betroffenen aufmerksam zu machen. Rund 6.000 seltene Krankheiten sind bekannt. Eine Krankheit ist selten, wenn sie weniger als einen von 2.000 Menschen betrifft. 3,5 bis 5,9 Prozent der Bevölkerung ist davon betroffen. 72 Prozent davon sind genetische Krankheiten. In Deutschland haben rund vier Millionen Menschen oder fünf Prozent eine seltene Krankheit. Und weil die Krankheiten so selten sind, existiert ein Mangel an wissenschaftlichen Erkenntnissen und Informationen zu den Krankheiten. Dies kann wiederum zu verzögerten Diagnosen führen (Quelle Rarediseaseday.org) Bereits zum 15. Mal ruft die Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e.V. Betroffene, Angehörige, Freunde, Mediziner, Forscher, Politiker – alle Menschen – bundesweit dazu auf, ein Zeichen zu setzen und den Anliegen der rund 4 Millionen Betroffenen Gehör zu verschaffen!

Seltene Gendefekte

Simone Braunsdorf-Kremer ist Vorsitzende vom Verein „Walking with Giants Germany e.V.“. Der Verein setzt sich für die Familien ein, deren Kinder eine Form von MPD haben, mikrozephalen primordialen Kleinwuchs (Dwarfism). MPD ist der Oberbegriff von verschiedenen Gendefekten und ihren jeweiligen Unterformen. Ein Gendefekt ist selten, wenn weniger als fünf von 10.000 Menschen davon betroffen sind. Und manche Gendefekte innerhalb von MPD sind noch seltener. Um auf diese seltenen Krankheiten aufmerksam zu machen, ist ein solcher Tag sehr wichtig.

Auch wenn Simone Braunsdorf-Kremer das ganze Jahr über den Gendefekt aufklärt, kann sie an diesem Tag nochmal ganz besonders nutzen und der Erkrankung eine Stimme geben. „Seit 12 Jahren wird an dem Gendefekt geforscht, doch die Pharmabranche zahlt nicht die vollständige Forschung, weil sie nicht lukrativ ist“, so Braunsdorf-Kremer.
Ein zweiter Grund ist ein Appell an die Politik: „Wir werden politisch zu wenig wahrgenommen.“ Da geht es ihr vor allem um Fragen der Alltagsbewältigung. Die Familien, welche durch seltene Erkrankungen betroffen sind, sind zwar eine Minderheit, doch manchmal würde sich Braunsdorf-Kremer wünschen, dass sie mitgedacht werden, um vollumfänglich am Leben teilhaben zu können. So fehlten ihr in der Pandemie zum Beispiel Regelungen und Unterstützungen für Betroffene Familien. Um die Kinder zu schützen, begaben sich die Familien in die freiwillige Isolation und von vielen Seiten fehlte da manchmal das Verständnis. Auf der anderen Seite zeigt sie aber auch Verständnis, denn „ich kann nicht erwarten, dass 76 Millionen Menschen aus Rücksicht auf vier Millionen eingeschränkt werden.“

Im Frühjahr 2021 sprach Simone Braunsdorf-Kremer mit mir über die familiäre Situation in der Corona-Pandemie. Den Beitrag könnt ihr hier nachlesen.

Integration in der Gesellschaft

Ein dritter wichtiger Grund für diesen Tag der seltenen Erkrankungen ist die Aufklärung in der Gesellschaft. „Nur wo Verständnis da ist, können Betroffene integriert werden.“ Daher klärt sie immer wieder über die Krankheit auf. Und Aufklärung ist auch wichtig, um Spenden zu generieren, welche wiederum in die Forschung fließen.
Im Verein Walking with Giants Deutschland gibt es derzeit 26 betroffene Familien. Indem sie auf die Gendefekte aufmerksam macht und über die Diagnosen aufklärt, kann sie anderen Menschen damit helfen, die eventuell noch keine Diagnose haben oder nicht wissen, welche Auswirkungen die Diagnose mit sich bringt. „Ich glaube, dass es da draußen noch immer Kinder gibt, die keine Diagnose haben“, so Braunsdorf-Kremer und diese Familien möchte sie auch erreichen. Als sich der Verein im November 2018 gründete, waren sie sieben betroffene Familien aus Deutschland. In den letzten Jahren kamen 19 Familien hinzu und zweidrittel wurden über die sozialen Netzwerke auf den Verein aufmerksam.

Weniger Spenden

In der Pandemie ist sie nochmal besonders froh, dass es diesen Tag gibt, der speziell auf seltene Erkrankungen aufmerksam macht. Vor der Pandemie nutzten sie viele Möglichkeiten und Veranstaltungen, um auf MPD aufmerksam zu machen. Durch die Pandemie fielen diese Möglichkeiten weg. Seit zwei Jahren waren keine Benefizveranstaltungen möglich. Zudem hat sich der junge Verein noch gar nicht so im Vereinsleben etabliert. Und so merkt sie dies auch an den Spenden. Es ist eine viel geringere Spendenbereitschaft vorhanden. Aktuell sammelt der Verein für die Familie der fünfjährigen Jolien Peter. Sie sammeln für ein behindertengerechtes Familienauto. Jolien ist auf einen Reha-Buggy angewiesen und dieser passt aktuell nicht ins Auto. Vor Corona hat der Verein schonmal Spenden für ein passendes Auto für eine andere Familie gesammelt und die lief besser.

Doch mit den Spenden unterstützt der Verein nicht nur die Familien vor Ort. Sie stellen auch jedes Jahr Gelder für die Forschung zur Verfügung und durch weniger Spenden können sie weniger an die Forschung weitergeben.

Momentan steckt der Verein in den Vorbereitungen zum zweiten Familientag im Sommer und Braunsdorf-Kremer hofft, dass dieser stattfinden kann. Viele Familien haben sich noch nie persönlich kennengelernt. Der persönliche Austausch ist sehr wichtig für die Familien und vor allem für die Kinder, welche dann unter den anderen Kindern nichts besonderes sind, sondern sich unter Gleichgesinnten befinden. Wer mehr über MPD wissen möchte, kann sich heute auf den sozialen Profilen des Vereins informieren.

Daher heute auch meine Bitte – teilt den Beitrag, damit möglichst viele Menschen darauf aufmerksam gemacht werden. Vielen Dank!

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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