Tobias Eckert (SPD): „Tariftreue- und Vergabegesetznovelle von CDU und Grünen ist nicht zustimmungsfähig“

Vergangene Woche befand sich das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG) in der zweiten Lesung. Die Fraktionen von CDU und Bündnis 90/ Die Grünen streben eine Novellierung des Gesetzes an.

Damit soll es eine deutliche Verbesserung bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen geben. Kritik kommt vom DGB Kreisverband Limburg-Weilburg sowie dem SPD-Landtagsabgeordneten Tobias Eckert. Mit der Novellierung werde Lohndrückerei und Schrottbauten subventioniert.

Vergaberecht für öffentliche Aufträge

Das Gesetz mit dem sperrigen Namen Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz stellt den Rahmen, in dem öffentliche Stellen wie das Land oder die Kommunen Aufträge ausschreiben. Ab einem Auftrag von 10.000 Euro muss dieser öffentlich ausgeschrieben werden. Das Gesetz gewährleistet den wirtschaftlichen Umgang mit öffentlichen Mitteln und einen fairen Wettbewerb zwischen den Bietern. Das Gesetz existiert seit 2015 und soll bei öffentlichen Aufträgen Tariflohn für die Beschäftigten gewährleisten oder zumindest Mindestlohn. Weiterhin sollen soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt werden. „Mit dem aktualisierten HVTG liegt ein schlankes, effizientes Gesetz vor. Es gibt einerseits den öffentlichen Auftraggebern das notwendige Werkzeug, nachhaltig und wirtschaftlich im Wettbewerb zu beschaffen, andererseits wurden zwischenzeitlich überflüssige Vorschriften und Sonderregelungen gestrichen, so dass Wettbewerbshindernisse für Bewerber und Bieter ausgeräumt werden“, sagte Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Quelle Landesregierung Hessen)

Tobias Eckert (SPD): „Tariftreue- und Vergabegesetznovelle ist nicht zustimmungsfähig“

Der heimische SPD Landtagsabgeordnete Tobias Eckert sieht in der Novellierung einen enttäuschenden Gesetzesentwurf der Regierungsparteien. „Der Wunsch nach einem schlankeren Gesetz darf nicht dazu führen, dass der Sinn, auch die Gewährleistung von Tariftreue und fairen Löhnen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu erreichen, auf der Strecke bleibt. Bei der schwarzgrünen Novellierung des Tariftreue- und Vergabegesetzes ist das aber leider der Fall“, erklärte Eckert. Die Koalition habe mit ihrem Entwurf mehrere Chancen verpasst. So finde sich darin weder ein Landesmindestlohn, noch seien die neuen Möglichkeiten des Arbeitnehmerentsendegesetzes für eine echte allgemeine Tariftreue genutzt worden.

Auch verbindliche Vorgaben für ökologische und soziale Standards sowie eine Begrenzung von Subunternehmerketten seien nicht in das Gesetz aufgenommen worden. „Gerade in der Pandemie haben alle politischen Akteure betont, öffentliche Gelder zielgerichtet ausgeben zu wollen. Dabei darf man eben nicht bei Themen wie Digitalisierung oder wichtigen Infrastrukturthemen stehen bleiben. Die öffentliche Hand kann im Rahmen ihrer Vergaben gestalten. Wer für das Land arbeitet, muss dafür auch eine Bezahlung nach Tarif erhalten. Aber insbesondere der Wirtschaftsminister Tarek Al- Wazir beklagt Sonntags die abnehmende Tarifbindung in unserem Land, unter der Woche tut er aber nichts dafür“ beklagt Tobias Eckert die unzureichende Regierungspolitik.

Keine Bekämpfung von Lohndumping und Niedriglöhnen

„Wir als SPD-Fraktion hatten eine entsprechende Prüfbehörde gefordert, damit echte Tariftreue künftig auch gewährleistet werden kann. Schwarzgrün widmet sich jedoch lieber dem halbherzigen Versuch, anhand von Sozialkassenbescheinigungen Tariftreue und legale Beschäftigung nachzuweisen“, kritisierte Eckert. Eine bis zu sechs Monate alte allgemeine Sozialkassenbescheinigung, die keinerlei Details wie die Lohnsummen oder die Anzahl der Mitarbeiter eines Unternehmens enthalte, könne keine zeitaktuelle qualifizierte Bescheinigung mit eben diesen Details ersetzen.

„Damit können kein Lohndumping und Niedriglöhne bekämpft werden“, zeigte sich Eckert enttäuscht von der durch CDU und Grüne vorgelegten Novelle. Dass die Grünen und ihr Wirtschaftsminister Al-Wazir ein solches Gesetz mitverantworteten, zeige deutlich, dass aus der grünen Partei endgültig eine „FDP mit Sonnenblume“ geworden ist. Den Regierungsparteien im Landtag sei es offensichtlich egal, wenn sich gute, Tariflohn zahlende regionale Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen nicht mehr gegen die Billigkonkurrenz durchsetzen könnten, so Eckert.

Kritik des DGB Limburg-Weilburg

Neben dem heimischen Landtagsabgeordneten kritisiert auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sehr deutliche die geplanten Novellierung des Hessischen Vergabe und Tariftreuegesetzes. „Die Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN planen ein Tariftreuegesetz ohne Tariftreue“, fasst die DGB-Vorsitzende für Limburg-Weilburg, Viktoria Spiegelberg-Kamens, die Kritik zusammen. „Dadurch subventioniert die Regierung gezielt Lohndrückerei und Schrottbauten, langfristig wird das die Steuerzahler deutlich teurer zu stehen kommen, als wenn man gleich in bessere Qualität investiert. Gute regionale Unternehmen bewerben sich gar nicht mehr auf öffentliche Aufträge, weil sie gegen die Billigkonkurrenz keine Chancen haben.“

Der nun vorgelegte Gesetzentwurf ziehe keine Lohnuntergrenzen, die nicht ohnehin schon durch Bundes- oder EU-Gesetz vorgegeben seien. „Dass die Landesregierung die Landesvergaben an Billigheimer vergeben will, ist äußerst bedauerlich und ein Schlag ins Gesicht der Arbeitnehmer. In Thüringen und im Saarland ist das nämlich jüngst beschlossen worden. Wenn das von der hessischen Regierung nicht gewünscht ist, hätte sie zumindest den Kommunen die Entscheidung überlassen können, ob diese ihre Aufträge tariftreu ausschreiben und so die regionale Wirtschaft fördern. Aber noch nicht mal das ist möglich, das Gesetz ist seinen Namen nicht wert“, kritisiert Spiegelberg-Kamens.

Niedriger Durchschnittslohn im Baugewerbe

Besonders deutlich zeige sich dies mit Blick auf die Durchschnittslöhne im Baugewerbe. Nach Auskunft der Sozialkasse hat Hessen die niedrigsten Durchschnittslöhne im Baugewerbe im Vergleich der westdeutschen Bundesländer. „Im Landkreis Limburg-Weilburg schlägt die fehlende allgemeine Tariftreueregelung besonders ins Gewicht. Der Durchschnittslohn im Baugewerbe ist hier mit unter 15 Euro besonders niedrig“, so Spiegelberg-Kamens.

Und noch einen wichtigen Unterschied sehen die hessischen Gewerkschaften zu anderen Bundesländern. Die Landesregierung habe auch einem vergabespezifischen Mindestlohn die Absage erteilt: „Die Landesregierung hätte verhindern können, dass bei Vergaben in niedrigen Lohnsegmenten, zum Beispiel bei der Reinigung von öffentlichen Gebäuden, die Beschäftigten von ihrem Vollzeit-Einkommen leben können, und nicht noch zusätzlich ALG I oder ALG II beantragen müssen“, so Spiegelberg-Kamens.

Es findet keine Kontrolle des Gesetzes statt. Die Novelle schwäche sogar die Sanktionsmöglichkeiten ab. „Das jetzt geplanten Gesetz schafft keinen Rahmen für einen fairen Wettbewerb um öffentliche Aufträge. Ganz im Gegenteil: Es ist eine Einladung zum Unterbietungswettlauf um öffentliche Aufträge, der auf dem Rücken der Lohnabhängigen, der Steuerzahlenden und der Allgemeinheit ausgetragen wird.“

Letze Woche sollten die Landtagsabgeordneten die Novellierung beschließen. Aufgrund eines Änderungsantrages der Fraktionen und einiger Kritikpunkte findet eine dritte Lesung zum Thema diesen Donnerstag statt.

Wer mehr darüber erfahren möchte, kann sich die Redebeiträge aus dem Landtag anschauen.

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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