Umdenken muss in der Gesellschaft stattfinden

Umwelt und Klimaschutz ist das Thema der Zeit. Doch was kann im Landkreis Limburg-Weilburg selbst getan werden, um das Thema voranzubringen? Darüber sprach die SPD Limburg-Weilburg mit verschiedenen Akteuren. 

Am Ende der Diskussion war klar – einer alleine kann es nicht richten. Jeder ist bei dem Thema gefordert und jeder sollte sich an die eigene Nase fassen und sich fragen, welchen Beitrag er zum Umwelt- und Klimaschutz leisten kann. Gemeinsam ins Gespräch kamen der Erste Kreisbeigeordnete Jörg Sauer (SPD), Marco Hepp, Vorsitzender vom Kreisbauernverband sowie Prof. Dr. Andreas Gattinger, Professor für ökologischen Landbau an der Universität Gießen. Alicia Bokler, SPD Limburg-Weilburg, moderierte die Runde.

Landkreis als Ökolandbau-Modellregion

Zusammen mit dem Rheingau-Taunus und Wiesbaden startete der Landkreis im September als Ökolandbau-Modellregion Nassauer Land. Das Projekt ist vom Land Hessen gefördert. Das Projekt ist auf fünf Jahre angelegt. Zwei wichtige Ziele legte Jörg Sauer dar. Zum einen soll es um die Frage gehen, wie zunehmend ökologischer Landbau betrieben werden kann. Zum anderen soll die regionale Landwirtschaft sowie die regionale Vermarktung unterstützt und ausgebaut werden. Der Traum von Jörg Sauer wäre eine große Markthalle, in der die heimischen Landwirte ihre Produkte anbieten können. In das Projekt sind die Landwirte von Anfang an mit eingebunden.

Marco Hepp begrüßt diese Initiative, sieht aber auch einige Probleme in der Realisierung. Den regionalen Gedanken begrüßt er absolut. „Ich bin für jede regionale Lösung zu haben“, so Hepp, „davon haben wir uns seit Jahren wegbewegt.“ Dennoch sei es eine Herausforderung, eine solche Markthalle einzurichten, denn mit einem Supermarkt könne diese nicht mithalten. Sein Eindruck sei, dass in der breiten Bevölkerung derzeit keine große Nachfrage nach höherpreisigen, ökologischen Produkten besteht. Daher sieht er darin ein hehres Ziel. Am Ende muss das Kosten-Nutzen-Verhältnis auch für den Landwirt stimmen, denn da hängen Existenzen dran.

Zu viel Flächenfraß

Auch sei Hepp dafür, alles kritisch zu hinterfragen. Er sieht die Frage nicht in konventioneller Landwirtschaft oder ökologischer Landwirtschaft, sondern er sieht eher einen guten Mix in der nahen Zukunft. Eine gut geführte Ökolandwirtschaft hat deutlich geringere Erträge auf gleicher Fläche als die konventionelle Landwirtschaft. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass sie viel mehr Fläche benötigt, um die gleichen Erträge zu erzielen. Um komplett auf ökologische Landwirtschaft umzustellen, muss auch ein Umdenken in der Gesellschaft erfolgen. Aber für ihn ist klar: „Zukunft kann nur gelingen, wenn man das Beste aus beiden Welten kombiniert.“

Jörg Sauer unterstrich diese Aussage und gibt noch einen weiteren Fakt zu bedenken. Das limitierende Element bei diesen Überlegungen sind die Verfügbarkeit der Böden. Zu groß ist die Konkurrenz zwischen der Landwirtschaft auf der einen Seite sowie der Erweiterung von Wohn- und Gewerbegebieten auf der anderen Seite. Prof. Andreas Gattinger stimmt ihm da zu. Der Flächenfraß nehme zu. Es war eine Reduzierung bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag geplant. Dies sei nicht gelungen. Doch derzeit beträgt der tägliche Flächenverbrauch für Siedlung und Verkehr immer noch durchschnittlich 56 Hektar pro Tag (Quelle NABU). „Wir sind ganz weit weg von einer Reduzierung des Flächenverbrauchs, solange sich jede Gemeinde ein Denkmal  mit einem neuen Gewerbegebiet setzen will“, so Gattinger.

Insgesamt formulierte Gattinger seine Forderungen noch ein wenig krasser: „Wir brauchen ein radikale Wende!“ Der Verbraucher muss von Anfang an mitgenommen werden, denn dieser bestimmt durch sein Kaufverhalten, was produziert wird. Im Anbau setzt er auf Vielfältigkeit, Tierhaltung, Agrarsystem und Ernährung müssten radikal umgebaut werden. „Wir haben hier fruchtbare Böden, aber leben dennoch in einer Wüste“, so Gattinger weiter. Hessenweit gebe es keine Ökomühle. Landwirtschaftliche Erzeugnisse müssen für die Verarbeitung aus der Region transportiert werden. Der Großteil des Getreides fließt ins Tierfutter. Um die Produkte in der Region zu vermarkten, brauche es auch eine regionale Verarbeitungskultur. „Wenn jedes Jahr zwei Milliarden Tiere weltweit transportiert werden, ist das fern jeder Regionalität“, so Gattinger.

Kosten muss Verbraucher mit tragen

Es sind immer wieder die Kosten, welche zur Sprache kommen. So sei die Schlachtung vor Ort durch die Kosten und die hohen Anforderungen von europäischer Ebene aus kaputt gemacht worden. Daher ist es fraglich, ob eine regionale Schlachtung wieder möglich ist, so Hepp. Die Kosten pro Tier seien für einen kleinen Schlachter einfach zu hoch. Aber er sieht es auch bei sich selbst. Er komme teilweise an seine Grenzen. Seit diesem Jahr kastriert er seine Ferkel unter Betäubung. Dies sind Mehrkosten pro Tier von zwei Euro, die sich für ihn im Jahr auf 25.000 Euro summieren.

Damit muss er erstmal in Vorleistung gehen. Dies wären nur zwei Cent pro Kilogramm mehr, aber die Kette nach oben trägt dies schon immer nicht mit geschweige denn, der Verbraucher. Es wird davon ausgegangen, dass eine ethisch gute Haltung sowie eine ordentliche Bezahlung der Tierhalter mit 35 Euro im Jahr pro Verbraucher gedeckt sei. Diese soll in alle tierischen Produkte mit einkalkuliert werden. Gleichzeitig schreiben die Medien, dass noch eine Steuer käme und wie teuer das Leben noch werden soll. „Wir müssen die Kosten zuerst alleine tragen, doch dies geht auf Dauer nicht“, so Hepp, „dass macht die Tierhaltung in Deutschland kaputt.“

Umdenken auf allen Ebenen

Zudem kritisierte er, dass häufig Außenstehende die Entscheidungen treffen, welche mit der Materie wenig zu tun haben. „Wir Landwirte sind bereit, bei Veränderungen mitzugehen, aber dann muss es der Verbraucher auch.“ Gattinger unterstützt ihn bei diesen Forderungen. Eine Möglichkeiten in seinen Augen wäre dabei eine noch strengere Kennzeichnung, woher die Produkte kommen. „Es muss eine Aufhebung des anonymen Marktes stattfinden, sonst sind wir auch weiterhin den Launen der Verbraucher ausgesetzt“, so der Professor. Er wünsche sich für die Zukunft ein gerechtes und faires Miteinander.

Abschließend wünschte sich Marco Hepp mehr Anerkennung für die Landwirte und was sie leisten. Bei Fragen könne sich jeder an ihn wenden. Die Landwirte seien aber auch offen dafür, das Thema Umwelt- und Klimaschutz im Landkreis mit zu begleiten. Jörg Sauer unterstrich am Ende nochmal, dass sich jeder an die eigene Nase fassen sollte, um sich zu fragen, was er erreichen kann. „2025 möchte ich gerne sagen, dass der Weg, den wir gegangen sind, ein guter Weg war“, so Sauer am Ende.

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

2 thoughts on “Umdenken muss in der Gesellschaft stattfinden

  • 11. März 2021 um 16:38
    Permalink

    Danke, Heike für den gut lesbaren und informativen Artikel. Leider konnte ich die VC wegen anderer Termine nicht mitverfolgen.
    Den entscheidenden Satz hat für mich Herr Sauer ausgesprochen: Jeder muss sich an die eigene Nase fassen. Natürlich ein Verbraucher, der endlich erkennen muss das irgend etwas nicht stimmen kann wenn zum Beispiel ein Joghurtbecher für unter 0,20 Cent im Regal steht. Immer mal darüber nachdenken wer an den 0,20 Euro noch alles verdienen möchte (Landwirt, Verpachungsmittelhersteller, Produzent, Speditionen, Verkäufer).
    Aber auch die Landwirte selbst müssen sich (endlich mal) kritisch hinterfragen. Warum haben sie den dieses Image? Wie man rufet in den Wald….. ? Umgepflügte Feldwege, Gülle die mehrfach im Jahr teilweise auch auf Feldwege ausgebracht wird und jeden natürlichen Bewuchs zunichte macht, immer noch viel zu viel Spritzmitteleinsatz, kein Sonn- und kein Feiertag mehr ohne Maschinen auf Feld und Flur, entfernen von Bäumen und Sträuchern, Gewinnmaximierung als oberste Maxime etc. Leider ist all dies in meiner Wahrnehmung immer noch sehr verbreitet.
    Jeder !!! muss sich an die eigene Nase fassen…. und zwar ganz schnell. Der Rückgang der Insekten sollte uns ein sehr mahnendes Beispiel in einer ganzen Reihe von gefährlichen Entwicklungen sein. Nur gemeinsam können wir eine absolut notwendige Wende schaffen.

    Antwort
    • 11. März 2021 um 16:42
      Permalink

      Danke Christoph für Deine Anmerkung. Vom Kreisbauernverband kam ein klares Signal, mitzuwirken. Herr Hepp gab zum Beispiel einen Einblick in seine Bewirtschaftung. Er prüfe regelmäßig seine Bodenwerte, um diesen nicht zu überdüngen. Als Düngern nutzt er den eigenen Mist. Auch habe er einen Teil seiner Fläche für Insekten ect. brachliegen. Mehr geht leider nicht, da er mit dem Ertrag seiner Felder seine Tiere ernährt.
      Aber ja, es geht nur gemeinsam.

      Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.