Viktoria Spiegelberg-Kamens: Kämpferisch für das Ideal einer Gesellschaft

Sie ist jung und sie ist frisch. Wenn sie redet, hat sie selten eine Vorlage dabei, sondern spricht frei und immer an die Zuhörer gewandt. Damit wirkt sie mitreißend und motivierend. Doch wer steckt hinter der jungen Frau, die am 28.Oktober bei den Landtagswahlen in Hessen für den Wahlkreis 21 für die SPD kandidiert?

„Ich kann nicht alles ändern, aber ich kann im Laufe meines Lebens die Welt ein stückweit besser machen und Vorbild für andere sein.“ Diese Einstellung ist während des gesamten Gesprächs mit Viktoria Spiegelberg-Kamens (35) zu spüren. Dabei geht es nicht nur um einzelne Bereiche, auf welche dieser Ausspruch zutrifft, sondern deckt viele Situationen ab.

Wahl-Limburgerin mit wolgadeutschen Wurzeln

Viktoria Spiegelberg-Kamens ist stark durch ihre Vergangenheit und ihre eigene Geschichte geprägt. Die Limburgerin ist in Kasachastan geboren. Als Enkelin von Wolgadeutschen zog sie 1992 mit neun Jahren „ohne ein Wort Deutsch zu sprechen“ in die Heimat ihrer Vorfahren. Sie kam mit ihrer Familie in ein kleines Dorf. Bis heute empfindet sie eine „wahnsinnige Dankbarkeit“ gegenüber den Menschen sowie ihren damaligen Ziehomas dort. Sie haben ihr und vielen anderen Aussiedlern Halt gegeben und sie ins Dorfleben integriert. Ihre Eltern haben viel geopfert. In Kasachstan Akademiker gewesen, nahmen sie in Deutschland verschiedene Aushilfsjobs an. Sie lernten bis spät in die Nacht am Küchentisch selbständig deutsch. „Meine Eltern haben nicht gemeckert, sondern sich eingebracht“, erinnert sie sich, “ ich habe gesehen, was meine Eltern opferten für eine bessere Zukunft für uns Kinder.“ Daher treibt es sie an, weiterzumachen und ihren Eltern zu zeigen, dass sie immer die richtigen Entscheidungen getroffen haben.

Frühe Gedanken über soziale Ungerechtigkeit

Bereits in der Schule begann sie darüber nachzudenken, woher die Unterschiede in der Bildung herkommen. Sie erlebte selbst Diskriminierung und Ungerechtigkeit. Ursachen darin sieht sie unter anderem im heutigen Bildungssystem. Dieses ist überaltert und nicht mehr passend für das 21.Jahrhundert. „Das Schulsystem bedarf dringend einer Veränderung“, so Spiegelberg-Kamens, “ der Leistungsdruck muss von den Kindern genommen und die Lernzeit entschleunigt werden.“ Jeder, egal mit welchem familiären und sozialen Hintergrund, muss die gleichen Zugangschancen zur Bildung haben.Während ihrer Schulzeit machte sie eine Reportage über Obdachlose. Die gesellschaftliche Ungerechtigkeit konnte sie sich nicht erklären. „Warum bietet die Gesellschaft diesen Menschen nicht genügend Auffangsysteme?“

Keim des politischen Engagements in der Schule

Und diese Erfahrungen mit der Ungerechtigkeit in der Bildung sowie in der Gesellschaft legten den Keim in ihr, sich politisch zu engagieren. Sie begann nach dem Abitur und einem Jahr Auslandsaufenthalt als AuPair ein Studium der Sozialwissenschaften. Sie wollte hinterfragen, warum die Gemeinschaft so funktioniert wie sie funktioniert. Zu ihrer Studienzeit wurden die Studiengebühren in Hessen eingeführt. Sie gehörte mit zu denen, die für die Abschaffung kämpften. „Durch gemeinsames Engagement haben wir etwas bewegt.“ Und dies trägt sie bis heute – nicht alleine etwas bewirken wollen, sondern gemeinsam mit anderen, die das gleiche Ziel haben. Neben den Sozialwissenschaften belegte Spiegelberg-Kamens auch Seminare in der Friedens- und Konfliktforschung. Dort lernte sie, dass es immer mehr als eine Seite gibt. „Jeder kämpft um ein Ziel oder um Ressourcen“, erklärt sie, „um Konflikte zu lösen, müssen alle Seiten betrachtet werden, um dann eine Lösung zu finden.“ Und diesen Gedanken nimmt sie mit: „Politik ist oft ein Kompromiss in der Betrachtung und Abwägung aller Interessen.“

Warum möchte sich Viktoria Spiegelberg-Kamens politisch engagieren?

Auf kommunaler Ebene engagiert sich die junge Limburgerin bereits seit einigen Jahren. Sie fing bei den Jusos an und sitzt seit den letzten Kommunalwahlen mit im Kreistag. Doch nun möchte sie gerne mehr und kandidiert für den Landtag. „Es gibt eine kommunalfeindliche Politik, die die Themen gute Bildung, Mobilität in Stadt und Land sowie die Schaffung vom bezahlbaren Wohnen vernachlässigt hat“, ist sie überzeugt, „wenn ich die strukturellen Probleme verändern möchte, muss ich dahin, wo Gesetze gemacht werden.“ Da stößt sie mit ihrem kommunalpolitischen Engagement an die Grenzen. „Ich möchte durch mein Engagement erreichen, dass hier vor Ort Politik gemacht werden kann und Entscheidungen auch der Ebene getroffen werden, die von ihr betroffen ist.“ Ihr ist es wichtig, mitzugestalten und mitzureden. „Ich habe mich bewusst für die Region hier entschieden und möchte das Geburtsland meiner Vorfahren und Kinder nun auch bewusst mit gestalten.“

Frauen in der Politik

Vor zwei Jahren gab es vom Arbeitskreis Sozialdemokratische Frauen (AsF) eine Kampagne für mehr Frauen in der Politik. Auch Viktoria Spiegelberg-Kamens warb dafür. Doch wie sieht es heute damit aus? „Die Männer sind länger in der Politik vernetzt“, so die Limburgerin, „aber wir Frauen sind selbstbewusster geworden und vertrauen auf unsere Fachkompetenz und Lebenserfahrung.“
In Vorbereitung auf die Landtagswahl 2018 beschloss die SPD, dass die Landesliste quotiert besetzt werden muss. Dies habe dazu geführt, dass die Ortsvereine ihre engagierten Frauen motiviert haben, sich mehr einzubringen. Durch die Quote erhielten qualifizierte Frauen die Möglichkeit, auf die Liste zu kommen, auch wenn sie noch nicht viele Jahre in der Partei vorzuweisen haben. Die Quote würde die Vielfalt darstellen und dazu führen, dass auf jedem zweiten Platz ein Frauenname stehen wird. „Dies ist einmalig in der Geschichte der SPD Hessen.“ Ihr ist dies sehr wichtig. Gleichberechtigung darf nicht nur gefordert, sondern muss auch vorgelebt werden. Zudem habe sich das Frauenbild auch geändert. Es ist mehr und mehr Normalität, dass Frauen verstärkt am öffentlichen Leben teilnehmen und auch die Männer mal auf die Kinder aufpassen. Dennoch würde sie sich wünschen, dass auch in anderen Bereichen wie der Wirtschaft noch mehr Frauen wichtige Positionen inne hätten.

Vorbild für die Kinder

„Wir geben an unsere Kinder ein bestimmtes Bild der Gesellschaft weiter. Deshalb müssen wir unser Ideal vorleben“, so die junge Mutter. Überhaupt spielen ihre Kinder (2 und 4 Jahre) sowie ihre Familie eine große Rolle bei ihrem Engagement. Sie und ihr Ehemann möchten für ihre Kinder Vorbild sein. Dabei ist es für die Landtagskandidatin eine große Herausforderung, einen Mittelweg zu finden zwischen der Politik, Familie und Beruf. „Ich habe die Power und den Willen, dass diese tägliche Herausforderung funktioniert.“ Doch nicht nur für ihre eigenen Kinder möchte sie ein Vorbild sein. Auch für Migranten und Deutsche aus der ehemaligen Sowjetunion möchte sie sich einsetzen und zeigen, dass gerade mit solch einem bewegten Hintergrund politisches Engagement wichtig ist.

Soziale Netzwerke als neuer Dorfplatz

Auf den sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram ist Viktoria Spiegelberg-Kamens sehr aktiv. Dort gewährt sie Einblicke in ihr Leben sowie ihr Engagement. Für sie ist dies ein gutes Mittel, um zu zeigen, was sie macht, um Menschen zu erreichen und auch Veranstaltungen zu bewerben. Zudem könne die Politik aus den Netzwerken Themen aufgreifen. „Facebook ist wie früher der Dorfplatz“, ist sie sich sicher. Nur leider fehlen für diesen „Dorfplatz“ noch die Regeln und die digitale Welt entwickelt sich viel schneller als wie Gesetze dafür verabschiedet werden können. „Es ist spannend, dass Menschen sich schriftliche Beleidigungen an den Kopf werfen können, die sie einem aber niemals ins Gesicht sagen würden“, so Spiegelberg-Kamens. In den sozialen Netzwerken seien die Menschen schneller damit, etwas abzuwerten, als im persönlichen Gespräch. Menschen, deren Meinung einem nicht passen, können schneller aus Freundeslisten wieder verschwinden, als dies im persönlichen Umgang der Fall wäre. Daher findet sie diese Plattformen auch ungeeignet, um Diskussionen zu führen. Insgesamt hat sie häufig das Gefühl, dass der Fortschritt eigentlich nicht aktiv von den Bürgern gestaltet wird, sondern wir diesem hinterherrennen.

Abschließend vom Gespräch fasst Viktoria Spiegelberg-Kamens ihr Engagement zusammen: „Ich habe ein Bild von der Gesellschaft im Kopf und indem ich viele Steinchen auf dem Weg dahin umdrehe, möchte ich dieses Bild Wirklichkeit werden lassen.“ Dies sei ihr Antrieb und sie setzt sich dafür ein, die Menschen für ihr „Ideal des Miteinanders zu begeistern“, welches auf Frieden, Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit baut.

Ebenfalls im Wahlkreis 21 kandidieren Joachim Veyhelmann (CDU), MdL und Marion Schardt-Sauer (FDP) für den Landtag.

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Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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