Wann Menschen auf ihr Auto verzichten würden und warum es dazu nicht kommt

Um die Treibhausgase zu reduzieren und das Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen, müssen Treibhausgasemissionen schnell und drastisch gesenkt werden. Eine Ebene, auf der dies geschehen kann, ist der Verkehr. Aber würden die Menschen auf ihr geliebtes Auto verzichten? Was bräuchte es dafür? Und warum aus diesen Gründen bisher noch nicht viele auf ihr Auto verzichten werden, möchte ich nachfolgend aufzeigen.

Der Verkehr zählt mit zu den Top 3 der CO2-Verursacher in Deutschland. Davor liegen noch Energieerzeugung sowie Industrie. Daher ist eine Verkehrswende ein wichtiger Baustein im Klimaschutz. Das Bundes-Klimaschutzgesetz möchte die Treibhausgasemissionen des Verkehres bis zum Jahr 2030 um 48 Prozent reduzieren.

Acht Bausteine für die Verkehrswende

Das Umweltbundesamt benennt acht Bausteine, mit denen die Verkehrswende gelingen kann. Diese acht Bausteine sind:

  • PKW-Elektrifizierung und Effizienz
  • LKW-Elektrifizierung und Effizienz
  • Geschwindigkeitsbegrenzungen
  • Ausbau der Schiene
  • Abbau klimaschädlicher Subventionen wie Diesel-, Dienstwagenprivileg oder Entfernungspauschale
  • Stärkung Umweltverbund wie attraktiver ÖPNV, Rad- und Fußverkehr oder Sharing-Lösungen
  • Verursachergerechte Bepreisung wie CO2-Bepreisung oder PKW-Maut ab 2023
  • Postfossile Kraftstoffe

Mehrheit nicht auf Auto verzichten

Da in den letzten Wochen bei mir auch fehlender Parkraum Thema war, möchte ich heute auf den Punkt schauen, ob Menschen bereit wären, auf ein Auto zu verzichten und was es dafür geben müsste. Ohne zu viel vorwegzunehmen, fehlen derzeit leider die Anreize, um auf das Auto zu verzichten.

Der Tagesspiegel hat in einer Umfrage wissen wollen, ob sich Autofahrer vorstellen könnten, aus Umweltschutzgründen größtenteils auf das Autofahren zu verzichten. 40,9 Prozent können sich das gar nicht vorstellen, 23 Prozent antworteten mit eher nein. 12,1 Prozent können sich dies auf jeden Fall vorstellen und 15,6 Prozent eher.

Ich habe meine Community gefragt, wie es bei ihnen aussieht. Vielen Dank fürs Mitmachen. 22 Prozent gaben an, dass sie auf ihr Auto verzichten könnten, 78 Prozent könnten dies nicht. Auf die Frage, was es braucht, damit sie auf ein Auto verzichten würden, kamen fast immer die gleichen Antworten.

Was braucht es, damit du auf dein Auto verzichtest?

  • Gute ÖPNV auf dem Land
  • Carsharing Angebote in der Nähe mit flexiblen Angeboten von Tarifen und Autos
  • Allgemein eine bessere Infrastruktur
  • Anbindung an den ÖPNV passend zu den Arbeitszeiten
  • Bessere Anbindung der Dörfer
  • Radwege ausbauen
  • Kurze Wege
  • Guten und kostenfreien ÖPNV
  • Arbeitsplätze in Wohnortnähe
  • Ärzte, Cafés und Geschäfte vor Ort

Wie sieht es mit der Infrastruktur aus?

Blicken wir allein auf den Landkreis, ist es verständlich, dass die Mehrheit der Menschen nicht bereit ist, auf das Auto zu verzichten. Die Infrastruktur ist nicht vorhanden, um auf das Auto zu verzichten. Je weiter es ins ländliche geht, nimmt der ÖPNV ab, teilweise fahren die Busse nur jede Stunde oder noch seltener. Vorhandene Radwege eignen sich für den Tourismus, es fehlen jedoch geradlinige Strecken zum Pendeln.

Ein gutes Angebot gibt es in Limburg. Neben der Stadtlinie gibt es seit zwei Monaten das On-Demand-System LahnStar, der alle Stadtteile verbindet. Zudem bietet er Energieversorger Limburg E-Carsharing an, welches weiter ausgebaut werden soll. Innerhalb Limburgs passen diese Angebote sehr gut, doch außerhalb der Stadt stoßen auch diese Angebote auf ihre Grenzen. An dem On-Demand-System haben ebenfalls die Nachbarkommunen Interesse und die CDU Limburg-Weilburg möchte die Einführung eines solchen flexiblen Angebot im Nahverkehr prüfen lassen, was der Kreistag in der letzten Sitzung befürwortete. Auch in Bad Camberg sowie Villmar gibt es Carsharing-Modelle.

In Hünfelden, Hünstetten und Bad Camberg ist ein zweijähriges Pilotprojekt mit einem Rufbus gestartet. Der Rufbus soll es Pendlern aus der Region ermöglichen, zum Bahnhof nach Bad Camberg zu gelangen, von dem aus es weiter Richtung Frankfurt oder über Limburg nach Gießen und Koblenz geht.

Beseitigung von Defiziten

Die Defizite sind bekannt und die verschiedenen Ebenen von der Kommune bis zum Landkreis haben sich auf den Weg gemacht, diese Defizite zu beseitigen. Die Bekenntnisse für den Ausbau der Infrastruktur wurden gemacht. Jetzt geht es in die Umsetzung.

Die Kreisverwaltung hat im September 2020 ihren Nahmobilitätscheck vorgelegt mit einem Schwerpunkt auf den Radverkehr. Der Alltagsradverkehr soll durch die Projekte attraktiver gestaltet werden. Der innerstädtische Radverkehr wie auch zwischen den Orten soll gefördert werden. Zwei Maßnahmen befinden sich bereits in der Umsetzung. Bereits bei Schulkindern soll die nachhaltige Mobilität gefördert werden und ein Baustein ist der Schüler-Radtourenplan. Kritik kam zu den bisherigen Plänen vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC). Gefahren und Nutzen würden in keinem gesunden Verhältnis zueinander stehen, so in einem Leserbrief am 7. Januar in der Nassauischen Neuen Presse.

Neben dem Landkreis sind die Radwege ebenfalls Thema in den Kommunen. Limburg hat zu einem zweiten Workshop zum Radverkehr eingeladen, um diesen zu verbessern. Ein Schwerpunkt sind dabei auch schnellerer Verbindung im Stadtgebiet, damit das Radfahrern zu einer realistischen Alternative im Berufsverkehr wird. Auch in Elz gibt es Bestrebungen, nach Limburg einen schnellere Radverbindung zu schaffen als dies bisherigen. Neben den Verantwortlichen vor Ort ist das Land Hessen bemüht, das vorhandene Radwegenetz auszubauen. Dafür wurden 270 Zählstellen installiert, um eine bessere Übersicht zum Radverkehr zu erhalten und diese Daten für den Netzausbau zu verwenden. Für die mit im Boden verlegten Induktionsschleifen ausgestatteten Zähler hat das Ministerium rund 3,5 Millionen Euro investiert.

Beim Ausbau der Infrastruktur ist wichtig, dass diese attraktiv für den Nutzer ist. Dies bedeutet, dass sie nicht übermäßig mehr Zeit in Anspruch nimmt, als wenn ich mit dem Auto unterwegs bin. Und sie muss kostengünstig sein.

Muss ich aufs Auto verzichten?

Der PKW ist ein kleiner Baustein in den acht Säulen der Verkehrswende. Es hat sich gezeigt, dass es in der ländlichen Region gar nicht so einfach ist, auf sein Auto zu verzichten. Und nicht jeder wird die finanziellen Mittel haben, um auf ein E-Auto umzusteigen. Doch muss ich vollständig auf mein Auto verzichten? Neben der fehlenden Infrastruktur bedeutet ein Auto Freiheit und Flexibilität. Mit ihm kann man jederzeit überall hin ohne sich um Abfahrtzeiten oder Kapazitäten von Sharing-Angeboten zu kümmern. Dennoch könnte jeder seine Autonutzung überdenken und somit einen kleinen Beitrag zur Verkehrswende leisten.

Kurze Wege könne zu Fuß bewältigt werden. Mit Parkplatzsuche und Verkehr ist man mit dem Auto nicht wirklich immer schneller. In Limburg, wo es sowieso Probleme mit der Luft geht, könntet ihr den alternativen Mobilitätsformen eine Chance geben. Und eventuell stellt ihr ja fest, dass das zu Fuß gehen oder das Radfahren euch gut tut, dass ihr durch Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel weniger Stress habt. Und es sind die kleinen Schritte, welche am Ende einen Beitrag zum großen Ganzen leisten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass einige Menschen gerne auf ihr Auto verzichten würden, wenn eine passende Infrastruktur vorhanden ist. Sie sind bereit, ihren Beitrag zur Verkehrswende zu leisten. Doch ohne Investitionen in die Infrastruktur und eine attraktivere Gestaltung wird sich da erstmal nichts tun, denn die Menschen können ohne diese nicht auf ihr Auto verzichten.

+

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

3 thoughts on “Wann Menschen auf ihr Auto verzichten würden und warum es dazu nicht kommt

  • 23. Januar 2022 um 10:21
    Permalink

    Es geht nicht ohne Auto aber ohne Auto geht vieles.
    Natürlich muss die ganze Infrastruktur dazu ausgebaut werden,besonders auf dem Lande.
    Ich stelle mal die ketzerische Frage: Müssen unsere PkW noch so groß sein.Würde ein PKW ala 500 er Fiat(Elektro) nicht ausreichen?
    Ein E-kabinenroller bis 45Km/Std.würde die meisten Schüler auch zur Schule bringen .Die Entwicklungen zeigen schon deutlichen Fortschritt.Autobahn 100Kmh,Landstr.80 Kmh wäre doch für jeden zumutbar.
    ÖPNV mutig ausbauen Radwege vorrangig usw.
    Es ist vieles möglich wenn man es anpacken will.

    Antwort
  • 23. Januar 2022 um 11:55
    Permalink

    Mittlerweile gibt es auch viele Kinder, die nach Diez zur Schule gehen. Jedes Kind wird gefahren, dass der Weg über Limburg gehen muss. Mit Umstieg dauert es etwa eine Stunde. Da ist man doch in 15 Minuten schneller. Wir verfahren so 600 km im Monat. Mir ist bewusst, dass wir unsere Kinder auch nach Limburg gehen könnten, aber das Alternativangebot an Schulformen ist nicht so groß.

    Antwort
    • 28. Januar 2022 um 8:23
      Permalink

      Hier stellt sich die Frage, ob dann nicht ein kleiner Schulbus installiert werden kann, der eine Route fährt, um die Kinder abzuholen und nachmittags wieder heimzubringen. Wobei ich das Problem sehe, dass dies länderübergreifend ist. Im Landkreis selbst gibt es ja etliche Schulbusse.

      Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.