Weilburger Grüne mit Doppelspitze – Volle Kraft in den Landtagswahlkampf
Am Freitag wählten die Mitglieder von Bündnis 90/ Die Grünen nach einer Satzungsänderung eine neue Doppelspitze. Zu Besuch war der Landesvorsitzende Sebastian Schaub, der einen Rundumblick in die Politik gab. Er stimmte die Versammlung auf den Landtagswahlkampf im Herbst 2023 ein.
Die Grünen Weilburg haben seit Freitag eine Doppelspitze mit Guido König und Renate Michel. Als Beisitzer wählte die Versammlung Ute Franz, Doreen Reifenberg und Friedrich Wilhelm Grote. Dieter Langer und Udo Sartorius gehören dem Vorstand nicht mehr an. Zu ihrer Jahreshauptversammlung haben die Weilburger den Landesvorsitzenden Sebastian Schaub eingeladen, welcher mit „voller Kraft voraus“ auf den Landtagswahlkampf einstimmte. Momentan bereitet sich die Partei darauf vor. In den letzten fünf Jahren habe die Partei einen enormen Mitgliederzuwachs und daran müssen sich jetzt auch die vorhandenen Strukturen orientieren. Dies sei jetzt die größte Aufgabe, um die Partei fit für den Wahlkampf zu machen. Ein Resultat daraus sei auch die Kreisgeschäftsstelle, die zweimal die Woche mit Stefanie Bräuer besetzt sei.
Grüne Themen gewinnen an Bedeutung
Die Grünen seien mit ihren Themen gefragt, so Schaub. „Vor der Wahl wurden unsere Leute im Bund angegriffen. Jetzt gehören sie mit zu den beliebtesten Politikern, denn sie kommen ihrer Verantwortung nach“, so Schaub. Seit Jahren setzen sich die Grünen dafür ein, dass Deutschland aus den fossilen Energien aussteigen. Nun, mit dem Krieg in der Ukraine, bekommt dieses Thema neuen Schub. „Wir haben uns in den letzten Jahren abhängig gemacht“, so der Landesvorsitzende, „und jetzt erleben wird, dass es auf lange Sicht am günstigsten ist, wenn wir die Energie selbst erzeugen.“ Die Themen der Grünen würden auf einmal in einem völlig anderem Kontext stehen. Darauf müsse die Partei jetzt aufbauen.
Dafür sei aber auch wichtig, dass die Grünen mit den Menschen ins Gespräch kommen, ihre Entscheidungen erklären und aufzeigen, was die Entscheidungen auf lange Sicht bedeuten. Dies betrifft den Klimawandel, aber derzeit auch die Entscheidungen zum Krieg in der Ukraine. Ihm sei bewusst, dass es da zu Diskussionen kommt. Die Grünen kommen aus einer Friedensbewegung. Er selbst zählt sich auch dazu. „Wir haben mit Russland und der Ukraine gemeinsame Friedenspolitik gemacht“, erinnert er sich. 1994 haben Russland und die Ukraine einen gemeinsamen Vertrag zum Existenzrecht der Ukraine unterschrieben und auf „Verträge muss man eigentlich vertrauen“. Daher war es auch mit möglich, in den letzten Jahren die Bundeswehr zu reduzieren und die Wehrpflicht abzuschaffen. Doch dieses Vertrauen sei jetzt weg. „Seit dem 24.Februar ist nichts mehr wie zuvor“, so Schaub, „auch nicht unsere Partei.“
Als die Friedensbewegung früher auf die Straßen ging mit dem Slogan „Frieden schaffen ohne Waffen“, war dies möglich. Doch dies gilt jetzt alles nicht mehr. Bestehende Grundgewissheiten sind weg. Auf der anderen Seite müsse es Möglichkeiten geben, irgendwann wieder auf Russland zugehen zu können. Aktuell ist dies nicht möglich. Und ihn schmerzt das, dass diese alten Gewissheiten nichts mehr zählen. Umso mehr ist Schaub froh, dass Grüne in der Regierung sitzen, die aus der Friedensbewegung kommen. Denn die wägen Entscheidungen nochmal sorgfältiger ab und treffen diese nicht einfach leichtfertig.
Erneuerbare Energien
Einen weiteren Blick gab es auf die Regierung in Hessen. Dort arbeite man konstruktiv in einer Koalition mit der CDU zusammen und werde dies auch die nächsten eineinhalb Jahre weiter fortführen. Sie werden Ende Mai natürlich auch die Wahl von Boris Rhein zum neuen Ministerpräsidenten unterstützen. Eine Menge Themen seien noch offen, die im Koalitionspapier stünden, also haben sie noch einiges zu tun. „Und dann machen wir einen guten Wahlkampf, aus dem wir hoffentlich mit starkem Ergebnis rausgehen“, so Schaub zum Ende seines Einblickes.
In der anschließenden Diskussion ging es hauptsächlich um den Weg zu den erneuerbaren Energien und welche Hürden es auch vor Ort zu nehmen gilt. Heinz-Jürgen Deuster, Fraktionsvorsitzender im Stadtparlament, vermisst eine Klimapolitik in Weilburg. Erneuerbare Energien durch Solaranlagen auf Freiflächen werden abgeblockt, es „komme noch nicht mal zur Diskussion“.
Im Regionalplan seien zwei Prozent Vorrangfläche für Windkraft und zwei Prozent Vorrangfläche für Solaranlagen vorgesehen, so Schaub. Bisher gab es immer Diskussionen um die Windkraft, aber weniger um die PV-Anlagen. Er wünsche sich, dass innerhalb von zehn Jahren ein Prozent der PV-Anlagen auf Dachflächen von Privatgebäuden, öffentlichen Gebäuden und der Industrie realisiert sind. Für das andere Prozent werden jedoch Freiflächen benötigt und aus Limburg weiß er, dass es da zu einem Konflikt mit der Nahrungsmittelversorgung kommen könnte.
Wenn er auf Deutschland schaut, dann werden auf 60 Prozent der Ackerflächen Futtermittel angebaut, auf 14 Prozent Energiepflanzen und der Rest für die Nahrungsmittelproduktion. Und da müsse schon diskutiert werden, ob dies weiter so gehen soll. Es gebe inzwischen einige Alternativen. So präferiere der NABU eine Kombination aus PV-Anlagen und Blühwiesen. Es gebe aber auch die hochgeständerte Variante, unter der Viehhaltung möglich ist. Dies sei eine Variante, welche besonders in sonnenintensiven Ländern umgesetzt wird. Und es gibt die Agri-Photovoltaik, bei der es Energie- und Nahrungsmittelerzeugung gibt.
Weiterhin Energiepflanzen?
Vor allem der Sektor Energiepflanzen müsste neu bewertet werden, so Schaub. Sollte beim Sprit E10 auf E5 runtergefahren werden? Die Umwandlung von Mais in Methan in Biogasanlagen sei kein effizientes Verfahren. Brauchen wir das? „Wir müssen uns die Gesamtheit anschauen und betrachten, was wirklich effizient ist und was nicht“, so Schaub. Dazu zähle ebenfalls ein Blick auf unsere ganzen Lieferketten. Corona und der Krieg zeigen jetzt, dass diese viel zu lang sind und es kürzerer Wege bedarf, um keine Engpässe zu befürchten. Der Wind stehe auf Veränderungen und dies müssen nun angepackt werden. Doreen Reifenberg plädierte zum Beispiel darauf, dass man als Kommune die ganzen Fragen nicht alleine diskutiert, sondern sich mit den anderen Kommunen vernetzt, um gemeinsame Lösungen zu erarbeiten.
Es gab eine weitere Frage zum Regionalplan und Gewerbeflächen. Dabei geht es konkret um ein Gewerbegebiet in Waldhausen, für das ein Buchenwald weichen müsste. Dieter Langer gab einen kurzen Einblick dazu. Eigentlich war zwischen Waldhausen und Löhnberg eine Gewerbefläche geplant, doch diese war durch die Schieflage nicht realisierbar. Also habe die Stadt nach einer weiteren Fläche geschaut, um auch in Zukunft Gewerbeflächen anbieten zu können. „Und dann kam der unsägliche Vorschlag für die Waldfläche“, so Langer, für welche auch die Mehrheit des Stadtparlamentes gestimmt habe. „Wir gehen davon aus, dass das Regionalpräsidium Gießen diesen Wunsch ablehnt, da es sich um eine wertvolle Waldfläche handelt“, so Langer.
Sebastian Schaub zeigte nochmal auf, dass man die Menschen häufig über das Bauchgefühl bekommt. Und dann geht es nicht darum, ihnen das Gefühl zu vermitteln, ihnen etwas wegzunehmen oder vorzuschreiben. Viel mehr müssen die Menschen bei den Veränderungen mitgenommen werden. Und die Kommunalwahlen haben ja gezeigt, dass dies möglich. Weitere Probleme neben der Energieerzeugung und der Nahrungsmittelversorgung müssen angegangen werden. Auch die Wohnungspolitik ist ein großes Themenfeld. Und da müssen die Grünen auch mal Diskussionen aushalten müssen. Doch Sebastian Schaub äußerte sich sehr sicher, dass diese Herausforderungen zu packen sind.
Am Freitag fand die Kreismitgliederversammlung von Bündnis 90/ Den Grünen statt. Hier gab es vor allem heftige Diskussion um einen Resolutionsantrag zum Krieg in der Ukraine.