Wie das Glas nach Hadamar kam
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Das Glas hat keine jahrhundertealte Tradition in Hadamar. Erst nach dem zweiten Weltkrieg spielte es eine wichtige Rolle in der Entwicklung und war so wichtig, dass sogar eine Glasfachschule entstand, die bis heute besteht.
Der Geschichte der Glasbetriebe in Hadamar widmet das Glasmuseum seine neue Ausstellung unter dem Titel „Von Böhmen in den Westerwald – die Geschichte der Hadamarer Glasbetriebe“. Diese wurde am Sonntag eröffnet. Dabei kamen mehrere Zufälle zusammen, dass eine Glasindustrie in Hadamar entstand. Dazu gab es Einblicke bei der Eröffnung der Sonderausstellung.
Michael Ruoff, Bürgermeister und Vorsitzender vom Trägerverein, zeigte auf, dass unter den damaligen Bedingungen für die Heimatvertriebenen es schon erstaunlich war, dass einige nicht nur Fuß hier gefasst haben, sondern auch mit ihrem Handwerk einen neuen Geschäftszweig gegründet haben.
Lange Tradition böhmischen Glases
Angelika Krombach, Enkelin von Professor Alexander Pfohl, Glasmaler und Mitbegründer der Glasfachschule Hadamar, gab in ihrem Fachvortrag einen Einblick in die Geschichte. Zwar sei sie selbst nicht im Glashandwerk tätig, stamme jedoch aus einer Familie, in der seit sechs Generationen das Glashandwerk ausgeübt wurde. Ihr Großvater war Glasmaler, Professor und Mitbegründer der Glasfachschule. Ihre Eltern waren ebenfalls Glasmaler und ihr Vater ebenfalls Lehrer an der Glasfachschule.
Die Tradition des böhmischen Glases geht bis ins 13. Jahrhundert zurück. In der Region von Haida (Novy Bor) und Steinschönau (Kamenicky Senov), heute Tschechische Republik, gab es die Ressourcen wie Holz, Quarz und Pottasche, für die Glasherstellung. Ab 1683 war das reine, klare Kristallglas weltweit gefragt. Das böhmische Glas war besonders geeignet für Gravuren und den Schliff. Die Region entwickelte sich zu einem Zentrum der Glasverarbeitung. 1937 gab es 270 Glasfirmen vor Ort sowie 15 Glashütten. 9.000 Arbeiter und 400 Heimwerkstätten waren verzeichnet. Zu 90 Prozent wurden die Glaswerke exportiert. Zudem gab es eine enge Zusammenarbeit mit den Glasfachschulen, die zum einen die Fachkräfte sicherten, aber auch die Aufgabe der Qualitätssicherung übernahmen. Zudem wurden hier Techniken und Muster ausgearbeitet und verfeinert.
Suche nach einer neuen Heimat
Und dann kam der Krieg und nach dem Krieg die Vertreibung der Sudetendeutschen. Die größeren Glashütten wurden verstaatlicht. Die Glashandwerker durften keine Erzeugnisse, keine Muster und auch kein Handwerk mitnehmen bei ihrer Vertreibung. Maximal 15 Kilogramm durfte ihr Gepäck wiegen. Ein kleiner Teil wurde jedoch in Böhmen festgehalten, um tschechische Bürger in den Techniken zu unterrichten und das Wissen weiterzugeben. Nicht jeder hatte den Mut, fern der Heimat seinen Betrieb wieder aufzubauen. Unter den 270 ansässigen Glasbetrieben befanden sich auch die Betriebe Melzer, Wittig und Fabich. Die drei Herren Ernst Wittig, Herbert Fabich und Herbert Melzer befanden sich bis 1946/47 in Kriegsgefangenschaft. Nachdem sie entlassen wurden, kehrten sie nicht zurück nach Tschechien, sondern ihr Weg führte sie zuerst nach Bayern.
Dort gab es bereits Glashütten und es war der Plan, sich dort konzentriert anzusiedeln. Doch die Wohnungsnot sowie die fehlende Unterstützung durch die bayerische Regierung führte zur Abwanderung aus Bayern. Ein Zufall wollte es, dass sie davon erfuhren, dass in Limburg eine Glashütte entstehen soll. Zudem war Hessen bestrebt, diesen Industriezweig im Bundesland aufzubauen. Das die drei Fabrikanten dann in Hadamar landeten, war reiner Zufall, so Angelika Krombach in ihren Ausführungen. Sie hatten kein Kapital, keine Wohnung, keine Betriebsstätte. Ein glücklicher Zufall wollte es, dass die junge Frau Marianne Fein die Not der drei mitbekam und sie mit ihrer Großmutter Hedwig Siebert bekannt machte. Diese gab ihnen Unterkunft und half bei den Betriebsstätten.
Ab 1947 Aufbau neuer Industriezweig
Am 30.Juni 1947 begann mit der Anmeldung in Hadamar der Aufbau dieses neuen Industriezweiges. Es war keine einfache Zeit. Die Glaskunst war nicht so sehr gefragt, sondern die Menschen wollten Alltagsgegenstände aus Glas. Zudem reichte die Glasqualität der Glashütte Limburg nicht an die Qualität der böhmischen Glashütten heran. „Es war ein bescheidener Anfang im Vergleich zu den Betrieben in Böhmen“, so Angelika Krombach weiter. Und zudem fehlten die Fachkräfte. Natürlich gab es auch andere Glashandwerker, doch es fehlte noch immer Wohnraum. In diesem Bereich engagierte sich Ernst Wittig als Stadtverordneter und es wurde die Wohnbaugesellschaft gegründet und Wohnungen geschaffen.
Nach dem böhmischen Vorbild bemühten sich die Fabrikanten, auch vor Ort eine Glasfachschule zu errichten, um den Fachkräftenachwuchs zu sichern. Dies war nicht einfach, denn auch in Oberursel, wo es auch eine Glashütte gab, gab es Bestrebungen, eine solche zu gründen. Mit der Überwindung einiger Hindernisse und dem schnelleren Finden von Räumlichkeiten nahm die Glasfachschule Hadamar im Juli 1949 ihren Betrieb auf. Zur Unterstützung der Gründung holten sich die Fabrikanten Prof Alexander Pfohl nach Hadamar. Dieser wurde noch in Tschechien festgehalten und sollte zwangseingebürgert werden, so dass nur eine List half. Seine „nicht im Glashandwerk tätige“ Tochter ging eine Scheinverlobung mit einem der Fabrikanten ein und stellte dann aus Deutschland über das DRK einen Antrag auf Familienzusammenführung. Am 28.April 1948 kam die Familie Pfohl nach Hadamar und nahm ab Mai ihren Betrieb der Glasmalerei auf, „wobei an Luxusgläser damals noch nicht zu denken war.“
Blütezeit 50er Jahre
Ab den 50er Jahren bauten die Fabrikanten wieder alte Vertriebswege auf und erlebten in den 50er und 60er Jahren ihre Blütezeit. 250 Arbeitende waren in der Glasindustrie in Hadamar tätig. Leider nahm die Wertschätzung für qualitativ hochwertiges Glas ab, aus dem Ostblock kam die Billigkonkurrenz sowie die Technisierung führten zum Niedergang dieses Industriezweiges. Bereits 1957 gaben die ersten Betriebe auf, 1997 löste sich auch der letzte Betrieb auf.
Von den damaligen Glasbetrieben zeugen heute nur noch kunstvolle Gläser und Glasarbeiten. Und bis heute werden an der Glasfachschule Glaser, Glasapparatebauer sowie Glasveredler ausgebildet. Und unter den Technikern finden sich auch immer wieder Glaskünstler.
In ihrem Vortrag konnte Angelika Krombach einige lustige Anekdoten aus der eigenen Familiengeschichte mit einfließen lassen. Am Ende hatte sie noch einen Wunsch. Ihre Mutter, Brigitte Herrmann-Pfohl, bemühte sich sehr um eine Versöhnung zwischen den Tschechen und den Deutschen, es gibt sogar Kontakte zwischen der Stadt Haida und Hadamar. Ihre Mutter erhielt als Symbol der Aussöhnung eine feine runde Glasplatte, mit wenigen Zentimeter Durchmesser, welche ein tschechischer Künstler gravierte. Als besonderes Zeichen vermachte sie dieses Kunstwerk dem Glasmuseum.

Michael Ruoff bedankte sich bei ihr für den Vortrag. Bevor er die Ausstellung eröffnete, bedankte er sich noch bei den Leihgebern der ausgestellten Werke sowie an die damit verbundene Wissensvermittlung. So haben die Besucher die Gelegenheit, mehr zur Geschichte der Glasindustrie in Hadamar zu erfahren. Das Glasmuseum hat jeden Samstag und Sonntag, von 14 bis 17 Uhr geöffnet.