Wie die AWO Hadamar mit der Corona-Krise umgeht
Seit dem 4. Mai dürfen Seniorenwohnheime in Hessen wieder ihre Türen für Besuche öffnen. Das AWO Sozialzentrum in Hadamar gibt Einblicke zu ihrem Konzept.
Der normale Haupteingang ist verschlossen, der Aufgang mit einem Absperrband blockiert. Am Gebäude geht es nach hinten weiter, wo ein großes Schild die Besuchszone ausweist. Am Stehtisch müssen sich die Besucher in eine Liste eintragen, sich einem Gesundheitscheck unterziehen und erhalten eine Belehrung, wie sie sich zu verhalten haben. Danach dürfen sie mit ihren Angehörigen ins Gespräch kommen. Wer bettlägerige Verwandte hat, darf diese auf dem Zimmer besuchen. An einem großen Tisch kommen sie zum Sitzen und zwischen beiden steht eine große Plexiglasscheibe. Die Bedingungen sind nicht immer einfach. So erschwert die Plexiglasscheibe bei den älteren Bewohnern das Hören und es müssen findige Ideen her, damit die Bewohner mit ihrem Besuch kommunizieren können. „Durch die Öffnung tragen wir noch mehr Verantwortung für unsere Bewohner“, so die Leiterin Iris Bausch-Berg, „aber die Maßnahmen werden von allen gut akzeptiert.“
Herausforderungen für Senioreneinrichtungen
Die Corona-Pandemie stellt die Senioreneinrichtungen vor große Herausforderungen. Nicht nur, dass die Bewohner zur besonders gefährdeten Gruppe zählen. Auch besteht durch die gemeinsame räumliche Unterbringung ein erhöhtes Risiko, bei einem Covid-19-Fall ein erhöhtes Risiko für eine Infektion.
Als bekannt wurde, dass die Seniorenwohnheime wieder Besuch empfangen dürfen, stand das Telefon erstmal nicht still, weil jeder einen Termin machen wollte. Inzwischen hat es sich eingependelt. Einmal die Woche darf jeder Bewohner für 25 Minuten Besuch erhalten. „Eine Stunde wie vom Land Hessen vorgesehen, wäre bei unserer Größe nicht machbar“, erklärt Bausch-Berg, „aber die 25 Minuten sind auch ausreichend.“
Seit der Schließung haben die Mitarbeiter an einem Konzept gearbeitet, da klar war, dass die Einrichtung irgendwann wieder öffnet. Durch ihre Anlage mit dem großen Garten hatten die Bewohner während der Schließung die Möglichkeit, in den Garten zu gehen. Die größeren Veranstaltungen in der Cafeteria fielen aus, aber es wurde durch mehr Programm in den Wohngruppen aufgefangen. „Wir haben die Menschen nicht auf ihren Zimmern eingesperrt“, so Melanie Frey, Leiterin soziale Betreuung. Dennoch werden die Großveranstaltungen wie Tanz und Gesang am Wochenende vermisst. Doch auch dafür haben die Mitarbeiter eine Lösung. So gab es Musik oder auch Gottesdienste im Garten, denen die Bewohner mit Abstand oder über den Balkon beiwohnen konnten.
Anpassungen in der Einrichtung
Iris Bausch-Berg und auch Melanie Frey geben Einblicke wie es die ganze Zeit so lief. Sehr früh war ihnen die Verantwortung für ihre Bewohner bewusst, so dass sie bereits vor der Schließung der Seniorenwohnheime aufmerksamer agierten und auch die Besuche einschränkten. Auch sie sahen sich damit konfrontiert, ob dies denn alles so nötig sei. „Seit unsere Mitarbeiter den Mundschutz tragen, hat sich bei den Bewohnern der Sinn und die Ernsthaftigkeit der Maßnahmen nochmal erhöht“, so Frey. Mit der Schließung durften keine Ehrenamtler oder Externe mehr in die Einrichtung kommen.
Die Arbeitszeiten der Mitarbeiter wurden angepasst, um so wenige Schnittmengen wie möglich zu haben und Teamsitzungen sowie Fortbildungen wurden stark reduziert. Während es für die Bewohner des AWO Sozialzentrums kaum Einschnitte gab, macht sich Iris Bausch-Berg mehr Gedanken um die Mieter rund um das Sozialzentrum, die noch ein eigenständiges Leben führen. Da sei die Gefahr der Vereinsamung viel größer, weil die Gemeinschaft fehlt. Das Essen bekämen sie zwar geliefert, aber sie können nicht ins Seniorenwohnzentrum hinein. „Da werden bestehende Defizite deutlich, die vorher in der Gemeinschaft nicht so auffielen“, so Bausch-Berg.
Lockerungen zu früh
Dennoch sind beide froh über das schöne Wetter, so dass viel Zeit im Garten verbracht werden konnte.
Die Leiterin hätte jedoch gerne noch zwei Wochen abgewartet mit den Lockerungen. Für sie kommen diese zu früh. Dabei denkt sie immer an die Sicherheit der ihnen anvertrauten Menschen. An Sicherheitsausrüstung fehlt es, Arbeitssicherheitsstandards müssen neu gedacht werden und sie kämpft mit überteuertem Desinfektionsmittel. Zudem würde sie sich mehr Testungen wünschen, wenn ein Bewohner aus dem Krankenhaus zurückkehrt oder ein neuer Mitarbeiter anfängt. Dies würde für alle mehr Klarheit bringen.
Und sie nehmen die Gedanken mit nach Hause, denn die Mitarbeiter sind durch ihr kommen und gehen die Gefahr. „Ich konnte teilweise keine Berichterstattung mehr anschauen“, so Iris Bausch-Berg. Sie mache sich dann schon Gedanken, was passiert, sollte ein Covid-19-Fall in der Einrichtung sein. Und Melanie Frey verbot ihren Kindern den Kontakt zu Freunden. „Ich habe die Verantwortung im Rücken und die Kontaktbeschränkungen sind dann schon für meine Familie sehr schwer“, erzählt sie.
„Wir versuchen weiterhin den Alltag für unsere Bewohner aufrecht zu erhalten“, so Bausch-Berg abschließend.
Sehr vorbildlich! Ich wünsche mir für unsere gesamte Gesellschaft so eine vorausschauende und auch auf Alter und Lebensumstände bezogene Einstellung.