„Wir sind dafür verantwortlich, dass es nie wieder geschieht“

Mit seien 21 Jahren hat Markus Huth bereits eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe übernommen – er ist der Vorsitzende des Vereins Weilburg erinnert e.V. Für ihn ist es eine bürgerliche Pflicht, an die Zeit des Nationalsozialismus zu erinnern und dafür zu sorgen, dass solche Zeiten nie wieder geschehen.

Der Grundstein für dieses Engagement wurde bei Markus Huth in der Schulzeit durch seine Geschichtslehrerin gelegt. In der Oberstufe belegte er Geschichte als Leistungskurs. Bereits da lag sein Schwerpunkt auf der Zeit des Nationalsozialismus und dort speziell auf der Euthanasie. 2018 war er Schriftführer im Kinder- und Jugendparlament Weilburg. Dieses initiierte im Bergbau- und Stadtmuseum die Ausstellung „erfasst, verfolgt, vernichtet – kranke und behinderte Menschen im Nationalsozialismus“. Sie beschäftigte sich mit den Euthanasiemorden an Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen. Diese Ausstellung war sehr gut besucht. „Das hat mir gezeigt, dass ein Interesse für das Thema in der Region vorhanden ist“, so Huth und so gründete sich der Verein Weilburg erinnert e.V.

Markus Huth, Vorsitzender „Weilburg erinnert“

Engagement als bürgerliche Pflicht

Aber leider wird seiner Meinung nach viel zu wenig gemacht, auch in der Bildung bei den Jugendlichen, was auch die aktuelle Zeit wieder zeigt. Daher stand die Frage im Raum, wie politische Bildung möglich werden kann und dabei unabhängig zu bleiben. Eine Finanzierung eines solchen Projektes über die Stadtverwaltung wäre nicht leicht gewesen und auch ein Anschluss an den Geschichtsverein hatte nicht gepasst, weil die Schwerpunkte sehr unterschiedlich sind. Am Ende wurde der unabhängige Verein Weilburg erinnert gegründet. Für Huth ist es nicht nur eine Überzeugung, sondern er sieht seine Arbeit auch als bürgerlich Pflicht: „Wir sind nicht für das verantwortlich, was damals geschah. Aber wir sind dafür verantwortlich, dass es nie wieder geschieht.“

Gerade in der aktuellen Zeit ist dies für ihn nochmal wichtiger geworden. Er ist dankbar für das Grundrecht, die Demokratie und auch die EU. Er ist dankbar dafür, dass es „uns allen gut geht.“ Und daher ist es ihm wichtig, Strömungen, die sich gegen die Demokratie richten, zu zeigen, dass ihr Verhalten und ihre Einstellung unakzeptabel ist. Dafür gehört für ihn eben auch, aufzuzeigen, wozu die Strömungen damals führten. Sie führten zu Euthanasie, politischer Verfolgung und Ermordung von Menschen, die nicht ins damalige Schema passten.

Demokratie lebt nicht von selbst. Demokratie braucht Mut (zu lesen auf der Homepage)

Wunsch nach sicherer Finanzierung

Und so hat der Verein drei Säulen für seine Arbeit definiert: die aktive Erinnerungs- und Gedenkkultur, die Förderung der Erinnerung an couragierte Bürger im Dritten Reich aus Weilburg und Umgebung sowie gegen Rechtsextremismus, Extremismus jedweder Art, Terrorismus und Rassismus. Durch die Corona-Pandemie war es für den Verein schwieriger, die Menschen vor Ort zu erreichen und mit ihnen Face-to-face in Kontakt zu kommen. Auf der anderen Seite werden die digitalen Veranstaltungen sehr gut angenommen und es konnten auch Menschen außerhalb der Region erreicht werden.

Eine große Hürde für Markus Huth ist die Finanzierung der Projekte. Der Verein ist auf Förderung angewiesen. Huth steckt viel Zeit in die jeweiligen Anträge, um Projekte stemmen zu können. Umso frustrierender ist es dann, wenn eine Absage kommt. Das ist für Huth auch das Frustrierenste an seiner Arbeit. Denn mit jedem abgelehnten Antrag war die investierte Zeit umsonst. Daher wäre sein großer Wunsch, dass der Verein eine feste jährliche Förderung erhält. Damit könne er Zeit, die er in die Anträge investiert, sparen und in andere Aufgaben stecken. Zudem könnte der Verein mit einer festen Förderung Veranstaltungen viel besser planen.

Stolpersteine für die Opfer des Nationalsozialismus

Ein weiterer großer Wunsch von Markus Huth ist die Verlegung von Stolpersteinen für die Weilburger Opfer des Nationalsozialismus. Rund 20 Biografien seien bereits vorhanden. Huth geht insgesamt von rund 100 Opfern in Weilburg und den Stadtteilen aus. Die Biografien jüdischer Opfer seien bereits gut erforscht, doch auch andere Menschen wurden Opfer der Nazis. Leider finden in seinen Augen derzeit eine Debatte auf den Rücken der Opfer statt. Im Oktober 2019 fasste der Verein den Beschluss, das Projekt Stolpersteine anzustoßen. Im Juli 2020 gab es erste Gespräche mit dem Bürgermeister. Dann hieß es, es werde erst Thema nach den Kommunalwahlen sein.

Huth hätte gerne einen parlamentarischen Beschluss noch vor den Sommerferien. Ob es soweit kommt, kann er nicht sagen. Der Geschichtsverein stellt sich gegen das Projekt. Er sähe viel lieber Gedenktafeln an den Häusern als Stolpersteine im Gehweg. Für Huth ist es auch eine Verantwortung gegenüber den Spendern, denn es sind bereits 6.240 Euro für Stolpersteine gespendet worden. „In der heutigen Zeit gibt es keine ernsthaften Argumente gegen Stolpersteine“, ist er sich sicher und blickt dabei auf die erfolgreichen Veranstaltungen in Limburg, Elz und Villmar. Zudem sieht Huth ein Problem bei den Tafeln, denn für die Anbringung ist das Einverständnis der Hauseigentümer notwendig. Die Steine jedoch werden im öffentlichen Raum verlegt und bedürfen keiner Genehmigung.

Ein dritter Wunsch wären weitere Mitglieder im Verein. Mit elf Mitglieder gründete sich der Verein und inzwischen sind sie 36. Um dauerhaft zu bestehen, bräuchte der Verein 50 bis 60 Mitglieder. Stolz ist er auf die Zusammenarbeit mit den Weilburger Schulen sowie anderen Projekten, die sich für die Aufarbeitung der NS-Zeit und gegen Rassismus sowie extremes Gedankengut stellen. Insbesondere nennt er den Verein „Wetzlar erinnert“, welcher auch die Idee zur eigenen Vereinsgründung gab sowie „Wir sind mehr Limburg-Weilburg“. Zudem ist der Verein Teil der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungskultur.

Projekte und Veranstaltungen 2021

  • Im Zeitzeugenprojekt  sucht der Vereine Weilburger Bürger, die über 80 Jahre alt sind und aus ihrem Leben in der Nazizeit erzählen können.
  • 5. Mai – Vortrag „…Nicht nur in Hadamar – Krankenmorde im Bezirksverband Nassau“
  • Im Oktober plant der Verein eine Fahrt zur Gedenkstätte Breitenau
  • Am 27.Oktober findet die Theateraufführung „Ännes letzte Fahrt“ des Theater mini-art unter der Schirmherrschaft von Volker Bouffier statt
  • im November soll die Wanderausstellung zum Hitler-Attentäter Georg Elser im Kulturzentrum Spielmann zu sehen sein
  • Im Dezember ist zusammen mit dem Bistum Limburg ein Zeitzeugengespräch geplant

Wer mehr über den Verein erfahren möchte, kann die Homepage oder die Facebook-Seite besuchen.

Heike Lachnit

Ich bin freie Lokaljournalistin in der Region um Limburg. Auf HL-Journal schreibe ich über die Themen, die nicht immer in der Zeitung Platz haben oder die mir am Herzen liegen.

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